Irgendwann Ende der 60er Jahre bürgerte es sich ein, dass Kulturredakteure in Interviews Schriftsteller nicht mehr danach fragten, wie sie technische Probleme beim Schreiben lösten. Viel mehr galten sie plötzlich als eine Art «elder statesmen» oder «moralische Instanzen», die nach ihrer Stellung zu den Ostverträgen, zu Atomkraftwerken oder zum Afghanistan-Einsatz befragt wurden. Der Schriftsteller als Handwerker aber geriet in Vergessenheit; das Schreibenkönnen war etwas, «was sich von selbst verstand».
Aus der Zeit vor diesem großen Vergessen der Schreibkunst sind einige wenige Werkstattberichte in Buchform überliefert. So jene "Gespräche mit Autoren der Gegenwart", die der Journalist Malcolm Cowley mit amerikanischen, englischen und französischen Schriftstellern für die Paris Review am Ende der 50er Jahre führte. Darunter erlauchte Namen wie William Faulkner, Thornton Wilder, Georges Simenon, Truman Capote, Alberto Moravia, James Thurber oder Francois Mauriac. Unter dem Titel «wie sie schreiben» erschien das Buch auch auf deutsch im Sigbert Mohn Verlag, einem literarischen Ableger, den sich die Bestseller-Schleuder Bertelsmann damals für kurze Zeit gönnte.
Der Leser erfährt zum Beispiel aus dem Mund James Thurbers, dass gerade das Einfache die große Kunst ist, und wie mühselig doch das Geschäft des Schreibens sei: «Mein Ziel ist immer, eine glatte und scheinbar mühelose Endfassung zu erreichen. Eine meiner Geschichten, "The Train on Track Six", ist volle fünfzehn Mal neu geschrieben worden. Alles in allem müssen das rund 240 000 Wörter gewesen sein, und ich werde so an die zweitausend Arbeitsstunden darauf verwendet haben. In der endgültigen Fassung stehen aber bestenfalls zwanzigtausend Wörter» (S. 104).
Auch hier in unseren Blogs werden schlechte Texte gern damit entschuldigt, dass gestresste Manager etc. ja gar nicht die Zeit hätten, ihren Text zu glätten, obwohl sie es «im Grunde schon» könnten, wenn sie nur wollten. Schön ist die bissige Bemerkung Dorothy Parkers zu diesem Thema: «Niemand auf der Welt schreibt schlechter als ihm gegeben ist» (S. 97). Das sitzt!
Mich hat Thornton Wilders Bemerkung lange beschäftigt, der darauf hinweist, dass wir mit unserem Romanpersonal ja niemals «vollwertige Menschen» schaffen, sondern immer nur ästhetische Kasperlefiguren: «Die Hauptfiguren unserer Romane sind seit dem Jahr 1800 genau das, was auch ihre Autoren sind: Künstler oder Pseudo-Künstler nämlich». Mit anderen Worten: Mit aller Kunst, so Wilder, brächten wir es doch immer nur zu Kopien unserer selbst.
Voll mit anregendem Stoff aus den Hexenküchen der Literatur ist dieses Buch, das antiquarisch sicherlich noch hie und da zu kaufen ist. Und es wäre vielleicht für den einen oder anderen Journalisten eine dankenswerte Aufgabe, mal wieder Schriftstellerinterviews unter diesem handwerklichen Fokus zu erstellen.
Jaaaaa. Nicht komplizierte Satzkonstrukte und wirre Terminologien machen einen guten Schreiberling aus. Es ist schon eine hohe Kunst, verständlich schlicht, kurz und prägnant zu schreiben und damit auch noch zu fesseln..Danke für den Buchtipp!
Stil ist das, was anderen nicht auffällt. C’est ca …