Heute oute ich mich. Ich habe allen Mut zusammen genommen, habe meine Badehose stramm hoch gezogen und lächle meine Leser hiermit grundehrlich an. Ich bin ein Freund des Strandbades mit den langen Wandelgängen, dem fast 1300 Meter langen Sandstrand aus Timmendorf, dem Geruch von Currywurst und Bier, den hartnäckigen Ansagen per Uralt-Lautsprecher und den Wilmersdorfer Jahrhundert-Paaren und Reichs-Witwen, die in schönster und lautester Berliner Art um "ihre" Liegeplätze kämpfen. Ich liebe das Strandbad Wannsee.
Manch einem mag entgangen sein, dass das kultige Areal mit dem FKK-Abschnitt an einer Trauerweide (was die wohl schon alles mit ansehen musste…), an diesem 28. April 2007 seinen ersten Saisontag des Jahres feierte. Mir nicht. Denn ich war da, als noch niemand da war – kurz vor acht Uhr morgens. Die Mitarbeiter fegten da noch eifrig die Sand- und Betonwüsten. Nagelneue Pächter schoben palettenweise nagelneuen Strandkrempel wie Bälle, Schaufeln und Siebe aus dem Dunkel des Winters in die Hitze dieses Aprilsommers.
Rettungsschwimmer mit frischen, noch leuchtend roten Shirts erklommen den kleinen Aussichtsturm mitten im See, der hier auch als Wachturm dient. Wer zu weit rausschwimmt, wird ebenso herzlich heftig zurück gepfiffen, wie jene, die sich per Boot vom Wasser her an das Gelände heran zu paddeln versuchen. Einige diese "Wilderer" versuchen in geradezu verbrecherischer Absicht, den Eintritt zu sparen oder – noch schlimmer – den unbekleideten Damen am "Effi" die oftmals nur allzu reifen Früchte weg zu gaffen. Sowas aber auch. In solchen Momenten kann man die Damen übrigens richtig sauer erleben. Sie wettern und zetern, bis sich sogar der Strandfunk mit notorischem "Ding-Dong" meldet und die "Hasardeure der Lust" mit einem deutlichen "Spanner, verzieht Euch!" vertreibt.
Stammgäste kommen seit mehr als 30 Jahren ins Strandbad Wannsee und haben nahezu alle Rechte erworben. Heute Morgen ab acht Uhr kauften sie sich bereits ihre Dauerkabinen für "all det Zeug, wat man hier so brauchen tut". Stühle, Decken, Matten und sonstige Ausrüstung kann nämlich in gemieteten Kabinen verstaut werden, bis die Saison im Oktober zu Ende geht. Toll. Danach belegt der Wannsee-Gänger den immer gleichen Platz am Strand, findet die immer gleichen Leute zum Quatschen und meckert über die immer wieder gleich auftretenden notorisch jugendlichen Ruhestörer. Herrlich…
Ein großes Helles kostet 2 Euro 20 und ist an einem Ausschank zu bekommen, der, wie fast der ganze Rest des Strandbades, restauriert wurde. Das "Prollbad", wie man in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts höchst unfein zum Strandbad Wannsee sagte, wird in diesem Jahr 100. Darum gab es eine längst fällige Auffrischung, sprich: lange, staubige Bauarbeiten. Heute dann aber endlich auch ein paar zufriedene Gesichter. Inklusive des wohl höchsten Lobes, das der Berliner auszusprechen in der Lage ist: "Da kannste nich meckern."