Gender Studies und Doing Gender: Definition und Wissenswertes

Schon klar: Männer können nicht zuhören, und Frauen setzen das Auto beim Einparken grundsätzlich in die Hecke. Außerdem mögen Mädchen Rosa, Glitzer und Feen – und starke Jungs weinen nicht. Das ist so. Warum? Weil das so ist. Für die Sprachphilosophin Judith Butler führt die Zementierung genau solcher Rollenbilder und Geschlechterklischees sowohl auf gesamtgesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene zur Diskriminierung und Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Seit den Siebziger Jahren wird Butlers Kritik immer wieder im Genderdiskurs aufgegriffen: Dort sollen kulturell geprägte Geschlechterstereotype aufgedeckt und dekonstriert werden. Das Ziel: Gleichbehandlung statt Gleichmachung.

Gender Studies – Was ist das?

Seit gut vierzig Jahren beschäftigt sich ein eigenes Forschungsfeld mit der gesellschaftlichen, kulturellen und sexuellen Bedeutung der Geschlechter in Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst. In den so genannten „Gender Studies“ werden nicht nur die Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit kritisch hinterfragt und erforscht, auch das Verhältnis der Geschlechter untereinander wird untersucht. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist dabei die Abgrenzung biologischer und sozialer Dimensionen von Geschlechtlichkeit: Während der englische Ausdruck „gender“ eine soziale, von der Gesellschaft vermittelte Geschlechterrolle thematisiert, ist mit dem Begriff „sex“ das biologische Geschlecht gemeint. Der Unterschied wird schnell deutlich: Im Gegensatz zum biologischen Geschlecht, das angeboren ist, bezeichnet „gender“ den Anteil der Geschlechtlichkeit, der sich im Verlauf des Lebens angeeignet wird – durch gesellschaftliche Normen und Vorbilder, durch Erwartungen und Zuschreibungen, aber auch durch eigene Definitionen. Gender ist somit veränderbar.

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Ein besonderer Ansatz innerhalb der Gender Studies ist das Konzept „Doing Gender“: Es beschreibt das Geschlecht als ein Produkt bzw. die Summe bestimmter performativer Tätigkeiten. Geschlecht gestaltet sich dieser Theorie zufolge immer auch durch das Verhalten, das „Tun“ und Machen. Das Konzept kritisiert die konventionelle Definition von Geschlecht als starre biologische Vorgabe. Durch verallgemeinernde Aussagen wie „Männer sind halt so“ bzw. „Typisch Frau!“ werde die Komplexität des menschlichen Handelns stark vereinfacht, und vor allem auch beschränkt. Dem interdisziplinären Ansatz entsprechend werden in der Geschlechterforschung die unterschiedlichsten Fragestellungen zum Thema Geschlecht aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven heraus beleuchtet (Soziologie, Medizin, Kunst, Psychologie, Philosophie usw.) Als neue Wissenschaft emanzipierte sich die Geschlechterforschung, die ihren Ursprung in den USA und den Niederlanden hatte, seit Mitte der Achtziger Jahre zunehmend auch in Europa. Seither stärkten intensive EU-Förderprogramm den Forschungszweig und verhalfen ihm zu internationaler Anerkennung.

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Gender Mainstreaming

Der Ausdruck „Gender Mainstreaming“ ist heute in aller Munde. Nicht jeder jedoch weiß so genau, wovon er da eigentlich spricht („Irgendwas mit Gleichberechtigung und Frauen“) und wie sich die Begriffe Gender Studies, Doing Gender und Gender Mainstreaming denn nun überhaupt voneinander abgrenzen. Zunächst: Gender Mainstreaming bezeichnet ein Organisationsprinzip, mithilfe dessen die Perspektiven sozialer Geschlechter etabliert werden sollen. Als Prinzip und Strategie wurde das Gender Mainstreaming 1995 auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking verankert. Verfolgtes Ziel ist die Chancengleichheit der Geschlechter. Gender Mainstream verfolgt diese Zielsetzung mit politisch-strukturellen Mitteln. Ein Jahr nach Peking übernahm die EU den Ansatz, und 1999 begann auch die Bundesregierung, mit der Strategie zu arbeiten. So sollte dem im Grundgesetz verankertem Gebot der Gleichstellung Rechnung getragen werden. Seither muss jede aus EU- oder Bundesmitteln geförderte Maßnahme einen Nachweis erbringen, mit dem Ansatz des Gender Mainstreamings zu arbeiten. Die EU betont die Wichtigkeit der „Einbindung von Chancengleichheit“ in alle Maßnahmen. Das bedeutet, dass bei sämtlichen Entscheidungen (bzgl. Personal und Organisation, Außendarstellungen, Produkte etc.) immer auch berücksichtigt werden muss, dass Frauen und Männer sich nicht in den selben Lebenslagen befinden. Würden diese Unterschiede ignoriert, stellte dies eine massive Benachteiligung für den Einzelnen dar. Die Strategie des Gender Mainstreamings ist es, genau solche Diskriminierungen unter dem Deckmantel von Gleichbehandlung (eigentlich ja: Gleichmachung) aufzudecken und zu verhindern.

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