Ich war bei "Conditio sine qua non" stehen geblieben. Ein sehr gebräuchlicher Ausdruck im Übrigen. Besonders Bildungsangeber benutzen sowas ja gern. Sie wissen schon, diese Typen, die keinen Lebenslauf, sondern ein curriculum vitae haben, häufiger schon mal die Ultimatio ratio für erforderlich erachten, stets primus inter pares sein wollen und in dubio pro reo nur dann anwenden, wenn sie selbst der reo sind. Dann wird stante pede schon mal ad hoc nolens volens Unangenehmes honoris causa ad acta gelegt.
Sie sehen schon, Latein ist eine tolle Sache. Sollte man unbedingt lernen. Sie fragen cui bono? Na, also mindestens mal honoris causa. Erwähnte ich doch schon. Außerdem könnte man es vielleicht gezwungener-, nicht sinnvollermaßen brauchen, wenn man Mediziner oder sowas hochpreisiges werden will. Und weil es so schön kompliziert ist, gehört es natürlich zwingend auf den Lehrplan der Gymnasien. Wer, wenn nicht die Herren und Damen Oberstudienräte sollten der verweichlichten deutschen Nachkriegsjugend denn bitte ein solches Relikt ansonsten aufzwingen dürfen? Und das nicht etwa als Nebenfach, nein ein Hauptfach, gleichbedeutend mit Mathe, Deutsch und Englisch muss es bitte schön sein.
So quälen die Gymnasien seit Jahrhunderten ihre Schüler. Auch ich gelangte in den äußerst zweifelhaften Genuss, dieses Konstrukt aus Worten erlernen zu müssen. "Am leichtesten lernen das Schüler, die gut in Mathe sind." Sagte der Lateinlehrer auf einem Elternabend im Sommer. Und gegen meinen ausdrücklichen Rat wählte meine Tochter zu Beginn dieses Schuljahres die unsägliche Sprache, die seit bald 1000 Jahren keiner mehr spricht, mit Ausnahme von Ratze und seinen Jungs. Relativ relaxed dachte ich: "Muss sie halt durch, wenn sie’s unbedingt will."
Was ich dabei vergaß, ist allerdings gravierend. Meine Tochter gehört zu einem der ersten Jahrgänge, die das Abitur in insgesamt 12 Jahren erreichen sollen. Und bekanntlich haben sich unsere politischen Bildungsexperten ja nicht mit der Fragestellung befasst, was denn dann aus den Lehrplänen rausgekürzt werden muss und kann und haben dementsprechend auch nichts rausgekürzt. So muss man also, statt wie zu meiner Zeit in der siebten Klasse, nun schon zu Beginn der sechsten Klasse mit dem Erwerb der Lateinkenntnisse beginnen.
Ich will gar nicht über die Frage philosophieren, inwieweit Elfjährige schon in der Lage sind, eine derart abstrakte, formalistische Sprache zu erfassen, obwohl das mit Sicherheit auch seine Berechtigung hätte. Ich will hier einmal eine ganz simple Tatsache feststellen: Für den Lateinunterricht braucht man Kenntnisse verschiedener grammatikalischer Konstrukte, die man im Deutschunterricht erwirbt. Allerdings im Deutschunterricht der sechsten Klasse…
Na? Merkt einer was? Es kam, wie es kommen musste. Die Kids in der Klasse meiner Tochter sind da, wo man sie nicht hinwünschen würde. Die erforderlichen Deutschkenntnisse sind noch nicht vermittelt, aber der Lateinunterricht ist bereits an diesem Punkt angelangt. Conditio sine qua non? Nicht in den Augen unserer Bildungsprofis… Diese Pfeifen, die.
[Fotoquelle: www.pixelio.de / Templermeister]
Ja, der ewige Streit um Latein – wer braucht das?Also ich hab es manchmal vermisst dass ich nie Latein gelern habe weil ich mich nicht mit schlauen lateinischen Sprüchen „gebildet“ zeigen konnte und ganz selten hatte ich das Gefühl bei Fremdworten, dass Latein mir da weiterhelfen könnte.Und für die Begriffe und das Verständnis der theretischen deutschen Grammatik kanns auch nützlich seinAnsonsten glaub ich, dass außer Medizinern niemand Nutzen vom gelernten Latein hat.Dann gibts noch das Argument dass man Logik und grundlegende Sprache lernt dabei – also ich find da sollte men zu Englisch lieber noch Französiche lernen. Wer jemals Urlaub in irgendeinem entfernteren Land macht wird damit deutlich glücklicher werden als mit Latein.
Ich kann deine Aufregung verstehen. Allerdings teile ich nicht ganz die Ansicht. Ich habe damals in der 5. Klasse mit Latein begonnen, Englisch also quasi als zweite Fremdsprache gelernt. Es ist nicht so, dass die Beherrschung der deutschen Grammatik Bedingung für das lateinische Verständnis ist. Bei mir war es umgekehrt. Gerade durch den Lateinunterricht hat sich mir die deutsche Sprache erst völlig erschlossen. Ich bin im Nachhinein dafür sehr dankbar. Latein war bei mir tatsächlich ursächlich im Sinne der conidcio (sic) sine qua non Formel für die Beherrschung und das Verständnis der deutschen Sprache. Das ändert natürlich nichts daran, dass die Redewendungen, wie von Ihnen begrüßenswerterweise durch den Kakao gezogen, tatsächlich reine Selbstdarstellung sind, wenn sie denn in dieser Häufung gebetsmühlenartig zelebriert werden.
P.S.: Anscheinend hat der Lateinunterricht mir trotzalledem nicht dazu verholfen, einheitlich „Du“ oder „Sie“ zu schreiben. In diesem Sinne – mea culpa.;-)