Der neue Re-Commerce Trend: Gebrauchtware ist in Mode

Unsere Gesellschaft ist geprägt von ständigem Konsum und dem Verlangen, immer wieder dem Trend zu folgen und das allerneuste, innovativste Gerät zu besitzen, denn es verspricht noch mehr Spaß, noch mehr Lebensfreude und damit ein viel besseres Leben. Problem ist nur, dass sich die Innovationszyklen der einzelnen Geräte immer mehr verkürzen und neue Trends fast wöchentlich aus dem Nichts heraus erscheinen. Wie will man dieser Flut Herr werden?

Durch Re-Commerce den eigenen Status sichern

Die wirtschaftliche Lage der letzten Jahre hat das Kaufverhalten stark beeinflusst. Nicht der Massenkonsum zählt mehr, sondern vielmehr die Besinnung auf Qualität. „Geiz ist Geil“ war gestern. Der intelligente Käufer vergleicht Anbieter sowie Preise und kauft lieber hochwertige Produkte, als seinen Keller mit einer Unzahl billiger, minderwertiger Gegenstände zu füllen. Der Wiederverkaufswert fließt dabei maßgeblich in die Kaufentscheidung mit ein. So ist dem rational wirtschaftenden Käufer bewusst, dass gebrauchte Qualitätsware wieder leicht und erfolgversprechend abgesetzt werden kann. Die Anschaffung der aktuellsten Neuware wird somit durch den Verkauf der Vorgänger-Version schnell finanziert. Dem Trend zu folgen und seinen hohen Status zu sichern, ist damit auch in schwierigen Zeiten möglich.

Während früher oft alte, aussortierte Produkte auf dem Dachboden oder in der Abstellkammer landeten, befreit man sich heute immer öfter von zu viel unbenutztem Besitz. Einer eBay-Studie aus dem Jahr 2008 zufolge, benutzen wir durchschnittlich nur 20 Prozent unserer Gegenstände. Die restlichen 80 Prozent zu verkaufen, würde mindestens 1.000 Euro pro Haushalt einbringen. Wir müssen uns nur von ihnen trennen können. Was früher noch keiner Notwendigkeit unterlag, wurde durch die anhaltende Depression beschleunigt – das emotionale Loslösen von eigenen Besitztümern. Extreme Ausrichtungen dieser Entwicklung, die sogenannten Minimalisten des 21. Jahrhunderts, frönen einem umfassenden Lifestyle, der eine Beschränkung auf unter 100 Dinge preist, um zurück zu mehr Lebensqualität zu gelangen und sich vom anhaltenden Druck der Konsumkultur zu befreien.

Der Re-Commerce Trend profitiert von dieser zunehmenden Bereitschaft gebrauchte Artikel zu verkaufen. So konnte sich die Produktpalette in den letzten Jahren erheblich vergrößern und bietet neben Autos nun auch Elektrowaren von Handys über Laptops bis hin zu Spielkonsolen und Games an. Käufern steht somit ein viel besseres Angebot gegenüber.

Das Second-Hand Image wurde entstaubt

Kannte man Second-Hand Produkte vor allem aus dem Tante-Emma-Laden von nebenan oder privaten Anbietern auf Flohmärkten, wurde der Handel mit Gebrauchtwaren in den letzten Jahren zunehmend professionalisiert. Im Zeitalter von Breitband-Anschlüssen und einer fast bundesweiten Verfügbarkeit und altersunabhängigen Benutzung des Internets, kaufen wir Gebrauchtware größtenteils online. Hat eBay das Zeitalter des Online-Gebrauchtwaren-Handels eingeleitet, so führen neue Re-Commerce-Portale diese Veränderung auf einer wegweisenden Ebene fort. Waren unbekannte Herkunft und ungewisser Qualitätszustand ausschlaggebend für eine abschätzige Haltung gegenüber Second-Hand Artikeln, setzen nun Gebrauchtwaren-Portale dem bewährte Qualitätsstandards entgegen.

Anders als bei Bieter-Portalen, verkauft der Besitzer seine Produkte zu einem Festpreis und sofort. Er muss nicht mit Gebühren rechnen und erspart sich das zeitaufwendige Recherchieren von Produktinformationen und passenden Fotos. Zudem entgeht er der Sorge, sein wertgeschätztes Objekt vielleicht unter Wert verkaufen zu müssen, falls nicht genug Bieter Interesse daran zeigen. Der Käufer der Gebrauchtware erhält in der Regel 12 Monate Gewährleistung und kann, anders als bei Privatanbietern, vom Widerrufsrecht Gebrauch machen. Diese Maßnahmen haben das Verkaufen für viele unkomplizierter und damit attraktiver gemacht und dem Kaufen mehr Vertrauen geschenkt.

Neben der zunehmenden Bereitschaft alte Dinge abzugeben, sind diese Veränderungen im Gebrauchtwaren-Handel ausschlaggebend für den anhaltenden Re-Commerce Trend. Umweltbewusstsein und nachhaltiges Handeln werden für die Kaufentscheidung jedoch immer wichtiger und die Wiederverkaufskultur zukünftig noch weiter fördern. Es ist zwar noch nicht abzuschätzen, wie weit sich der Kauf von Gebrauchtware auf die Verkaufszahlen von Neuware auswirken wird und ob neue Produkte wirklich weniger in Anspruch genommen werden, was zu bezweifeln ist, fest steht allerdings, dass die Nutzung von Second-Hand Artikeln ihre Lebensdauer, über die Innovationszeiträume hinaus, verlängert. Bereits verbrauchte Ressourcen für hergestellte Waren werden länger genutzt, ohne neue in Anspruch nehmen zu müssen. Seinen Besitz zu verkleinern und durch gebrauchte Dinge zu ersetzen, verringert damit den eigenen ökologischen Fußabdruck und wirkt umweltschonend.

Die wachsende Prosumer-Bewegung

All diese Entwicklungen berücksichtigend, wird sich der Re-Commerce Trend noch weiter vollziehen. Es werden sich vermehrt Käufer finden, die durch den Erwerb von Gebrauchtware einen höheren Lebensstandard erreichen oder ein umweltbewusstes Shoppen ohne Schuldgefühl mehr genießen können. Schließlich suggeriert die Worterfindung aus „Recycling“ und „Commerce“ nicht nur, dass defekte Waren den richtigen Wertstofftonnen zugeführt werden und nicht im allgemeinen Hausmüll landen, sondern beschädigte Artikel aufbereitet, repariert und weiterverwendet werden.

Der gewöhnliche Konsument erreicht in dieser Entwicklung die neue Stufe des Prosumers, der seinen Kauf am Weiterverkaufswert orientiert und daher Produkten eine höhere Wertschätzung zukommen lässt. Er pflegt sie bewusster, verpackt seine Geräte in Schutzhüllen und verwendet sie allein für ihren vorgegebenen Zweck. Damit gewährt der Prosumer einen hohen Verkaufspreis und macht eine „wie neu“-Bewertung und hohe Qualitätsstandards auch im Gebrauchtwaren-Handel möglich. Die Prosumer-Bewegung widerspricht somit eher der Prognose und Angst von Herstellern, durch den Re-Commerce Markt weniger Abnehmer für ihre Neuwaren zu finden. Schließlich verkaufen Prosumer, um sich aufzuwerten, das heißt, um sich fortschrittlichere Objekte leisten zu können. Der Re-Commerce Trend könnte sich sogar positiv auf die Anschaffung von neuen Entwicklungen auswirken, da er flexiblen und temporären Konsum durch schnellen Wiederverkauf erst ermöglicht.

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