Super Injunction in Deutschland: Ein Gedankenexperiment

Wozu überhaupt eine Super Injunction?

Normalerweise dient so eine Super Injunction dazu, wirklich grobe Kriminalfälle davor zu beschützen, durch zu viel Berichterstattung sabotiert zu werden. Eine normale Injunction dient als Unterlassungsverfügung in diversen Bereichen, im Falle der Presse verhindert sie für gewöhnlich das Verwenden bestimmter Details und Daten, um die Ermittlungen einfacher zu gestalten und Trittbrettfahrer und falsche Hinweise schnell zu entlarven. Eine Super Junction hilft, sensible Informationen für immer geheim zu halten, etwa die Namen von Opfern oder minderjährigen Tätern, die sonst vom wütenden Mob (aka „wir“) mit Heugabeln und Fackeln auf den Hügel gejagt werden würden.

Super Zensur

Mittlerweile nutzt Großbritannien diese Regelung jedoch munter, um TV Persönlichkeiten davor zu bewahren, ihre Affären an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, gerne auch so „super“, dass die Magazine noch nicht einmal mehr über die Klage zur Super Injunction berichten dürfen. Denn mal ehrlich, ob man nun ein Opfer eines organisierten Verbrecherverbundes davor schützen will, vor oder nach der Aussage getötet zu werden, oder ob man seine Vorliebe für asiatische Prostituierte verheimlichen will – wo liegt denn da bitteschön der Unterschied, zumal das Opfer des organisierten Verbrecherbundes mit Sicherheit weniger schön und charmant ist und keine Auskunft über den Designer geben würde, den es auf dem Weg zum Zeugenschutzprogramm trägt.

Zugegeben, die britische Presse ist so etwas wie der Zombie der Medien, wer einmal von ihr erfasst wurde, kann für gewöhnlich keinen Schritt mehr machen, ohne dass ihr knochiger Zeigefinger auf ewig im Gesicht herum piekt und nach Gehirnen trachtet. Und dass man als „Celebrity“ nicht automatisch den Ruhm gegen seine Privatssphäre austauscht, dürfte selbst den Klatschblattlesern logisch erscheinen, immerhin hat jeder das Recht auf ein Leben, ohne dass selbst ernannte Promiexperten über die Wahl des Outfits (für meine Fans: T-Shirt und Jeans), der Geliebten (Gentlemen, ich bin Single!) oder Lieblingsdroge (Meth) philosophieren.

Super Injunction in Deutschland?

Die Super Injunction in Deutschland existiert natürlich noch nicht, aber wie alle anfangs sinnvollen, später erfolgreich korrumpierten Gesetze recken sich unsere Promis sicherlich schon offensichtlich die Köpfe, die Politiker und Wirtschaftsbosse werden es heimlich tun, um dem Presserecht eins auszuwischen.

Was wäre es für ein Leben, das Kreuzworträtsel könnte die BILD sich sparen, immerhin wäre jede einzelne Schlagzeile ein Rätsel:

Schauspieler zwischen 30 und 40, der in Arztserie gespielt hat, trennt sich von seiner Frau wegen einem Kollegen, den man als Moderator einer berühmten Kindersendung kennt!

Das Informationssudoku dürfte somit vom Leser selbst mit den fehlenden, logischen Informationen ausgefüllt werden, wer die Nachricht zusammen kriegt, darf sie natürlich nicht weiter geben, sondern muss mit dem brennenden Gefühl der Gewissheit auf der Zunge weiter leben, was nicht sehr viel schmerzvoller ist, als die brennende Scham, die das normale Klatschblatt-Lesen zur Zeit hervorruft. Natürlich müsste es Veränderungen in den Printmedien geben, derartig lang ausformulierte Schlagzeilen würden in einer Quadratmeter-großen BILD Zeitung enden, so dass man mindestens drei Leute bräuchte, um sie um zu blättern, in Großstädten würden maximal nur noch zwei Zeitungen pro Zugabteil erlaubt werden, alles andere verhindere das Ein- und Aussteigen und die Kiosk Aufsteller mit der aktuellen Hauptseite der regionalen Presse wären so groß wie Häuserwände, würden damit das ganze Stadtbild verschandeln, vom Ansteigen des Papiermülls und der entsprechenden Strapazierung der Wälder wollen wir hier gar nicht sprechen, alleine, weil uns das Forstamt das per Super Injunction verboten hat.

Wenn die Super Injunction in Deutschland so richtig super werden wollte, könnte sie auch Ausrutscher von Politikern gekonnt unter den Tisch kehren. Was hätte sich Guttenberg gefreut, wenn man nur fragend spekuliert hätte, welcher Politiker einer großen deutschen Partei wohl seine Hausarbeit abgeschrieben hätte? Sicherlich wären wir eher auf Johannes Singhammer gekommen, der guckt schon immer so schuldig.

Mittlerweile geht das Injunction Geprügel schon so weit, dass auch Twitter nicht mehr sicher ist, heißt also, dass jeder, der seine Inhalte in öffentlichen Netzwerken zum Besten gibt, als Presse abgestempelt wird und verklagt werden kann, sofern er einen Promi und dessen finstersten Geheimnisse kennt (und tun wir das nicht alle?). Ab wann man dann auch seine Freunde verklagen kann, wenn diese peinliche Partyfotos auf Facebook veröffentlichen, man kann gespannt sein.

Super Fazit

Es ist ein Drahtseilakt der menschlichen Vernunft, auch wenn wir die Presse nicht mögen, diese kleinen Wiesel, die unseren Lieblingspromis das Leben schwer machen und mit schmierigen Westen, rot gefärbten Mohawks und Cartoonversionen ihrer selbst – die viel dünner als sie sind – ihre neusten Fotos preisgeben, während sie Schauspielerinnen als Wale bezeichnen – die auch sehr viel dünner sind als sie selbst – und dabei wie auf Droge wild mit den Händen wedeln. Ach, sie sind alle gleich, diese Journalisten…
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So erscheint es ein schmaler Grat, der uns von einer meinungsmachenden Gerichtskeule trennt, bei der nicht nur Promis ihr mehr oder weniger (ehrlich gesagt: weniger) interessantes Privatleben schützen, sondern auch Großkonzerne ihre Aktien in Kriegseinsätzen aus der Presse fern halten können, Politiker sich die Westen von geknebelten Journalisten weiß drucken lassen und die Presse an sich nicht mehr als ein kleiner Fleck ist, den man hinter dem Zensurbalken hervor lugen sieht. Na, Presse, traust du dich heute, heraus zu kommen?

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