Wer an Armut in Deutschland denkt, hat meist immer noch die Ost-West-Schere im Kopf. Dabei liegen die Wurzeln der sozialen Not in Deutschlands Städten: 22 Prozent aller bundesdeutschen Großstädter sind kaufkraftarm, aber nur 14 Prozent der Bevölkerung in Landregionen. Zu diesem Ergebnis gelangt eine aktuelle Kaufkraft-Studie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).
Arme Stadt, reiches Land: Deutschlands Metropolen verarmen
Für die Kölner war es ein Schock: Mit 26,4 Prozent Kaufkraftarmut ist ihre Stadt nach der IW-Studie Deutschlands Armenhaus. Köln steht nicht alleine da: 24,3 Prozent aller Leipziger leben unterhalb der Armutsgrenze, 22,7 Prozent der Düsseldorfer und 23,5 aller Bewohner von Frankfurt/Main. Die Verfasser der Studie, die Ökonomen Christoph Schröder und Klaus-Heiner Röhl, begründen diese neuen Zahlen mit der Kaufkraftarmut. Nach ihrer Rechnung zahlen City-Bewohner um sechs Prozent höhere Mieten und Preise. So landet ein Münchener bereits mit 1.070 Euro Nettoeinkommen unterhalb der Armutsgrenze. Bundesweit galt bislang als arm, wer unter 870 Euro monatlich zur Verfügung hatte. Den Menschen in Hameln-Pyrmont oder in Görlitz geht es dagegen laut IW-Studie mit 12,4 und 13,5 Prozent Armutsanteil vergleichsweise gut.
Nicht die Ostdeutschen, die Stadtbewohner sind die Verlierer
Von wegen „arme Ossis“: Wer auf dem Land lebt, profitiert. In Ostdeutschland sind die Einkommen laut IW-Studie zwar immer noch niedriger als in den westlichen Bundesländern. Die Miet- und Lebenshaltungskosten sind aber um sieben Prozent geringer. Dies berücksichtigt, sind in Nordwest-Mecklenburg zwar 21,2 Prozent aller Menschen einkommensarm. Kaufkraftbereinigt liegt ihr Anteil aber bei 18,8 Prozent. Zwar sind die südwestdeutschen Regionen immer noch vergleichsweise wohlhabend. Doch Ost-Regionen wie das Vogtland/Erzgebirge und das Eichsfeld haben aufgeholt. Sie stehen mit nur 13,1 Prozent einkommensschwachen Haushalten deutlich besser da als Stuttgart (18,9 Prozent), Hamburg (19,1 Prozent) und Nürnberg (19,7 Prozent).
Das Institut für Wirtschaft fordert: Stärkt die armen Menschen und die Städte!
Besonders von Armut bedroht sind laut IW-Studie bundesweit Arbeitslose, Alleinerziehende, Alleinstehende und Menschen mit Migrationshintergrund. Das IW fordert daher, nach Auslaufen des Solidarpaktes 2019 neue politische Schwerpunkte zu setzen. Bund, Länder und die EU müssten die Arbeitslosigkeit bekämpfen, die Kinderbetreuung und Sprachintegration ausbauen. Die Regionalförderung solle sich künftig auf die Großstädte konzentrieren, sagt das Kölner Institut.