Die Schizophrenie Fußballdeutschlands

Anfang März gab es wohl kaum ein Medium, dass nicht über Jürgen Klinsmann schrieb – zumeist nicht unbedingt positiv. Auch da war schon zu spüren, wie schnell sich doch die Gemütslage der deutschen Fußballfans drehen kann. Nach dem Confed-Cup schwärmte alles noch von dem „Revolutionär“ Klinsmann und der jungen Truppe, die so frisch und munter aufspielte. Spätestens nach dem Italienspiel im März und der sinnfreien Torwartfrage, die sich über Monate hinweg zog, war diese positive Stimmung verflogen. Nicht wenige machten Ihrem Unmut öffentlich Luft und selbst das Weiterkommen in der Gruppenphase der WM wurde von einigen bezweifelt. Und als Odonkor in DER Pressekonferenz auf einmal genannt wurde, waren es nicht wenige, die Klinsmann wieder nach Amerika verfluchten…
 
Trotz alledem, und zum großen Erstaunen vieler, hat es aber die Deutsche Nationalmannschaft geschafft, die Massen zu begeistern. Und das, im Gegensatz zu vorherigen Teilnahmen deutscher Nationalmannschaften bei großen Turnieren, mit wirklich gutem Fußball. Die ersten 30 Minuten gegen Schweden waren mit das Beste an Fußball, was ich je von einer deutschen Nationalmannschaft gesehen habe. Ok, man kann jetzt zynisch sein und erstens darauf verweisen, dass ich erst 29 Jahre alt bin und zweitens, dass bis Argentinien nicht wirklich starke Gegner gegen die Deutschen antraten. Es sind allerdings nur wenige, die so argumentieren.
 
„Diese WM ist die beste Medizin“ titelte gestern eine Münchner Abendzeitung. Die Lobhuldigungen Richtung Klinsmann scheinen kein Ende zu nehmen. Für einen kurzen Augenblick stellte er sogar den „omnipotenten“ Kaiser in den Hintergrund. Durch Klinsmanns Handschrift (und natürlich die der amerikanischen Fitnesstrainer und die Einführung des Deuser-Bandes in den Trainingsalltag…) hat die Nationalmannschaft wieder das Land entzückt. Man kann wieder stolz auf sein Land und seine Nationalmannschaft sein und dies auch öffentlich zeigen. Gut könnte ich mir vorstellen, dass die Redewendung „positiver Patriotismus“ zum Wort des Jahres gewählt wird. Nun soll Klinsmann sogar bald das Bundesverdienstkreuz verliehen werden, für seine Dienste an der Bundesrepublik Deutschland.
 
Dass er die Planungen für das Projekt „WM 2006“ zum größten Teil in der Sonne Kaliforniens getätigt hat, interessiert nun keinen mehr. Wahrscheinlich sitzt er gerade in seinem Hotel, schlürft an einer Dr. Pepper, chattet mit Ehefrau Debbie und singt vor sich hin:
 
Regrets, I’ve had a few;
But then again, too few to mention.
I did what I had to do
And saw it through without exemption.
 
The record shows I took the blows –
And did it my way!
 
Ich gönne es ihm!

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