Zehn aus Unzähligen – eine Sisyphusarbeit, der sich die Jury unter dem Vorsitz von Tobias Gohlis Monat für Monat stellt. Schließlich kommen jede Woche Dutzende neue Krimis auf den Markt. Viel Altmetall, aber auch pures Gold darunter. Und wir bei Germanblogs machen wie gewohnt den Check: Hat die Jury die richtigen zehn Titel ausgewählt?
1 (1) Merle Kröger: Havarie (ariadne)
2 (-) Newton Thornburg: Cutter und Bone (polar)
3 (-) Friedrich Ani: Der namenlose Tag (Suhrkamp)
4 (5) Gary Victor: Soro (litradukt)
5 (10) Antonin Varenne: Die sieben Leben des Arthur Bowman (C. Bertelsmann)
6 (3) Don Winslow: Das Kartell (Droemer)
7 (8) Wu Ming: 54 (Assoziation A)
8 (6) Carol O’Connell: Kreidemädchen (btb)
9 (-) Petros Markaris: Zurück auf Start (Diogenes)
10 (-) Dror Mishani: Die Möglichkeit eines Verbrechens (Zsolnay)
And the winner is – again (and again): Merle Kröger mit „Havarie“. Das Konsensbuch des Jahres, auch wenn manch einer sagt, dass die multiperspektivisch erzählte Geschichte um ein Flüchtlingsschlauchboot, das im Mittelmeer auf ein Kreuzfahrtschiff trifft, eigentlich gar kein Krimi sei. Aber wer so argumentiert hält wahrscheinlich auch Henning Mankell für das Nonplusultra in Sachen Spannungsliteratur. xxx
Dafür brandneu auf Platz 2: Newton Thornburg mit „Cutter und Bone“. Fast 40 Jahre hat es gedauert, bis dieser Klassiker in einer vollständigen deutschen Ausgabe vorliegt. Es macht Spaß, die Geschichte um einen ausgebrannten Casanova und einen durchgeknallten Vietnamveteranen in der ausgezeichneten Übersetzung von Susanna Mende wiederzuentdecken. Hier sei auch gleich auf die recht gelungene Verfilmung „Cutter’s Way“ mit Jeff Bridges hingewiesen. xxxx
Auf Platz 3 (und ich würde wetten nächsten Monat auf Platz 1): Friedrich Ani und „Der namenlose Tag“. Es geht um Einsamkeit, Trauer, Tod, wie immer bei Ani. Aber er hat einen neuen Detektiv am Start: Den in Rente gegangenen Kommissar Jakob Franck. Alles weiter lest ihr in den Onlineausgaben der „Welt“ (hier) und des „Spiegel“ (hier). xxx
Auch immer noch dabei und das mit Recht: Gary Victor auf Platz 4. Sein Haiti-Roman „Soto“ gehört in diesem Jahr zur Pflichtlektüre für jeden Krimifan, der über den Tellerrand Deutschland und Skandinaviens hinausschaut. xxx
Keine Frage: Antonin Varennes „Die sieben Leben des Arthur Bowman“ ist ein Meisterwerk – und das unterhaltsamste Stück Abenteuerliteratur des Jahres. Ein Exsöldner, der auf der Jagd nach einem Mörder ist und so etwas wie ein neues Leben findet. Natürlich in den USA, wo jeder eine zweite Chance erhält. Na ja, fast jeder… xxxx
Von den USA nach Mexiko: Don Winslow auf Platz 6 hat mit „Das Kartell“ die Fortsetzung seines Hits „Tage der Toten“ vorgelegt – und enttäuscht nicht. Auch wenn die Aufzählung von Gräueltaten manchmal so ermüdend ist wie beim guten alten Marquis de Sade. xxxx
Auf Platz 7: Das italienische Autorenkollektiv Wu Ming mit dem wilden Ritt „54“. Eine Spionagegeschichte, die ziemlich ausufert…ambitioniert, immerhin. xx
Und damit zur 8: Carol O’Connell hat mit „Kreidemädchen“ einen makellosen Spannungsroman geschrieben. Das lang erwartete und geglückte Comeback ihrer Ermittlerin Kathy Mallory. xxx
Griechenland ist überall. Natürlich auch in der Krimi-Bestenliste. Wir müssen zugeben, dass wir ein bisschen krisenmüde sind und deshalb nichts zu „Zurück auf Start“ von Petros Markaris sagen können. Wir vertrauen aber dem Urteil der „Süddeutschen“, wo Harald Eggebrecht diesen schönen Bandwurm von einem Satz veröffentlicht hat: „Unprätentiös, nahezu trocken und frei von irgendwelchen Weichzeichnern und Sentimentalitäten begleiten wir Kostas Charitos bei seinen Ermittlungen, die en passant die zunehmende Gefährlichkeit verdeutlichen in dieser sich atmosphärisch wie tatsächlich verdüsternden Metropole, in der nachts die Straßenbeleuchtung verringert wird.“ —-
Die Krimiweltreise führte uns bislang vom Mittelmeer über Kalifornien, München, Haiti, den Wilden Westen, Mexiko, Italien und New York bis nach Griechenland. Ihren Abschluss findet sie aber in Israel, wo Dror Mishani in „Die Möglichkeit eines Verbrechens“ seinen Detektiv Avi Avraham seinen zweiten Fall lösen lässt. Auch hier müssen wir (noch) passen, dafür erlauben wir uns, Tobia Gohlis zu zitieren, der sich angetan zeigt: „Mishani ist in seinem zweiten Roman bei sich selbst: keine metaliterarischen Mätzchen mehr. Stattdessen genaue Seelenarbeit: Leise, feine Spurensicherungen an inneren Abgründen. In denen jeder stecken kann ohne es zu wissen.“ Mehr dazu hier. —-
Legende:
x Zum Einschlafen
xx Kann man machen
xxx Spannung garantiert
xxxx Besser geht’s nicht
—- Nicht gelesen
Foto: Coverausschnitt des Romans „Der namenlose Tag“ von Friedrich Ani, Suhrkamp