In meiner Diplomarbeit habe ich beschrieben (vgl. Kapitel 3.2, 3.3, 4.5), wie man ein Software-Projekt in einer Schule erfolgreich umsetzen kann. Das ganze war natürlich mit keiner Praxiserfahrung unterlegt, sondern eher theoretisch, da ich Software-Entwickler in der freien Wirtschaf bin. Ich hatte mich direkt danach an alle Kultusministerien, an einige Bildungsportale und einige Schulen hier in der Umgebung gewandt, doch es kam nicht mal eine Absage. Nur ein Bildungsportal hat meine Arbeit abgelehnt, weil es nicht passen würde. Daraufhin schlief meine Bestrebungen ein, wer keine Hilfe möchte, nunja, dem ist eben nicht zu helfen Nun habe ich aber eine Vorsitzende eines Elternrates kennegelernt und ihr von meinem Vorhaben damals erzählt, nun ist die Sache also wieder aufgewacht. Mal sehen, ob die Bürokratie wirklich .. ja sie ist so schlimm, aber vielleicht habe ich ja Glück und es klappt doch noch.
Das Projekt kurz zusammen gefasst:
Ziele:
- Schüler und Lehrer sollen ihre Methodenkompetez steigern (siehe dazu auch Pädagogik der Navigation. Selbstgesteuertes Lernen durch Neue Medien, Prof. Dr. Röll, 2003)
- Etablierung moderner Lernmethoden
Im Sinne der konstruktivistischen Lerntheorie soll bei allen Projektbeteiligten Methodenkompetenz und Softskills (Teamarbeit) gestärkt werden, was durch eine realistische Situation erreicht wird, in der die Fähigkeit benötigt und ausgebaut werden können. Die Situation ist eine an einem Produkt arbeitende Organisation (Firma) mit Produktmanagement, Entwicklung, Grafik, Marketing, Verwaltung. Jeder Beteiligte übernimmt eine oder mehrere Aufgaben in dieser Organisation und somit löst sich das althergebrachte Lehrer – Schüler Verhältnis auf und Schüler übernehmen Verantwortung.
Ich dachte an eine Software, die es zu entwicklen gilt, da hier viele verschiedene Bereiche benötigt werden und ich aus beruflicher Sicht viel Erfahrung habe. In dem Projekt werden die Aufgabe auf folgende Temas verteilt:
- Geschäftsführung: Diese Aufgabe werden die Lehrer komplett übernehmen, allerdings in einer konsultativ einbeziehenden Art und Weise der "Mitarbeiter"
- Projektleitung: Hier sehe ich die Notwendigkeit, dass Hilfe aus der freien Wirtschaft kommt, der schon mal Software-Projekte geleitet hat, Natürlich zeigt er den Teammitgliedern, wie man dabei vorgeht, damit sie es ggf. nach einigen Jahren komplett übernehmen können
- Produktmanagement: Spezifiziert die Software, wobei die Ziele der Geschäftsführung beachtet werden müssen
- Administration und Entwicklung: Dieser Bereich ist absichtlich nicht getrennt, da nicht so viel Arbeit anfallen wird, um das Admin-Team permanent zu beschäftigen. Wird die Arbeit auf weitere Projekte ausgeweitet, kann/sollte man die Bereiche trennen
- Grafik: Das Grafikteam eben, Corporte Design, Grafiken erstellen
- Marketing/Presse: Dieses Team erstelt die Werbetexte auf den Webseiten und Pressetexte, Poster, Flyer, etc
- Verwaltung/Controlling: Zeiterfassung der Teams, Bestellungen, Reportings, Rechnungen und Abrechnungen gegenüber der realen Verwaltung (z.B. wenn neue Rechner bestellt werden). Dieser Bereich ist etwas schwierig, evtl. könnte der Verantwortliche für die realen Rechnungen/Bestellungen mit diesem Team zusammenarbeiten
Jedem Team gehören mehrere Schüler an, die eigenständig die Aufgaben durchführen. Es können auch Schüler in mehreren Teams arbeiten, da nicht alle zu 100% ausgelastet sein werden.
Probleme:
Durch die geringe Arbeitszeit (ein paar Stunden pro Woche) und die hohe Fluktuation der Schüler (2 Jahre bei klasse 11 und 12) ist es vermutlich notwendig, die Schüler schon in der zehnten Klasse zu integrieren. Um die Arbeitszeit zu erhöhen, sollten nach einer Pilotphase viele Bereiche des Unterrichts in die Projekt-Struktur eingegliedert werden.
