Weihnachten für Schwule – CSD 08 ein voller Erfolg

Doch schon an der Schloßbrücke, dem neuen Startpunkt tanzte und demonstrierte die geballte schwul-lesbische Power auf 47 Wagen und in ungezählten Gruppen zu Fuß am "Alten Fritzen" vorbei. Ein schönes Bild, dass der Preußenkönig wohl auch ganz nett gefunden haben dürfte – natürlich ohne sich selbst nackig zu machen. "Contenance, mein Lieber" – genau.
Reiter-Denkmal und Zuschauer sahen diesmal, wohl auch des Wetter wegen, einem Mix aus Sonne, Wind und Regen, jene – nennen wir es – sicher gut gemeinten Fleisches-Entgleisungen anderer Jahre nicht. Soll heißen: pure Nacktheit wurde weitesgehend vermieden, wenn man von einem Herren-Paar absieht, dass sich komplett körperbemalt zeigte und selbst kleinste Details dabei nicht ausließ.
Am Potsdamer Platz ballte sich erwartungsgemäß das Interesse. Tausende bejubelten den Zug der bunten Leute und fotografierten alles, was in weißen US-Army-Uniformen oder schriller Lady-Montur über den Asphalt stöckelte (Heteros sind ja so einfach gestrickt!)
Hier hörte ich Kommentare wie: "Laß uns ma weiter vorgehen, sonst seh ick ja nischt!" oder "Die sehen so toll aus!" oder "Kindchen, guck weg!" Der CSD begeistert und polarisiert – gut so! Einzig mäkelig zeigte sich Elmar Kraushaar, Aktivist der ersten CSD-Stunde vor 30 Jahren im schallungeschützten Live-Studio des RBB. Der CSD-Trubel sei ihm fremd geworden, das Ganze vor allem eine Sponsorenshow und irgendwie habe es ja auch nichts mehr mit Politik zu tun. Mit ernster Miene bestätigten dies die Moderatoren, Herr Thadeusz und das Fräulein Schneider (die wohl auch nur auf der Bühne komisch ist), während am Studiofenster Wagen mit dem Losungsmotto dieses CSD "Hass du was dagegen?" vorbei fuhren.

Wer es sehen wollte, hätte es also sehen können. Es war ein sehr politischer, fordernder CSD 2008. Das Thema "Ausgrenzung und Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transidente" war eben nicht Nebensache, sondern in vielen Darstellungen auf den Wagen, aber auch bei den Fußgruppen vertreten. Da gab es die "Anti-Hass-Ambulanz" oder die Schwestern der Pepetuellen Indulgenz, die schon durch ihr Auftreten in Kostümen und buntem Gesichtsschmuck zur Auseinandersetzung reizen und gleichzeitig vor den Gefahren von HIV und AIDS warnen. Da war die Rede des CSD-Vorstandssprechers Jan Salloch, in der Politik und Gesellschaft ausdrücklich aufgefordert wurden, Homophobie in jeder Erscheinung zu bekämpfen. Auch das Signal in die eigenen Reihen, an Lesben und Schwule selbst, niemanden auszuschließen, weil er oder sie krank, alt, behindert, Tunte oder Drag-King sind, kam an. Hunderttausende hörten es an der Siegessäule und jubelten diesen Forderungen zu. Die ARD-"tagesthemen" widmeten dem 30. CSD einen eigenen Beitrag. An dessen Beginn ließen sich drei Hauptschüler über Homos aus, die in ihren Augen "keine Menschen" seien. Der Hass ist da war die Botschaft des Beitrags, besonders an Schulen und der CSD kämpft dagegen. Die Kollegen hatten es also verstanden, auch ohne Nina Queer, die im RBB "Fiiinaaalee"-Liedchen anstimmte. Thema verfehlt! Setzen!
Die Botschaft dieses Christopher-Street-Days, dieses "Weihnachtsfest für Schwule und Lesben", wie es Robert Kastl vom Organisatoren-Verein so nett nannte, blieb eben nicht im Humta-Humta der Bassboxen auf den Wagen stecken. Auch wenn diese in diesem Jahr wieder mit besonderer Mühe gestaltet waren. Mein Sieger in 2008: der Space-Wagon, mit "Enterprise-Kanzel" und tollen Jungs in Uhura-mäßigen Kostümen.

Übrigens: Klaus Wowereit fehlte. Der Regierende war nach Paris eingeladen und blieb dem Treiben fern. Die "Mutti vons Janze" verpaßte so die Kritik an der derzeitigen Präventionssparpolitik des Berliner Senats (rot-rot übrigens und beide roten Parteien waren mit Wagen am Start). In Sachen AIDS-Beratung macht Berlin nämlich leider Schotten dicht und zeigt weniger Engagement als die Bundesregierung, die einen nationalen Aktionsplan gegen HIV und AIDS aufgelegt hat. Nu aber ran, Herr Regierender. Berlin, als Brennpunkt der Epidemie sollte zügig nachziehen.
Noch was ? Ach ja. Im VIP-Bereich erhitzten sich die Gemüter an einem Gast im "Thor-Steinar"-T-Shirt. Zwar trug das Hemdchen keine rechtsverdächtigen Runen, dennoch sollte jeder wissen, dass Toleranz und Akzeptanz nicht soweit gehen, als das man jede Dummheit auch noch gut finden müßte – oder? Ausgezogen hätte es dem jungen Mann eh besser gestanden.
Party des Abends: die CSD-Mugge im GMF-Weekend am Alex. Über den Dächern der Stadt relaxen oder abzappeln, dazu coole Live-Musik (mal was ganz anderes!) – super. Es könnten nur gern mehr Fahrstühle sein, die einen in die 12. und 15. Etage bringen und irgendwann auch mal ein Einlaßstopp. Wie soll man flirten, wenn einem ständig die Füßchen zertreten werden? Oder war das der Flirt? Ich chille jetzt und denke nochmal drüber nach.

2 Meinungen

  1. Und genau so war’s – ein bunter fröhlicher aber auch politischer Tag mit Spaß, Spiel*g* und Spannung für die ganze „family“.Füsse tun weh und Herz ist ein klein wenig traurig weil es noch 364 Tage bis zum nächsten CSD dauert. Und nie sollte mann/frau/trans vergessen warum wir eben auf die Strasse gehen, ob in Pumps oder Springerstiefeln:wir haben noch eine Menge zu tun bis der CSD „nur“ noch Feiertag und nicht mehr Demonstration für Gleichstellung und gegen Hass sein wird.

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