Loudon Wainwright III und das Alter: ‚Older Than My Old Man Now‘

Die Wainwrights sind eine Musikerfamilie, deren Tragödien sich in ihrer Musik wiederspiegeln. Ihre Biographien lesen sich in ihren Alben, als sich Loudon von Frau Kate McGarrigle trennte, schrieb sie zusammen mit ihrer Schwester „Go Leave“, als Martha ihre musikalische Identität fand, widmete sie ihrem Vater „Bloody Mother Fucking Asshole“, Bruder Rufus ließ sich etwas subtiler in „Dinner at 8“ aus und Loudon selbst scheute sich ebenso wenig, die Frustrationen und Ängste als Vater und erfolgloser Partner in etlichen Songs zu Wort zu bringen.

Loudon Wainwright: Auf Zeitreise und zur Gegenwart zurück

So ist es nicht verwunderlich, dass auf seinem neusten Album „Older Than My Old Man Now“ der erste Song „The Here & The Now“ mit klassischer Bluesgitarre eine Zusammenfassung seines Lebens bietet und dabei mal lakonisch, mal bedauernd über sein Leben reflektiert.

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Loudon ist einer der großen amerikanischen Songwriter, weniger seine musikalischen Innovationen als vielmehr seine Erzählstimme ist es, die ihn über so lange Zeit durchgehend zu einer wichtigen Instanz im Musikgeschehen hat werden lassen.
So wirkt er wie die musikalische Narrative einer Generation die alles mitgemacht hat, die behüteten 50er, die revolutionären 60er, die funky 70er, die glitzernden und bröckelnden 80er und letzten Endes die 90er in denen es in Amerika kurz so aussah als sei ein Weg zurück in die 50er möglich, in die wohlbehütete Gesellschaft der Mittelklasse.
Das Alles ist in Loudons Musik auf einer sehr persönlichen Ebene wieder gegeben, dabei gibt er sich musikalisch dann doch weitläufig, ob erwähnte Bluesgitarre, Streicher und Piano im wunderschönen „In C“, die Munti in „Ghost Blues“ oder das Banjo in „Dateline“, Folk, Blues und Americana werden hier instrumentell ausgeschöpft.
Mit Songs wie „In C“ zeigt sich auch der Humor in ihrer schmerzlichen Intimität. So kann er sich über sein Leben und seine Liebsten auslassen, mit einer Träne im Auge, beweist gleichzeitig genug Humor, darauf hinzuweisen, dass „C“ natürlich vorwiegend für schmachtende Balladen verwendet wird.

Older Than My Old Man Now: Ironisches Innehalten

Dieser Humor lässt sich besonders auf einem Album wie ein Leuchtfeuer entfalten, in dem es vorwiegend um den Tod und die Vergänglichkeit geht. Der Albentitel verweist auf Loudons Vater, der mit 64 Jahren verstarb, Loudon selbst ist mittlerweile 65 und befindet sich so auch in einem Alter, in dem auch Freunde und Bekannte ab und an diese Welt verlassen.

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Kein Wunder also, dass man anfängt, über sein Leben zu reflektieren, sich über das Gelernte und Ungelernte zu wundern, auf die mittlerweile erwachsenen Kinder zu sehen und sicherlich auch schmerzlich Revue zu passieren, wie viel Gram in einem einzigen Leben zu finden ist.
Seine Familie findet dennoch – und mittlerweile auch versöhnlich – viel Platz auf dem Album, ein Song enthält einen Text von Loudons Vater (einem Journalisten für die Times), den Loudon Wainwright einspricht, gefolgt von einem Duett von Loudon und Rufus, drei Generationen, die anscheinend viele Tränen übereinander vergossen haben, sich in ihrer Kreativität und Kunst dennoch wieder finden.

Einen alten Song, den er damals mit der mittlerweile verstorbenen Mutter von Rufus und Martha geschrieben hat, findet sich ebenso auf dem Album wieder, und auch die Stimmen von Martha („Over the Hill“) und der ebenfalls Musikerin Lucy Wainwright Roche, Tochter von Loudon und der Musikerin Suzzy Roche.

Schwer könnte das klingen, ungemein tragisch und deprimierend, aber Loudon Wainwright verweigert sich der Melancholie zu sehr, kommentiert ironisch über seine eigenen Unzulänglichkeit und Schwächen in Jugend als auch Alter („I got some of it right and a lot of it wrong“ singt er in „Ghost Blues“).
„I remember Sex“ gehört dazu, den er zusammen mit Dame Edna Everage teilt (mit der zusammen er bereits in „Ally McBeal“ auftrat, ungelogen). Das ebenfalls fantastische „Double Lifetime“, das er zusammen mit Ramblin' Jack Elliot aufgenommen hat und das die Überlegungen thematisiert, was man für eine zweite Lebenszeit alles tun würde, ist ein weiteres Highlight der immer wieder großartigen Stücke.
So viele Alben großer Legenden auch ihr Älter-werden thematisieren, wenige behalten dabei eine derartig schnippische Jugendlichkeit, eine Eigenschaft, die gerade das Americana Genre nur allzu selten schmückt.

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Medikamente, die Erinnerung an Sex, der Wunsch nach mehr Zeit und Rückblick auf all die Momente auf die man stolz ist, die einem schwer auf der Seele liegen, die man bereut, die man nur zu oft vergisst, an die man sich gerne erinnert…“Older Than My Old Man Now“ ist ein wundervolles Album über das Älter werden und Alt sein, auf dem Loudon sich nackig macht und mit verschmitztem Grinsen, gerade dadurch auch würdevoll, eine Lebensspanne für seine und viele andere Generationen in Musik und Worte fasst.

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