Der Lehrer:
Der klassische Lehrer aus dem Lernkonzept Behaviorismus existiert in meiner Vorstellung nicht mehr. Der Lehrer hat derzeit ständig das Problem, dass er aktuelles Wissen aneignen muss, was er den Schülern beibringen muss, da er aber (meistens) noch nie in dem Bereich gearbeitet hat, ist dies fast unmöglich, da man erst im Tagesgeschäft die wirkliche Erfahrung macht. Daher definiere ich die Rolle des Lehrers um: Ich sage, dass der Lehrer (in Sekundarstufe II) nicht mehr Fachwissen haben muss, sondern ein Wissensmanager werden muss. Vergleiche ich die Aufgaben in einer großen Firma mit denen in der Schule, so wird schnell klar, dass der Lehrer die Rolle eines Abteilungsleiters einnimmt und einnehmen muss. Der Abteilungsleiter hat aber ganz andere Aufgaben als das Tagesgeschäft, nämlich organisieren und mittelfristig strategisch denken. Auch die Zeiträume passen sehr gut! Der Abteilungsleiter muss in 6 Monat bis 2 Jahres-Zeiträumen denken, der Mitarbeiter in Wochen bis Monatsabschnitten. Auf Lehrer (Abteilungsleiter) und Schüler (Mitarbeiter im Tagesgeschäft) übertragen bedeutet dies: Der Lehrer muss das Schuljahr im Auge behalten, der Schüler nur den Zeitraum bis zur nächsten Klausur.
Somit gehört die Lehrerrolle zum mittleren Management und hat gar nicht die Aufgabe Wissen zu vermitteln, sondern Wissen zur Wissenerlangung zu vermitteln oder Hinweise geben, wer dieses Wissen hat. Da sich die Schüler ohnehin im Studium ganz anders ihr Wissen beschaffen müssen, wäre dieser Schritt der Redefinition der Lehrerrolle nur konsequent und täte allen gut. Die Lehrer müssten keine fachlichen Studien absolvieren, sondern sollten eher in den Bereichen Management/Kommunikation/Psychologie/Pädagogik studieren. Und dann kann man in der Schule z.B. ein simples Management by Objectives einführen (Beispielziele: Abi-Durchschnitt aller Schüler von mindestens 2,2 und maximal 5% Durchfallquote) oder vielleicht etwas differenziertes Balanced Scoreboard, das wäre aber vielleicht schon zu viel, obwohl soziale Aktivitäten, Straftaten-Quote, etc dort einbezogen werden können, daher wäre es sogar möglich.
Das war jetzt erstmal dazu. In einiger Zeit schreibe ich noch nieder, wie ich mir den Projektablauf und vor allem den Start vorstelle. Und vielleicht habe ich dann ja auch schon was neues zu meine Projekt zu berichten …
Interessante Gedanken. In Witzenhausen in Nordhessen an den Beruflichen Schulen gibt es so was wie Übungsfirmen. Freunde von mir gingen da hin…vor über 10 Jahren schon. Lassen Sie sich von der mangelnden Unterstützung nicht abschrecken und bleiben Sie mit Ihren Ideen am Ball. Dann wird der Plan auch verwirklicht.Annette vom Wales Blog.
Hi,es freut mich zu höhren, dass man auch an allgemeinbildenden Schulen so langsam aufwacht ;-)Ich habe nämlich auch gute Nachrichten aus Schule: Ich war ebenfalls Softwareentwickler und habe mit Mitte 30 den Quereinstieg als Lehrer für Anwendungsentwicklung und Netzwerktechnik an einem Berufskolleg gewagt. In den Berufskollegs (zumindest in meinem) ist es schon länger angekommen, dass Lehrer heutzutage eher Lernprozessbegleiter als Alleinunterhalter sind. Die von Ihnen beschriebenen „neuen“ Lerntheorien sind ja keineswegs neu, im Rahmen der Lehrerausbildung für Lehrer an Berufskollegs werden die neuen Konzepte schon seit ca. 10 Jahren gepredigt. Sie kamen allerdings nur schleppend in der Praxis an, was nicht zuletzt daran liegt, dass es zumindest in NRW einen zehnjährigen Einstellungsstopp gab. Wir arbeiten mit Schülern schon länger projektorientiert. So wurde z.B. die Schülerfirma Telebku gegründet, die mit Unterstützung durch die Telekom sehr viele Schulen in meiner Stadt vernetzt hat.Ein Problem stellt allerdings aus meier Erfahrung heraus häufig auch die Eigenmotivation der Schüler dar. Sie sind Schule durch die allgemeinbildenden Schulen leider sehr als Kinoveranstaltung gewöhnt und kriegen bei uns regelmässig einen Kulturschock, wenn sie plötzlich eigenverantwortlich arbeiten sollen. Natürlich gibt es auch auf Seiten der Lehrer noch viele Kollegen, die Ihren routinierten Frontalunterricht um keinen Preis beerdigen wollen. Da hoffe ich aber einfach auf den Generationenwechsel der in den nächsten Jahren ansteht.Ein wenig Sorge bereiten mir die allgemeinbildenden Schulen und darum begrüsse ich ein Projekt wie das Ihre ausdrücklich. Vor allem in den Gymnasien scheint es vielerorts diesen Wechsel zu “handlungsorientiertem Unterricht” noch nicht zu geben. Da können Projekte wie Firma Schule wohl leider auch nur begrenzt helfen, weil viele Lehrer an Gymnasien m.E. viel zu weit Weg von dem realen Berufsleben sind, als das sie ohne Unterstützung ein solches Projekt durchziehen könnten. Das ist nicht als Vorwurf an die Kollegen gemeint, sondern eher eine Systemkritik, die in die gleiche Richtung wie Ihre Forderung nach einer allgemeineren Lehrerausbildung geht.Jedenfalls ein interessantes Projekt, ich werde es weiter verfolgen.Gruß vom Niederrhein,David