Die 10 besten Bands der Hamburger Schule

Was man sich nämlich nie traut zu fragen und weshalb man immer zögert, wenn man bestimmte Bands der Hamburger Schule nennen möchte, ist die große Definitionsfrage nach der Lokalität. Schon klar, „Hamburger“ impliziert natürlich, dass das irgendwie wo was mit Hamburg zu tun hat, aber so einen Lokalpatriotismus wollen wir bei diesem kostbaren, mittlerweile ja schon für tot geglaubten Genre gar nicht zulassen.

Auch wenn die Kerngruppen aus Hamburg kommen, geht es bei dem Genre vor allem um die Herangehensweise, die Lyrik und den Punk. Tatsächlich kommt die Schule aus einer zumindest musikalisch reichlich punkigen Ecke, denn nicht alle Bands sehen es als notwendig an, großartige musikalische Fähigkeiten zu haben, wunderschön zu singen oder diffizile Kompositionen aus dem Ärmel zu schütteln (auch wenn sich das über die Jahre hinweg etwas bis sehr geändert hat), wichtig sind vor allem die großartigen Texte, die intellektuell, sozialkritisch, hoch ironisch und immer auch etwas wütend, bzw. enttäuscht über das Leben als Generation Deutschquote berichten. Mit der Deutschquote hat es aber nicht allzu viel auf sich, denn auch wenn die Hamburger Schultexte zu ca. 95% aus deutschen Songtexten bestehen, geht es hier um Inhalte und nicht um den Sprachkrieg. So zeigte sich, dass diese Herrschaften eigentlich viel besser dichten konnten, wenn sie es in der Muttersprache taten (auch wenn das besonders die deutschsprachigen Quotenfans in den Charts regelmäßig widerlegen). Gleichzeitig war das jedoch kein Grund, sich damit zu rühmen, bitteschön, weshalb alle Bands davon absehen in der Diskussion als unlautere Argumentationsbeispiele missbraucht zu werden.

Heißt auch, dass nicht jede Mumpelband mit deutschem Text und Gitarrengeschrammel zur Hamburger Schule gezählt werden kann, vor allem dann nicht, wenn der leise Verdacht aufkommen muss, dass sie weder Selbstironie, noch Sprachgefühl haben und auch nicht direkt wissen, warum dieses Genre eigentlich entstanden ist und was die Leute damit sagen wollten.

Heißt aber auch, dass auch später hinzu gestoßene, Fernab-von-Hamburg-esque Bands zur Hamburger Schule gezählt werden dürfen, selbst wenn sie zusätzlich Instrumente spielen können…

Die folgenden 10 Bands sind die reichlich subjektive und daher gerne diskutierbare Auswahl der besten Hamburger Schüler.

Hamburger Schule: Die Top 10

1

Die goldenen Zitronen

So sehr sich die 80er Punker auch gegen das Label der Schule wehren, man kommt nicht umhin, sie damit in Verbindung zu setzen, haben sie doch Inspiration und aggressiven Witz auf den Tisch gepackt und das durch die schrecklichen 90er hinweg, als nur wischi-waschi Pop aus der Heimat kam, der sich damit auch noch rühmte. Dieser saure Fetzen an Gegenbewegung schlug schlussendlich ganze Waldbrände an Funken, zumal die Band sich über die Jahre hinweg musikalisch quer durch die Wallachei geschlagen hat und damit auch künstlerisch sehr wohl interessant geblieben ist.
[youtube 01Hxq-PFOlc]

2

Die Sterne

Wie großartig, sind denn bitteschön Die Sterne? 1992 gegründet, waren sie ein Ventil für alle die, die mit Grunge nicht wirklich was anfangen konnten und denen Britpop zu unpolitisch war. Statt extremer Schlachtrufe gab es bei den Sternen augenzwinkernde Texttiraden, die mit non-chalanten Gesängen irgendwie so unglaublich cool und locker Zeilen wie „Fickt das System“ sagen konnten, ohne dass es polemisch klang. Gut spielen konnten sie übrigens auch (man beachte übrigens das Zwobot-Logo unten Links im Video – good times).
[youtube t8dk7ZjOZKI]

3

Kante

Kante stechen aus der Szene heraus, aber nur aus den besten Gründen, denn neben grandiosen Texten („Zombi“ war, ist und wird wohl ewig die Beschreibung meiner Jugend sein), gab es musikalische Konzepte hinter den Songs, die sich besonders in den eher Genre-untypischen, episch langen Stücken ihrer Alben zeigen. Seit einigen Jahren ist die Band übrigens fest mit dem Theater verbunden, einzelne Projekte davon konnte man bereits live bewundern. Kurze Info zum Video: Natürlich ist es albern, aber genau darum geht es, also bitte nicht die Nase rümpfen und sagen, dass das Video komisch ist, denn dieses ungelenke Abseits der Band passt perfekt auf den Text.
[youtube chlsD3J9zYM]

