Hausbesetzungen und Hausräumungen waren des öfteren an der Tagesordnung. Was mir zu dieser Zeit auffiel, war die gute Stimmung zwischen den "normalen" und den "extremen" Bewohnern dieses Viertels. Omis sprachen mit Punks, diese brachten den Damen was vom Bäcker mit, ja sie unterhielten sich im Einvernehmen über die Besetzungen und die Polizeieinsätze. So ein Konsens zwischen Generationen und verschiedenen Lebensformen, kannte ich aus dem Westen nicht. Das muss am anderen Miteinander in der DDR gelegen haben.
Wenn ich heute durch diesen Bereich der Stadt gehe, sehe ich ein schickes Szeneviertel. Hier und da kippen sich noch ein paar Punks die Birne zu, ansonsten ist der Stadtbereich zur Normalität übergeschritten. Sicher haben die Investoren am Ende doch den längeren gezogen.
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich dort in einem schicken Cafe mit Einheimischen gesessen. Wir unterhielten uns über die neue Frauenkirche und die Altstadt im Allgemeinen. Sie sprachen genau das aus, was ich ein Tag vorher dort spürte. Es ist eine Art historisches Ghetto für Touristen. Eigentlich ein Teil der Stadt, aber auch irgendwie davon abgekoppelt. Viele Dresdner meiden diesen Bereich, er ist ihnen zu steril. Das kann ich nur zu gut nachvollziehen. Von dieser Aufbruchsatmosphäre direkt nach der Vereinigung, ist nicht viel übrig. Es kann nicht ewig Aufbruch herrschen.
Kein Zweifel, die Frauenkirche ist und war ein starkes Symbol, ob aufgebaut oder nicht. Allerdings mehr im Geist, als in der Realität. Denke ich über die Kirche und ihre Zusammenhänge nach, kommt ihre ganze symbolische Kraft zur Geltung. Stehe ich heute vor ihr, ist all das nicht mehr da.. Anscheinend ist sie seit dem Wiederaufbau zu real für ein Sinnbild.
Kurz neben der Frauenkirche kann man bald wieder das "Grüne Gewölbe" besuchen. Das beherbergte bis 1939 die Schmuckkollektion von August dem Starken. Eine der ältesten und wertvollsten Sammlungen Europas. Seit 1733 war dieses Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. Zwei Wochen vor dem Krieg brachten die Deutschen den Schatz in Sicherheit, nach dem Krieg wurde die Sammlung nach Russland gebracht, um es später an die DDR zurück zugeben. Am 1. September eröffnet das restaurierte "Grüne Gewölbe" zum ersten Mal wieder mit der kompletten Schmucksammlung. Der Perfektion kommt Dresden immer näher.