Sie können mir nicht folgen? Zur Anschauung: Ein Unternehmer -nennen wir ihn Kapitalist, um alle gängigen Klischees zu bedienen- ist Geschäftsführer und Alleingesellschafter eines mittelständischen Unternehmens in der Rechtsform der GmbH oder GmbH & Co. KG. Das Familienvermögen haftet für die Firmenverbindlichkeiten. Die Privatimmobilie ist mit Grundschulden belastet. Die im Betrieb tätige Ehefrau bürgt für Betriebsmitteldarlehen. Die Kapital-Lebensversicherung zur Altersvorsorge ist auch an die Bank abgetreten, z.B. um ein letztes Mal die Kontokorrentlinie zur Überbrückung der immer augenfälligeren Liquiditätslücke zu erhöhen.
Der Druck der internationalen Konkurrenz setzt unserem Unternehmen mit – sagen wir mal – 100 Mitarbeitern stark zu. Ein deutlicher Umsatzrückgang ist zu verzeichnen. Die andern können es billiger. Um Kosten zu senken, will der Kapitalist 20 Stellen abbauen. Dazu muss er mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich (IA) und Sozialplan (SP) abschließen, von dem er keine Ahnung hat, wie er ihn bezahlen soll. Der Betriebsrat verzögert den Abschluss von IA und SP auf Geheiß der Gewerkschaft. Begründung: Die Abfindungsansprüche aus dem SP sind im Falle der drohenden Insolvenz nur einfache Insolvenzforderungen, bei einem Abschluss nach der Insolvenzeröffnung aber Masseforderungen, die vor allen anderen aus der Insolvenzmasse zu bezahlen sind.
Der Unternehmer merkt, dass er nicht weiter kommt. Mit letzter Kraft zahlt er noch die Nettolöhne am Ende des Monats. Ein Kunde, mit dem er fest gerechnet hatte (u.a. um Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern zum Fälligkeitstermin zu leisten), zahlt nicht. Auch pleite! Der Unternehmer gibt auf. Er stellt Insolvenzantrag. Folge: Kreditkündigung durch die Bank, Verwertung der persönlichen Sicherheiten (Haus unter dem Hammer, Kündigung und Einziehung des Rückkaufswertes der Lebensversicherung, Inanspruchnahme der Ehefrau, die sich nicht auf die Rechtssprechung des BGH zur sittenwidrigen Ehegattenbürgschaft berufen kann, weil sie bisher über ein eigenes Einkommen verfügte und Miteigentümerin der Immobilie war). Dann stehen die Krankenkassen und das Finanzamt im Türrahmen und nehmen unseren Kapitalisten im Wege der Durchgriffshaftung wegen Nichtabführens der Arbeitnehmeranteile an Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer persönlich in Anspruch. Das Finanzamt klingelt zweimal, weil es auch die nicht geleistete Umsatzsteuer von ihm persönlich haben will.
Und zu allem Überfluss steht noch die Staatsanwaltschaft vor der Türe, denn das Nichtabführen der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer ist gemäß § 266a StGB strafbar. Außerdem wird gegen ihn wegen Insolvenzverschleppung ermittelt. Hat denn unser Unternehmer nicht gesehen, dass seine GmbH schon im letzten Jahr einen Verlust als "nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag" in der Bilanz ausgewiesen hat? Wie? Er hat geglaubt, es zu schaffen? Das schützt vor Strafe nicht.
Das Ende vom Lied: Unser inzwischen vorbestrafter Kapitalist ist ein Fall für Hartz IV und die Verbraucherinsolvenz. Die Ansprüche des Finanzamtes aus nicht abgeführter Lohnsteuer sind aber von der Restschuldbefreiung ausgenommen, weil sie deliktische Forderungen sind. Gleiches gilt für die nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung.
Und was passiert im Vergleichszeitraum mit seinen Arbeitnehmern? Sie erhalten für längstens drei Monate Insolvenzgeld.
Eine evtl. zugesagte Betriebsrente ist über den Pensionssicherungsverein insolvenzgeschützt, wird also gezahlt. Sozialplanansprüche werden bedient, wenn die Insolvenzmasse es hergibt. Sollte sich so ein anderer, unverbesserlicher Kapitalist finden, der den insolventen Geschäftsbetrieb vom Insolvenzverwalter kauft und fortführt, dann geht der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers gemäß § 613a BGB auf den neuen Betriebsinhaber über, mit allen erworbenen Ansprüchen.
Ein Einzelfall? Nein, das passiert jeden Tag irgendwo in dieser Republik. Ergo: Angestellter müsste man sein! Fragt sich allerdings demnächst: Bei wem?
Hab ich alles auch schon hinter mir! Und so verstaubt eine weitere geniale Geschäftsidee in einem kreativen Kopf, weil uns zu viele und zu große bürokratische Brocken zwischen die Beine geschmissen werden…schade!!!!