4

Tocotronic

Man darf sie nicht mögen, das ist schon OK, selbst Tocotronic würden einem wohl keinen Strick daraus drehen, denn die Herren sind mittlerweile eine Institution und machen live auch gerne mal ein Statement aus ihrer „mir doch egal“-Attitüde, indem sie gelangweilt vor sich hin schrammeln. Dennoch, abgesehen von ihrem Trainingsjacke-Cordhose-verwuschelte-Haare-Look, der über Jahre hinweg die Indieszene bevölkern würde, waren es auch die großartigen Schlachtrufe der Band, die wie Leuchtfeuer am Himmel hingen und die Unzufriedenheit einer ganzen Generation in Text gossen.
[youtube bhy541mT_2Q]

5

Kettcar

Ach, so jung kommen wir nicht mehr zusammen, denn Kettcar sind erst 2001 gegründet worden, haben aber innerhalb kürzester Zeit für melancholische Clubhymnen gesorgt, die mit dem Blick gen Boden gefühlvoll mitgesungen wurden. Apropos Gesang, oftmals ja eher nebensächlich betrachtet, haben Kettcar mit Marcus Wiebusch einen Hamburger Schule Sänger, dessen Stimme das musikalische Äquivalent zu Karamellsoße ist. Ihr Song „Ausgetrunken“ ist übrigens perfekt, um im Heimweh zu schwelgen, wenn man weit, weit weg von Familie und Freunden ist.
[youtube hFUxbAOtAmU]

6

Blumfeld

Ich geb mich mal objektiv, denn auch wenn ich persönlich mit Blumfeld rein gar nichts anfangen kann, muss ich der Band zugestehen, dass sie zu einem Stück Musikgeschichte beigetragen haben und diesen Respekt auch verdienen. Blumfeld bewegen so viele Menschen, weil ihre Texte sich schmerzlich genau auf das Individuum und die zwischenmenschlichen Hindernisläufe beziehen, so dass man sich fühlt, als würde man seinem Herz beim Brechen zuhören.
[youtube vrMTs1KwxhQ]

7

Cpt Kirk &

Politisch ging es bei den 80er/90er Punkern von Cpt Kirk & zu, Tobias Levins Stimmfärbung zwingt einen einfach zum Aufsaugen der Texte, die Postpunk Kompositionen sind außerdem großes Musikkino, das leider, leider, leider ein wenig sehr im Verlauf der Zeit untergegangen ist. Nicht mit uns, wir hören und staunen weiter.
[youtube JYVFmTDULFA]

8

Die Braut haut ins Auge

WO SIND DIE FRAUEN? HIER SIND DIE FRAUEN! Die Braut haut ins Auge haben teilweise Kraut/Progrock unterlegten Punk gemacht, der musikalisch Eins A war und im Jahre 2000 leider für immer nieder gelegt wurde. Bernadette Hengst mag der ein oder andere vielleicht mit ihren Solosachen kennen, Peta Devlin spielte bei Oma Hans mit.
[youtube yox9Ay3xnWk]

9

Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs

Neben dem Preis für den besten Bandnamen, gibt es auch einen Handschlag, denn Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs (Radio DJs werden sie erst geliebt, nach einigen Wochen gehasst haben) sind Ende der 80er maßgeblich am Hamburger Sound beteiligt gewesen, rein stilistisch dürften sie wohl DIE Inspiration schlechthin gewesen sein.
[youtube 9hkY2Kqlu9U]

10

Tomte

Tomte sind der Mainstream Act der Hamburger Schule, da darf man auch mal abfällig die Augenbraue hochziehen, aber letzten Endes bringt das auch nichts, denn neben großer Musik, sind die Jungs auch sehr sympathisch (das habe ich zumindest gehört) und schaffen es immer wieder, diese melancholische Gelassenheit in Musik zu verpacken, die uns manchmal in der Kneipe um 2 Uhr Morgens packt.
Witzig ist übrigens, dass die Band in den 80ern (zumindest Teile der Formation) unter dem Namen „Warpigs“ auftrat, also nach Black Sabbath Rockgeschichte benannt, und sich später nach einem Astrid Lindgren Charakter, nämlich Tomte Tumetott umbenannten. DAS, meine Damen und Herren, ist auch Punk.
[youtube SIoSaAvaMjk]

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