Zunächst wurde ich nämlich am Dartmouth College in New Hampshire angenommen (http://www.dartmouth.edu/), für ein einjähriges Programm, das mit einem Master in Comparative Literature (Vergleichende Literaturwissenschaft) abschließt (http://www.dartmouth.edu/~complit/masters/index.html). Jedem, dem ich davon erzählte, fiel dazu John Irving ein und dessen Buch Hotel New Hampshire – Asche auf mein Haupt – bis jetzt habe ich diese Wissenslücke noch nicht beseitigen können. Reiseführer zu Neuengland schwärmen vom Indian Summer, der die Blätter schön färbt, vom Clam Chowder (eine cremige Suppe mit Muscheln drin), vom Ozean, Leuchttürmen, vom historischen Zentrum Bostons, Cambridges, Concords usw.
Im nachhinein kann ich nur sagen, dass ich es durch Zufall gut getroffen habe. Erstens befindet sich New Hampshire an der Ostküste, gehört damit zu den blau markierten, also demokratisch eingestellten Bundesländern. Nur mit Gleichgesinnten lässt sich die Ära Bush in Ansätzen verkraften … Zweitens ist die Natur wirklich traumhaft und für alle, die das interessiert, sind New Hampshire und Vermont auch beliebte Wintersportorte. Drittens ist Boston nicht weit entfernt, die Hauptstadt Neuenglands, mit dem Museum of Fine Arts, dem Bostoner Symphonieorchester und vielen anderen Museen, Ausstellungen, Kinos, Festen und Restaurants, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe. Also gebe ich lieber gleich zu, dass ich ein unverbesserlicher Stadt- und Kulturmensch bin.
In Hanover (Ort, an dem sich das Privatcollege befindet) ist man ganz nah an der Grenze zu Vermont, dem Bundesstaat, in dem das sortenreichste Eis der USA (der Welt?) hergestellt wird: Ben and Jerry’s. Auf deren Eisbecher schauen einem viele Kühe beim Essen zu, erinnert mich immer an Milka. Die Kühe sind jedenfalls das Naheste an Natur, was ich in meinem ersten Jahr in Amiland erfahren habe. Dafür gibt es mehrere Gründe: der Winter ist tatsächlich 5 Monate lang. Das heißt, nach meiner Ankunft Ende August hatte ich noch zwei Monate und dann ‚Good bye ground!‘. Ab da nur noch Eis und Schnee bis April. Es hat übrigens auch schon mal im Mai geschneit, zum Glück nicht in dem Jahr, in dem ich dort war. Mittlerweile habe ich im Vergleich feststellen dürfen, dass 2002/03 einer der härtesten Winter seit Jahrzehnten war. Und ich mittendrin. Schon auf dem Weg vom Seminargebäude zur Bibliothek fror mir mein Gesicht ein – das war der einzigste Körperteil, der unbedeckt der Kälte ausgeliefert war. Bis auch ich die wolligen Gesichtsmasken gefunden hatte, wo wirklich nur noch die Augen rausschauen.
Zweiter Grund: Leselisten. In den Literaturseminaren hier wird wirklich noch gelesen, teilweise eine Unmenge an Texten (bis zu 1 Roman pro Woche). Ich hockte nur noch über Büchern, entweder Theorie oder Fiktives. Danach sogenannte journals verfassen, das sind 1-2 seitige Gedanken über das Gelesene. Die Professoren teilen auch Fragen aus, die in den Einträgen beantwortet werden können. Ich fand die Idee ungewöhnlich für höhere Semster, da war ich von Deutschland mehr Freiheit gewohnt. Aber ich habe auch die Vorteile erkannt. Der Professor kann sich sicher sein, dass die Leute den Stoff lesen. Die Studenten können die journals nutzen, um Gedanken zu vertiefen. Ich bin von dieser Methode mittlerweile so überzeugt, dass ich sie in meinem Unterricht auch nutze. Die Seminare fanden zweimal pro Woche statt und am Ende musste eine Hausarbeit abgeliefert werden. Bei der Menge an schriftlicher Produktion war es schwer, ausschließlich Qualität zu liefern. Aber das musste sein, denn die gefürchteten Bewerbungsfristen für PhD Programme rücken näher und näher (Ende Dezember bis Mitte Januar, je nach Schule).
Was Politiker und andere Unwissende auch gerne vergessen ist, dass Deutschland die mit Abstand strengsten Jugendschutzvorschriften weltweit hat. Das gilt insbesondere für Spiele und Filme.So langsam kann ich dieses ewige „Die Spiele sind an allem Schuld“-Gerede nicht mehr ertragen.“Killerspiele“ ist für mich zudem ein echtes Unwort.