Bildungspolitik: Deutschland will, kann aber nicht

Der Bildungsbereich ist Dank Pisa immer ein beliebtes Pferd der Politiker, auf das sie vor und nach der Wahl setzen. Gerade wieder geschehen in Baden-Wüttemberg. Hier sollen es die Gemeinschaftsschulen richten, die es den Kindern ermöglichen, bis zur 10. Klasse gemeinsam zu lernen. Keine neue Idee, aber verkauft wird sie so.

Irrungen und Wirrungen der Bildungspolitik

Es macht den Anschein, als ob die Parteien aller Bundesländer ihre Bildungspolitik als absolut neuwertig anbieten und jedes Land seine eigene großartige Idee hat. Es wird reformiert und verändert. Im Endeffekt geht es darum, Schulformen zu verändern und uns damit angeblich aus der Bildungsmisere herauszuführen. Aber es bleibt die Frage, ob die Unterrichtsqualität damit wirklich verbessert wird und wir stattdessen nicht noch weiter ins Abseits geraten.

Letzendlich sorgen diese Reformen doch nur für Verwirrung. In Hamburg besuchen Kinder eine Grundschule bis zur 6. Klasse. In Schleswig- Holstein sind es noch vier Grundschuljahre. Was macht dann ein Kind, das aufgrund eines Umzuges in Klasse 5 von Schleswig-Holstein nach Hamburg wechselt? Soll es dann wieder die Grundschule besuchen?

Nicht einmal den gleichen Namen tragen die Schulformen in Deutschland. In Schleswig-Holstein gibt es die Gemeinschaftsschulen (Förderschüler, Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten werden von Klasse 5-10 gemeinsam unterrichtet), Regionalschulen ( Hauptschüler und Realschüler werden in Klasse 5 + 6 in allen Fächern gemeinsam unterrichtet, ab Klasse 7 wird in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch getrennt unterrichtet) und die Gymnasien. In Sachsen sind es die Mittelschulen, die Haupt- und Realschüler zusammenfassen und ebenfalls später in einigen Fächern getrennt unterrichten und die Gymnasien.

Davon abgesehen gibt es auch noch Unterschiede darin, wann die Kinder die ersten Noten bekommen. Innerhalb Schleswig-Holsteins ist es sogar so, dass die Schüler der Grundschulen ab Klasse 3 Noten bekommen, in der Gemeinschaftsschule aber in den Klassen 5 -7 wieder Berichtszeugnisse erhalten, um sich dann in Klasse 8 wieder an Noten zu orientieren. An den Regionalschulen und Gymnasien jedoch bekommen die Schüler weiterhin ab Klasse 5 Noten. Welchen Sinn hat das? Und welche Eltern, die mit der Bildungspolitik nicht berufsmäßig beschäftigt sind, sollen das noch verstehen und bewerten? 

Änderungen für die Zukunft – Wunschtraum oder Realität?

Die Bildungshoheit liegt bei den Ländern und da ist sie sicherlich auch gut aufgehoben, aber dennoch ist es an der Zeit, dass der Bund eingreift und für alle Bundesländer eine Richtlinie vorgibt. Dies hat auch die Kultusministerkonferenz festgestellt. In einem Interview vom 10.3.2011 mit RPonline äußerte sich der Präsident der KMK und niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann dahingehend, dass eine Annäherung in bestimmten Bereichen der Schullandschaft sinnvoll sei. Er meinte damit vor allem den Sekundarstufenbereich I. Doch ist diese Annäherung nicht sinnvoll, sondern dringend notwendig, um dem Bilgungswirrwarr in Deutschland ein Ende zu setzen. Wir würden im Ländervergleich so gern besser dastehen und können es vor lauter Veränderungen nicht.

Wenn Deutschland in der Pisastudie besser abschneiden will, müssen wir endlich Ruhe einkehren lassen in der Bildungspolitik. Klare Vorgaben, an die sich die Bundesländer zu halten haben, würden den Lehrern, Schülern und Eltern mehr Sicherheit geben und auch eine Vergleichbarkeit innerhalb der Bundesländer möglich machen.

Althusmann fügte hinzu, dass die meisten Experten davon ausgingen, dass sich in Deutschland ein zweigliedriges Schulsystem durchsetzen werde, dass aus der Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen (Mittel- oder Oberschulen genannt) und dem Gymnasium als zweiter Schulform bestehen werde. Aber nach einem bald anstehenden Beschluss klingen seine Aussagen nicht. Er äußerte sich in dem Interview sehr vorsichtig, was auch deutlich macht, welch „heißes Eisen“ die Bildungspolitik in Deutschland ist. Niemand traut sich so richtig, einen Schritt nach vorn zu machen und für klare Verhältnisse zu sorgen. So werden noch weiterhin 16 Bildungsschiffe durch den endlosen Ozean bildungspolitischer Ideen irren und jedes hofft dabei, den richtigen Hafen anzulaufen.

Deutschland will, kann aber nicht – oder doch lieber: Deutschland kann, traut sich aber nicht?

Eine Meinung

  1. Warum sollte die Bildungshoheit in Länderhand, wie im Artikel suggeriert, bleiben ? Gerade, weil Bildungspolitik Ländersache ist, wird sich so fanatisch darauf gestürzt, wenn es um die letzte wirkliche Hoheit von Ländergesetzgebung geht. Meiner Meinung nach wäre eine klare und kontinuierliche Politik von Berlin gesteuert deutlich effektiver.

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