Schriftsteller riefen seit jeher eine „höhere Wahrheit" zu Hilfe, um ihren Hang zur Lüge zu rechtfertigen. Denn ihre Geschichten sind meist frei erfunden, die Personen haben nie gelebt und gerade die «Helden» handeln oft, als wären sie nicht richtig im Kopf. Trotzdem lesen wir alle solche «Märchen für Erwachsene» gern. Weshalb eigentlich? Und weshalb sind diese erfundenen Hanseln, zum Beispiel ein «Herr Lehmann» dann oft auch noch «lebendiger» und bekannter als wirkliche Menschen? Wenn wir an den Werther denken, den Casanova, an die Effi Briest oder den Julien Sorel …
Das große ‚Als ob' gehört zum Spiel zwischen Autor und Leser: «Ich veröffentlichte diese Erzählung, ohne irgend etwas an dem Manuskript von 1830 zu verändern», schreibt Stendhal im Vorwort zu seiner «Kartause von Parma». Hier geht es also gleich mit einer faustdicken Lüge los, denn erstens war da gar kein Manuskript und zweitens gab es jenes Parma, das Stendhal inszeniert, in der ‚wirklichen' Geschichte nirgendwo – also noch nicht einmal irgendwo.
So also macht man Weltliteratur. Wo man hinfasst, ist in dieser fiktiven Welt alles Lug und Trug: So edel und humanitätsduselig wie in Johannes Bechers Romanen waren die Konsomolzen kommunistischer Parteien nur in ihren eigenen Verblendungszusammenhängen, so trottelig und eitel, wie er in Tolstois großem Roman erscheint, wäre Napoleon mit Sicherheit nie bis nach Moskau gelangt, so musisch und überfeinert wie in den Buddenbrooks wurde das vierte Glied einer Senatorenfamilie nur höchst ausnahmsweise – und wenn, dann bestimmt nicht in Lübeck.
Auf den ideologischen Gehalt kommt dabei wenig an, ob Nazi oder Kommunist, was macht das letztlich schon? Jedenfalls bringt ein 'innerer Emigrant' wie Hans Fallada den ‚SA-Schluss' seines «Eisernen Gustav» nach 1945 ohne große Probleme und ohne allzu große Eingriffe auf SED-Linie, die stringente Handlung und die starken Charaktere aber tragen die massiv veränderte Fiktion weiterhin. Noch immer scheint der Kommisskopp des alten Kutschers glaubhaft in seinem Starrsinn, noch immer sind die idealistischen Motive des Sohnes durchsichtig wie Glas, ob ihn sein Gut-Sein, seine ideologische Verblendung also, nun zum Führer oder zu Stalin führt. Die Frage nach der Qualität von Literatur spielt auf einer Ebene, die eben nicht politisch ist.
In der Literatur kommt es gewissermaßen darauf an, ob erfundene Figuren glaubhaft sind. Die Lüge muss uns überzeugen – das ist das Geheimnis des großen erzählerischen Spiels. Weshalb ja auch eine holzschnittartige Figur wie ein Jerry Cotton nur auf Kinder oder Kindsköppe überzeugend wirkt, weil die von der inneren Komplexität eines wirklich überzeugenden Charakters (noch) nichts ahnen.
Selbst in Bezug auf ihr eigenes Leben betrügen uns die meisten Autoren. Hemingway protzte ständig mit einer Verletzung und mit Erlebnissen aus dem ersten Weltkrieg, die er so nie erlitt und erlebte; Hermann Hesse gefiel sich in der Pose des migränekranken Sehers, obwohl ihm aber außer dem Humor wohl nichts weiter fehlte; Jean Genet schrieb sich eine schwere arbeitsreiche Kindheit zu, die er bei seinen Pflegeeltern nie erlebte; Kierkegaard mimte den Liebeserfahrenen, obwohl er mit ziemlicher Sicherheit als Jungfrau ins Grab stieg … die Reihe ist schier endlos.
Kurzum: Schriftsteller sind ein höchst dubioses Volk, die ein höchst zweifelhaftes Handwerk höchst kunstvoll betreiben. Sie machen ‚die Lüge salonfähig'. Wollen wir also die Lüge blogfähig machen, dann sollten wir jetzt auf der Stelle mit dem Erzählen, Erfinden und Lügen beginnen. Was so ziemlich dasselbe ist …
HALF A TRUTH IS A WHOLE LIE…und Papier ist bekanntlich geduldig,doch im Fernsehen wird für viel Geld gelogen,nämlich vor einer laufenden MAZ-Kamera.Solche „UNWAHRHEITEN“ schwarz auf weiß dingfest zu machen,eine NICHT besonders erfolgreiche Aktion.Ich denke da z. B. an eine gewisse Jenny Elvers-Ebertzhagen,vor der man inzwischen nicht einmal mehr in der Ard sicher ist.In der Rate-Sendung…PSSST…mit Harald Schmidt,die leider so unausgegoren ist,dass es förmlich schmerzt,versucht Jenny E. verzweifelt mit der Bemerkung,..sie hätte schließlich 3 Jahre lang eine Schauspiel-Schule besucht,uns von ihrer Professionalitätals Schauspielerin zu überzeugen. Ihr Prominenten-Dasein verdankt sie ausschließlich berühmten und bekannten Männer,denen dies heute überaus peinlich ist.Schmeißt sich während der Aufzeichnung(Ohne Publikum?) an Herrn Feuerstein ran.Von Beruf „Boxenluder“;dafür ist sie bekannt in Stadt und Land.Diese Einladung ins Rate-Team ein Affront gegen jeden ECHTEN Promi wie z. B. Herr Plasberg.Armes Deutschland,….deine Promis und vorne weg ein …Boxenluder…;wie wär’s mit der Geschäftsidee für Jenny E.???Um ihr HARTZ IV zu ersparen:BLVA-Die BOXEN-LUDER-VERMITTLUNGS-AGENTUR.Bietet sogar die Ausbildung zur Hostess an.
