In jedem Oktober fällt es mir zu spät wieder ein. Hatte ich mir doch fest vorgenommen, in eine chinesische Konditorei zu investieren. Die Torten, obgleich aufs Schönste dekoriert, locken eher mäßig. Nein, es ist das sagenhafte Oktobergeschäft mit seinen Mondkuchen, das den Bäckerindex nach oben treibt.
Der Mondkuchen – Yuebing – ist für China, was die Weißwurst für den Bayern ist oder der Dresdner Stollen für den Sachsen. Ein Nationalsymbol, ein Muss, Delikatesse und Nationalsymbol in einem, früher verzehrt im Licht des Vollmonds und in Gedanken an die Lieben daheim.
Voucher statt Vesper
Seit der Tangzeit (618-907) sind allerdings ein paar Monde ins Land gegangen: Wirklich essen mag den Mondkuchen kaum noch jemand. Dabei werden die Füllungen von Jahr zu Jahr phantasievoller, die Verpackungen prächtiger, die Beigaben reichhaltiger. Der mit schlichtem Bohnenmus oder mit Eigelb gefüllte Yuebing ist schon fast eine Seltenheit. Den Mondkuchen gibt es inzwischen in mindestens ebensovielen Geschmacksvarianten wie Mövenpick-Eis. Darunter eher gewöhnungsbedürftige Mischungen aus Rote-Bohnenmus mit Schokoladenaroma, Wintermelone und Kürbis. Mit Eis gefüllt Mondkuchen gibt es natürlich auch.
Dass das Kuechlein aus der Mode zu kommen droht, liegt nicht nur an den alljährlichen Lebensmittelskandalen um verdorbene Füllungen. War es früher Sitte, Familienmitgliedern zum Mondfest einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, um ein paar Mondkuchen persönlich abzugeben, ist China heute eine Voucher-Gesellschaft geworden. Ob Freunde, Arbeitgeber oder Geschäftspartner – zum Mondfest schenken alle nur noch Gutscheine oder neuerdings auch Guthabenkarten zwischen umgerechnet 20 und 30 Euro.
Und jetzt sind wir (endlich) wieder bei meinem Bäcker, jenes kleine Geschäft, das der chinesischen Vorliebe für Weißbrot zum Trotz eine Art Schwarzbrot mit Körnern bereithält und damit eine kleine Oase in unserem Viertel ist. Dieser Bäcker war wochenlang bis auf den letzten Krümel leergefegt, weil alle Welt ihre Gutscheine einlösen musste,möglichst natürlich nicht für Mondkuchen.
Und weil die meisten mehr Gutscheine haben, als der Gesundheit zuträglich ist, entwickelt sich jedes Jahr Anfang Oktober ein schwunghafter Handel mit den Lebensmittelmarken. Vor den Konditoreien warten die Schwarzhändler und schwatzen den Passanten für einen Bruchteil des Werts die Voucher wieder ab, um sie andernorts mit Aufpreis weiterzuverticken. Eile tut not, denn nicht nur der Kuchen hat ein Verfallsdatum, sondern auch die Voucher.
Des Kuchens Kern und Stein des Anstoßes für die chinesischen Tugendwächter waren in den vergangenen Jahren allerdings weder Bohne noch Eigelb, sondern die Verpackung. Gewöhnlichen Mondkuchen wurden durch kleine Beigaben wie Uhren, Seide oder teuren Wein aufgewertet, um den Empfänger milde zu stimmen.
Diesen "Geschenken", zumindest an Beamte, hat die Regierung rechtzeitig vor der Saison einen Riegel vorgeschoben. Verpackung und Accessoires der Mondkuchen dürfen seit Juni nicht mehr als ein Viertel des Preises ausmachen. Und die Mondkuchen müssen im Abstand von maximal 2,5 Zentimentern verpackt sein, um nicht doch noch ein kleines Geschenk dazwischen verstecken zu können. Die Konditoreiketten in Shanghai haben sich angeblich sogar zu einem sparsamen Mondkuchen Jahr selbstverpflichtet.
Wer es dennoch etwas luxuriöser mag, der kann ja immer noch auf den Online-Handel ausweichen. Bei Sinocake gibt es noch die Luxusausführung – und nach dem Fest sogar mit deftigen Rabatten. Guten Appetit!
Guten Tag AnjaIch bin George (auch 1967) ich habe hier in Shanghaieine kleine Baeckerei.Ja, es ist schwierig einen guten Mondkuchen zu finden,deshalb werde ich auf naechstes Jahr einen eigenenherstellen.Ich habe da an eine Mandelfuellung gedacht, was meinst Du?Falls Du jedoch wieder mal Lust auf ein Hoernchen oderein knuspriges Brot hast, komm mich doch besuchen.Bin an der Liyuan lu 48wuerde mich echt freuen auf eine diskussion ueberMondkuchenkreationen.Gruss George