Verzweifelte Proteste: Flüchtlinge kämpfen gegen das bestehende Asylrecht

Die Flüchtlingspolitik rückt zunehmend ins Zentrum der politischen Debatte. Mit aufsehenerregenden Aktionen demonstrieren Asylbewerber in deutschen Städten wie Berlin, Hamburg und Nürnberg gegen das bestehende Asylrecht. Zuletzt sorgte die Besetzung des Berliner Fernsehturms für Aufsehen.

Protest gegen das Asylrecht: Flüchtlinge machen auf ihre Situation aufmerksam

Viele Asylbewerber in Deutschland wollen sich nicht mehr mit der drohenden Abschiebung abfinden. Sie organisieren medienwirksame Proteste, die die Politik nicht länger ignorieren kann. Im Sommer 2013 fand die erste von zahlreichen Aktionen statt, die bundesweit Schlagzeilen machte: Etwa 50 Flüchtlinge hatten in der Münchner Innenstadt Zelte aufgebaut und sich tagelang in einen Hungerstreik begeben, Vermittlungsversuche scheiterten. Am Ende räumte die Polizei das Protestcamp. In den folgenden Monaten ließen weitere Flüchtlinge unter anderem aus Syrien, Serbien und Afghanistan ihrem Ärger über die deutsche Asylpolitik freien Lauf:

  • Hamburg: In Hamburg eskalierte der Konflikt zwischen Asylbewerbern und der Innenbehörde. Ein Pastor im Stadtteil St. Pauli gewährte zahlreichen Flüchtlingen Kirchenasyl, viele Unterstützer solidarisierten sich.
  • Berlin: Monatelang besetzten Flüchtlinge den Oranienplatz und anschließend die leerstehende Hauptmann-Schule in Kreuzberg. Die Bezirksverwaltung duldete das lange. Kürzlich spitzte sich die Situation gefährlich zu, ein großes Aufgebot der Polizei sperrte die Schule ab, eine Räumung wurde diskutiert. Mehrere Besetzer drohten mit Suizid. Im letzten Moment erzielten Verwaltung und Asylbewerber einen Kompromiss: Die Bewohner zogen sich in einen Teil der Schule zurück und garantierten, dass nicht noch mehr Menschen in das Gebäude einziehen. Damit wurde es in Berlin aber keinesfalls ruhiger: Vergangene Woche besetzten rund 40 Flüchtlinge den Berliner Fernsehturm, um auf ihre schwierige Lage aufmerksam zu machen. Die Polizei beendete die Aktion, die am Ende friedlich ausging. Die Flüchtlinge kamen privat unter.
  • Nürnberg: In der fränkischen Großstadt versuchten kürzlich rund zwanzig Asylbewerber mit einem Hungerstreik, ihre Asylanträge bei den bayrischen Behörden durchzusetzen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, weiteten sie die Protestaktion auf einen Durststreik aus. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich jedoch unbeeindruckt.

Migrationsdruck auf die EU-Mitgliedsstaaten nimmt zu

Überraschens ist diese Entwicklung angesichts des Nahost-Konflikts und der Bürgerkriege in Libyen und Syrien nicht. Südeuropäische Staaten verzeichnen seit Jahren eine rasant steigende Anzahl an Flüchtlingen. Aus Afrika fliehen jährlich tausende Menschen in überfüllten Booten über das Mittelmeer auf die italienische Insel Lampedusa. Die italienischen Behörden sind mit dem großen Andrang überfordert. Laut EU-Recht müssen sie den Asylanten zwar eine ausreichende Verpflegung und Unterkünfte stellen, aufgrund der großen Flüchtlingsanzahl leben jedoch viele auf der Straße. Oft sehen sie nur eine Möglichkeit: Sich bis in andere EU-Staaten wie zum Beispiel Deutschland durchschlagen. Die deutschen Behörden beharren jedoch auf EU-Abkommen. Demnach können Migranten nur in dem EU-Staat Asylanträge stellen, in dem sie sich zuerst befinden. Folglich lehnen Ausländerbehörden Asylanträge von Flüchtlingen aus Lampedusa ab und setzen Abschiebungen nach Italien durch. Die Forderungen der Flüchtlingsaktivisten werden immer lauter, diese Regelungen im Asylrecht zu ändern.

Italien setzt Flüchtlingspolitik auf EU-Agenda

Im zweiten Halbjahr 2014 hat Italien den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Die Regierung unter Ministerpräsident Renzi hat das europäische Asylrecht zu einem Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft erklärt. Italien und andere südeuropäische Staaten pochen darauf, dass Länder wie Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen. Zugleich verschärft sich der Migrationsdruck aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien weiter: Allein in Deutschland stieg die Anzahl der Asylanträge bis Ende Mai 2014 um 23.800. Damit haben in diesem Jahr bisher 62.600 Menschen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien. Protestaktionen wie Hungerstreiks und die Besetzung öffentlicher Plätze und Gebäude zogen zwar kurzfristig die Aufmerksamkeit auf sich, ob sie sich jedoch langfristig für die Asylbewerber auszahlen, ist fraglich.

 

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