Hallo, Herr Jarchow!Ist es nicht einfach so, dass der Autor – egal welcher – einfach Angst hat, die Wahrheit wäre langweilig und somit nicht lesenswert? Wer will die Geschichte vom braven Biedermann ohne Ecken und Kanten denn lesen? Kein Mensch. Zudem würde ich auch zwischen Lüge und Erfindung differenzieren wollen, denn die Lüge ist etwas Negatives. Erfindung zeichnet jedoch viele große Romane aus. Man stelle sich nur vor, Stephen King hätte nicht alles nur erfunden …An Frau Heyden: Was hat Ihr Kommentar mit dem Beitrag zu tun?
Kommt es hier etwa zu Missverständnissen?Das Thema beschäftigt sich NICHT ausschließlich mit Dichtung und Wahrheit.Hinzufügen möchte ich,dass ein KARL MAY,der weder in den USA noch im „Wilden Kurdistan war, mit überdimensionaler Fantasie und genialer Schreib-Kunst jede Menge Bücher über diese Länder und ihre Kultur verfasst hat.Trotzdem glauben wir,er wäre dabei gewesen.Ich frage mich allerdings,warum Mike Seeger hier nur wiederholt,was Klaus Jarchow bereits ausführlichst diskutiert hat?Vielleicht will er bei diesem Autor Punkte sammeln???(Rhetorische Frage)Oder er ist auch nur ein Mann,der dieser Jenny E. die Stange hält,weil er ihre Unwahrheiten für äußerst interessant hält.(Unterstellung meinerseits)Meine Vorstellungs-Kraft reicht aus, um ihr zu nachzusagen,dass sie vermutlich von etlichen EX-Promis erhebliches Schweige-Geld kassiert.Ansonsten empfehle ich mein Gericht ohne Paragraphen,den GOOGLE-HUPF;leider nicht für jeden genießbar.
Die Öde ist nicht der Punkt: Selbst da, wo ein Autor vor Langeweile beim Thema sicher wäre, greift er üblicherweise auf seine Imagination zurück statt aufs Faktische . Also beispielsweise Hemingway in „Wem die Stunde schlägt“, obwohl der Spanische Bürgerkrieg auch ohne dies „spannend“ genug gewesen wäre. Ein Joseph Rot war sogar dort, wo er als Starjournalist Fakten für die Frankfurter Zeitung reportierte, berüchtigt für seine (ausgezeichnete) Erfindungsgabe. Und den Hans Habe, wiewohl Journalist, darf wohl auch niemand beim Wort nehmen.Den Begriff „Lüge“ habe ich natürlich aus Gründen der Ironie und Provokation gewählt: Ich wollte einerseits auf das verborgen Komödiantische an dieser Gilde der Schriftsteller aufmerksam machen, die angeblich nur dem Schönen und Guten verpflichtet sind (ich kann zum Beispiel einem Peter Handke nicht ohne Lachanfall zuhören), andererseits wollte ich Bloggern Mut machen, damit sie um einer guten Pointe willen es auch mal wagen, „erzählerisch“ vorzugehen, also die Fakten notfalls Fakten sein zu lassen. Bloggen, um andere zu unterhalten, ist schließlich etwas anderes als Journalismus. Es ist oft eher eine neuartige Literaturform, ähnlich wie die Short Story …
Schreiben ist Handwerk und Literatur ist Kunst. Lüge hingegen ist in diesem Kontext ein sehr hartes Wort und ich möchte an dieser Stelle auf den Aphorismus von Heinz von Foerster hinweisen: „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“.Um bei der Literatur zu bleiben würde ich behaupten, der Autor ‚leiht‘ sich Elemente aus der Realität und andere aus der Phantasie, um die Geschichte so auszugestalten, damit sie erzäenswert wird und den Leser in seinen Bann zu ziehen.-m*sh-
Nun ja – du hast natürlich einerseits recht, „Lüge“ ist ein derbes Wort. Und eine lebendige Welt aus bloßen Sätzen zu erzeugen, das ist keine Kleinigkeit. Andererseits ist es immer wieder erstaunlich, was sich die Damen und Herren Literaten auch zusammengeschwindelt haben, keineswegs nur literarisch, sondern auch biographisch. Der Günter Grass ist ja alles, nur kein skandalöser Sonderfall. Zur Zeit geht’s wohl der Gruppe 47 an den Mythos, wenn ich das recht verfolge. Mich wundert es da manchmal doch, dass unsere Buchstabenakrobaten auf ihren PEN-Club-Sitzungen so ernst bleiben können, wenn sie sich gegenseitig in die Augen schauen …
Wir dürfen IMHO nicht vergessen, dass die Kusnt mittlerweile zu einem grossen Business geworden ist. Und grosse Künstler versuchen sich eben auch gut zu verkaufen.Nur denkt halt niemand dran, dass bspw. ein guter Schauspieler auch ein überzeugender Lügner ist, wenn er bei Thomas Gottschalk auf der Couch sitzt …:-)-m*sh-