Warum steigt die Vielfalt des Aberglaubens?

Trotz der zunehmenden Aufklärung und des freien Zugangs zu umfangreichen Informationen nimmt der Aberglaube in der modernen Welt weiter zu. Bereits vor siebzig Jahren diagnostizierten die Philosophen Theodor Adorno und Max Horkheimer die große Bereitschaft der Menschen, in den Bann einer Gewaltherrschaft zu geraten. Wieso besteht dieser Reiz des Unerklärlichen, obgleich der technische Fortschritt fast alle früher rätselhaften Naturvorgänge durchschaubar macht?

Die Art des Aberglaubens hat sich gewandelt

Der Inhalt des Aberglaubens hat sich mit der technischen Entwicklung verändert. Der Glaube an Geister spielt heute eine geringere Rolle als früher, während Verschwörungstheorien immer mehr Anhänger finden. Dabei wird bestimmten Gruppen die Steuerung der Gesellschaft mit unlauteren Methoden vorgeworfen. Neben den klassischen vermeintlichen Tätern treten zunehmend die Medien und die Politik, aber auch Wirtschaftsunternehmen wie Banken in den Mittelpunkt entsprechender Theorien. Traditionelle Formen des Aberglaubens, wie die Nutzung von Pendeln zur Entscheidungsfindung, sind in allen Bevölkerungskreisen verbreitet. Anders als Verschwörungsvorstellungen werden diese aber selten offen kommuniziert.

Wodurch kommt es zur Zunahme des Aberglaubens?

Der technische Fortschritt beantwortet immer noch nicht alle Fragen. So zählen auch Methoden der Wunderheilung von eigentlich unheilbaren Krankheiten zum Aberglauben. Zudem kennen sich die meisten Menschen nur auf ihrem Fachgebiet aus und sind bei allen anderen Fragen bereit, Fachleuten absurd anmutende Erklärungen abzunehmen. Dass Wissenschaftler sich ebenfalls irren können und einige ihrer Erkenntnisse aufgrund neuer Ergebnisse revidieren müssen, verstärkt die Bereitschaft zum Aberglauben. Schließlich werden Menschen immer ungeduldiger und verlangen direkt sichere Antworten, während die wissenschaftliche Forschung in weiten Bereichen viel Zeit benötigt. Ein weiterer Grund für die stetige Zunahme des Aberglaubens besteht gerade im technologischen Fortschritt. Gegenüber früheren Zeiten ermöglichen schnellere Medien wie das Internet die rasche Verbreitung jeder beliebigen Theorie innerhalb weniger Stunden. Das lässt sich nicht nur für tatsächliche Erkenntnisse, sondern auch für unsinnige Behauptungen und Verschwörungstheorien nutzen.

Was lässt sich gegen die Verbreitung des Aberglaubens unternehmen?

Die Bereitschaft zum Aberglauben gehört zum menschlichen Grundwesen und lässt sich nicht vollständig beseitigen. Sinnvoll und möglich ist hingegen die Schulung der Kritikfähigkeit, sodass neue Behauptungen nicht ungeprüft übernommen und verbreitet werden. Schulen und Hochschulen können neben der Kritikfähigkeit auch das Bewusstsein dafür fördern, dass Irrtümer und Fehlinterpretationen in der Wissenschaft möglich sind und keinen Grund zur generellen Ablehnung ihrer Erkenntnisse darstellen.

Bildnachweis: Thinkstock, Ingram Publishing

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