Es ist nichts passiert. Jürgen Klinsmann hat seinen Vertrag erfüllt – wohl, wie es in Arbeitszeugnissen gene floskelhaft kommuniziert wird, zur vollsten Zufriedenheit. Er hat ihn nicht verlängert. Er hat wohl auch nicht vergessen (Grinsi-Klinsi, 60% wollen, dass er aufhört (hieß es in BILD nach dem 1:4 im Frühjahr gegen Italien), zu teuer, Wohnortdebatte etc) und womöglich befremdet ihn ein wenig ein Volk, dass ihm frenetisch zujubelt, zu frenetisch im Grunde, denn es ging nicht um den Fußball oder Jürgen Klinsmann, es ging dem Volk darum, irgeneinen Grund zu haben zu jubeln, wer oder was ist und war den meisten der Eventtouristen egal. Entsprechend die ersten Reaktionen auf die Entscheidung Klinsmanns von wegen „Das kann der doch nicht machen …“. Doch er kann, wie übrigens jeder andere auch, aber wir wollen hier nicht Philosophie und/oder Psychologie fabulieren …
Der deutsche Fußball erlebte schon im vorigen Jahr beim Confed-Cup eine enorme emotionale Aufwertung. Hätte diese FIFA-Veranstaltung im Vorfeld eine bessere Presse seitens der Medien und diverser Fußballverantwortlicher erhalten, es hätte noch besser sein können.
Danach kam ein Jahr, in dem nichts mehr zu dem passte, was man sich nach dem ConFed-Cup erhoffte. Entsprechend nedrig war die Erwartungshaltung vor der WM, bei der alles zusammen kam und wo nichts mehr zu dem passte, was man nach der Phase befürchtete, entsprechend groß ist der Jubel ausgefallen.
Eine Riesenchance für die Nationalmannschaft und den DFB, den Weg, den Klinsmann/Löw konzeptionell eingeschlagen und die Fußball-Nationalmannschaft exekutiert hat, weiter zu gehen und seine Vermarktung jetzt endlich professionell anzugehen.
Diverse Medien haben sich ja schon daran versucht. Sie riefen auf, einen Markennamen für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu finden. Was dabei rauskommt, konnte man schon bei der Entwicklung des Maskottchens Paule sehen, wo ja via BILD darüber abgestimmt wurde, wie der Vogel, den der DFB da abschoss, heißen soll. Die Begründung für diese Aktion war ja gerne, dass z. B. die Brasilianer so einen schönen Namen für Ihr Team hätten, was natürlich nicht stimmt, denn „selecao“ heißt ja nichts anderes als „Auswahl“, so dass es auch nicht wundert, dass Briten von „the mannschaft“ sprachen.
Die Richtung aber stimmt. Die Marke ist weder der DFB, noch Klinsmann, noch der Fußball – es ist die Nationalmannschaft an sich. Es wird darauf ankommen, mit intelligenten Aktionen hier einen nachhaltigen Wert zu schaffen, der sich mit den Idealen der Zielgruppe deckt, so wie es bei der WM gelang. Es geht nicht mehr um den Sieg an sich, es geht um ein schönes Spiel. Es geht um Einsatz, um Kampf, um Willen, um Respekt (und genau deswegen wird Zidane zusätzlich verehrt werden. kein Schönwetterfiligrankicker, sondern einer der sich für seine Mannschaft und seine Famlie einsetzt).
Paule ist einfach Panne. Aber in keiner wirklich bemerkt hat, würde auch sein Verschwinden nicht auffallen. Es wäre gut, wenn die Spieler sich als Repräsentanten und „Maskottchen“ der Nationalmannschaft sähen, denn sie werden es sein, die in den nächsten Spielen beweisen müssen, dass sie es verlernt haben, Fußball zu arbeiten, sondern dass sie spielen können, dass sie z. B. etwas können, was Klinsmann nie konnte, z. B. einen Ball stoppen.
Die Sympathien, die sich die deutschen Kicker gerade erspielt haben, können leicht verspielt werden. Nicht durch die Spieler, sondern Vertreter der Vereine, Medien, Altkluge und -nationale (nicht selten auch in Personalunion anzutreffen). Das Volk hat keinen Bock auf eine (Medien-)Diskussion. Genauso wenig interessiert sie, warum Klinsmann weg ist. Eigentlich interessiert er überhaupt nicht. Es geht nicht um die Person, sondern nur die Funktion. Ihnen ist nur eines wichtig: Die Party in Deutschland geht weiter. Willkommen auf der Titanic.
Wie schnell sich die Zeiten ändern können bzw. zurück zu dem finden, was wir als „normal“ kannten, steht wunderschön auf Spiegel online.