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Dass Werbung uns manipuliert, wissen wir. Die Neuroökonomie macht jetzt die Hirnareale sichtbar, die bei unseren Kaufentscheidungen aktiv sind. Wenn wir spontan ein unwiderstehliches Angebot kaufen, laufen bemerkenswerte Prozesse im Hirn ab.
Die Neuroökonomie vereint Hirnforschung mit Wirtschaftswissenschaft. Ein Forschungsteam um Christian Elger und Bernd Weber arbeitet im Life & Brain Center in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn an der Aufklärung des neuronalen Verbraucherverhaltens.
Die Methode der Neuroökonomen ist einfach. Versuchspersonen werden im funktionellen MRT Angebote unterbreitet, die sie nach Attraktivität bewerten sollen. Gleichzeitig macht der MRT den Blutfluss in verschiedenen Bereichen des Gehirns sichtbar. So lässt sich eine aktive, stark durchblutete Hirnregion von inaktiven Regionen unterscheiden. Besonders aktiv bei der Wahrnehmung der als ansprechend empfundenen Offerten war das Belohnungszentrum, der sogenannte Nucleus accumbens.
Für Marketingexperten ist das keine neue Erkenntnis. Spätestens seit den Untersuchungen von Vance Packard „Die geheimen Verführer“ wissen wir um die Macht von unterschwelligen Botschaften, die unter Umgehung unserer Kritikfähigkeit unsere Affekte ansteuern. Die Bonner Untersuchungsergebnisse werfen aber noch andere Fragen auf.
Im Interview mit spektrumdirekt.de stellt Bernd Weber fest: „Die Ergebnisse waren beeindruckend. Im Gegensatz zur einfachen Preisangabe führten zusätzlich angezeigte Rabattsymbole zu einer signifikanten Aktivierung von Belohnungsarealen im Gehirn. Offenbar sind Rabattsymbole schon so tief in unser Gehirn eingebrannt, dass ihr Auftauchen Gefühle wie ‚Da kann ich ein Schnäppchen machen‘ weckt – ein Gefühl, das die Erwartung hervorruft, belohnt zu werden. Natürlich beeinflusst dies das Verhalten in Richtung Kaufentscheidung.“
Ähnliche Vorgänge sind aus der Motorik bekannt und werden als psychomotorisches Verhalten bezeichnet. Autofahren, Maschineschreiben oder Treppesteigen laufen eher unbewusst ab. Diese Automatisierung ist notwendig, um solche Tätigkeiten ökonomisch durchführen zu können.
Wenn es also tatsächlich so ist, dass antrainierte Reize unter Ausschaltung der Kritikfähigkeit automatisierte Entscheidungen auslösen, die eigentlich den Einsatz unserer Kritikfähigkeit erfordern, dann stellt sich prinzipiell die Frage nach unserer Entscheidungsfreiheit.
Hirnforscher wie Wolf Singer haben bereits mit der Behauptung heftige Diskussionen ausgelöst, das menschliche Denken sei determiniert, da alle Entscheidungen auf deterministischen neuronalen Prozessen im Gehirn beruhten.
Freilich können die Erkenntnisse der Neuroökonomie auch als Argument für das genaue Gegenteil dienen. Solange wir nicht entschieden haben, ist alles möglich. Wir dürfen uns nur nicht alleine auf den Nucleus accumbens verlassen, der spontan und automatisch reagiert. Mithilfe des orbitofrontalen Kortex können wir frühere Beurteilungen abrufen und so den affektiven Impuls überprüfen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Wer der Verlässlichkeit seines orbitofrontalen Kortex nicht ganz traut, kann aber auch einfach die Gattin mit in den Baumarkt nehmen.
So eine ausgelagerte „Back Office“-Funktion hat ihre Vorteile. Hätte zum Beispiel Nick Leeson seiner Frau einen Job in der Buchhaltung der Barings Bank besorgt – sie bat ihn tatsächlich darum –, ich kann mir nicht vorstellen, dass Nick seine Megaspekulationen unter deren Augen gewagt hätte.
Was bleibt, ist die Frage, wie tief sich ein neuronales Programm eingraben muss, bis es zum „Engramm“ wird und wir wirklich nur noch „Pawlowsche Hunde“ sind.
Die Chefarztfrau
Was haben Frau Herman und Madame Antoinette gemeinsam?