Längst ist es nicht mehr unerheblich, was im fernen Osten an der Börse passiert. Zu vernetzt ist die Weltwirtschaft, zu empfindlich die internationalen Kapitalströme. Daher blicken Anleger und Politiker zurzeit besorgt nach China. Am Montag stürzt der Shanghai Composite Index innerhalb weniger Stunden um achteinhalb Prozent ab – eine Bedrohung für die Weltwirtschaft?
Der Shanghai Composite Index, das wichtigste Börsenbarometer in China, verliert am 27. Juli bis zum Börsenschluss 8,5 Prozent seines Werts. Dies ist der größte Tagesverlust seit 2007. Zudem fällt der Leitindex unter die psychologisch wichtige Marke von 3.900 Punkten. Auch der Shenzhen Composite Index, der größte Aktienindex auf dem Festland, sinkt um sieben Prozent, weitere chinesische Börsen brechen ein.
Mehrere Faktoren setzen den Kursen chinesischer Firmen hart zu:
- Am Montag veröffentlicht das chinesische Statistikamt Gewinnrückgänge der chinesischen Unternehmen. Sie fielen im Juni gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozent
- Die Stimmung in der Wirtschaft ist schlecht, das ergab eine am Freitag veröffentlichte Umfrage
- Spekulationen über höhere Zinsen in den USA lassen die Anlagen im Dollar-Raum wieder attraktiver erscheinen
Bereits vor drei Wochen gab es in China einen großen Börsen-Krach, die Aktien verloren teilweise ein Drittel ihres Wertes. Auf die Kursverluste reagierte die chinesische Regierung mit drastischen Maßnahmen. Sie erließ ein Verkaufsverbot für Großanleger, organisierte Stützkäufe, setzte den Handel vieler Papiere aus und flutete die Märkte mit Geld. Seither haben sich die Aktienmärkte etwas stabilisiert, aber das Vertrauen der Anleger in die chinesische Regierung ist nach diesen radikalen Maßnahmen nicht gestiegen. Experten sehen in den heutigen Turbulenzen daher auch ein Indiz, dass die chinesische Regierung die Kurse nicht dauerhaft stützen kann.
Dabei klang die Geschichte der chinesischen Börsen im ersten Halbjahr 2015 wie ein wunderbares Märchen, in dem alle profitieren – die boomende Wirtschaft, die Anleger, die Regierung. Der Shanghai Composite hat eine beispiellose Rekordjagd hinter sich, im gesamten ersten Halbjahr 2015 ging es stetig nach oben: Binnen weniger Monate verdoppelten sich die Kurswerte am 12. Juni erreichten sie den Höchstwert von 5.166 Punkten.
Allerdings: Die hohen Kurse wurden von der Regierung künstlich angeheizt, und erstmals wurde auch die chinesische Mittelschicht ermuntert, in Aktien zu investieren. Das Nachsehen haben viele kleine private Anleger, denn wer zu spät eingestiegen ist, verliert nun viel Geld. Und wer mit geliehenem Geld bei der Kurs-Rallye mitmachen wollte, steht vor der Pleite.
Andere Märkte reagieren verunsichert. Die schlechten Nachrichten drückten den Dax zu Börsenbeginn leicht nach unten, es verlieren vor allem Unternehmen, die sich stark in China engagieren.
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