„Leidenschaft – das ist auch das immer wiederkehrende Thema dieser meisterhaften Erzählungen. Leidenschaft, die schleichend die ganze Existenz zersetzt bis an (und zuweilen über) die Grenze zur Zerstörung“ (Klappentext). Zweig erzählt in einer psychologisch durchdringenden, schon damals wohl leicht antiquiert klingenden Sprache, die ich im heutigen Sprachwust als geradezu wohltuend empfinde, denn auch sie entführt uns in andere Zeiten und Epochen, in die Welt des Europas, besonders Wien, zwischen den beiden großen Kriegen. Im Idealfall aber hat er sie kanalisiert und die menschlichen Leidenschaften selbst zum Gegenstand seiner Geschichten werden lassen.
Die Meistererzählungen bestehen fast ausschließlich aus solchen Idealfällen. Versammelt sind die Erzählungen „Brennendes Geheimnis“, „Der Amokläufer“, „Brief einer Unbekannten“, „Die Frau und die Leidenschaft“, „Verwirrung der Gefühle“, „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“, „Episode am Genfer See“, „Die unsichtbare Sammlung“ und „Schachnovelle“, (im Jahre 1960 auch verfilmt durch Gerd Oswald, der nach seinen Arbeiten in Hollywood („Der Kuss vor dem Tode“) hier wieder in Deutschland inszenierte. Der als Rückblende angelegte Film besticht vor allem durch Curd Jürgens in der Hauptrolle, während Claire Bloom („Rampenlicht“) als Ballerina der Produktion internationales Flair verleiht. Außerdem zu sehen sind Hansjörg Felmy als Peiniger Jürgens‘ sowie Mario Adorf als Schachweltmeister). „So ist denn jeder aufgerufen, mit Hilfe dieser überaus preisgünstigen Sonderausgabe auch die anderen, mehr oder weniger bekannten (und zum Teil fast 100 Seiten umfassenden) Geschichten des österreichischen Klassikers zu entdecken. Aber auch für jene, die sie bisher nur in vergilbten Taschenbuchausgaben aus Schulzeiten im Bücherregal stehen haben, lohnt sich die Anschaffung. Denn Meistererzählungen ist nicht nur ein sehr preisgünstiges, sondern auch noch ein wunderschön gemachtes Buch. Einziger Wermutstropfen ist da lediglich, dass man sich nicht nur einen Zwölfzeiler als Begleittext, sondern ein ausführliches Vor- oder Nachwort als Einführung beziehungsweise Ausklang gewünscht hätte. Aber dies ist wohl noch am ehesten zu verschmerzen“. Stefan Kellerer bei Amazon. Stefan Zweig: Meistererzählungen. S. Fischer Verlag 2006, gebunden 10 Euro
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren, lebte von 1919 bis 1934 in Salzburg, emigrierte von dort nach England und 1941 nach Brasilien. Sein episches Werk machte ihn ebenso berühmt wie seine historischen Miniaturen und die biographischen Arbeiten. Im Februar 1942 schied er in Petrópolis, Brasilien, freiwillig aus dem Leben. Posthum erschienen seine Erinnerungen, das von einer vergangenen Zeit erzählende Werk „Die Welt von Gestern“. Hier der Text aus: Das Buch der 1000 Bücher und eine ausführlichere Biographie
Sternstunden der Menschheit
OA 1927 Form Historische Miniaturen Epoche Moderne
Stefan Zweigs populärstes und erfolgreichstes Buch ist eine Sammlung von Texten, die er selbst historische Miniaturen nannte. Jede Miniatur schildert einige dramatische Stunden oder Tage im Leben einer historischen Persönlichkeit, deren Entscheidung den weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte bestimmt.
Inhalt: Die Erstausgabe von 1927 enthielt fünf Texte – Die Weltminute von Waterloo (General Grouchy kommt Napoleon zu spät zu Hilfe), Die Marienbader Elegie (R Goethes unerfüllte Liebe zu Ulrike von Levetzow), Die Entdeckung Eldorados (Johann August Suter im Wilden Westen), Heroischer Augenblick (Fjodor R Dostojewskis Begnadigung in letzter Sekunde) und Der Kampf um den Südpol (Robert Scott gegen Roald Amundsen). In die postum erschienene Ausgabe von 1943 wurden sieben weitere Miniaturen aufgenommen: Flucht in die Unsterblichkeit (die Entdeckung des Pazifik durch Vasco Núñez de Balboa), Die Eroberung von Byzanz (eine angeblich unverschlossen gebliebene Tür ermöglicht die Eroberung der Stadt), Georg Friedrich Händels Auferstehung (die Entstehung des Oratoriums Messias), Das Genie einer Nacht (Rouget de Lisle komponiert die Marseillaise), Das erste Wort über den Ozean (C. W. Field verlegt das erste transatlantische Kabel), Die Flucht zu Gott (Leo R Tolstois letzte Tage) und Der versiegelte Zug (Wladimir Iljitsch Lenins Rückkehr nach Russland 1917). 1940 war eine englische Ausgabe erschienen, die neben den fünf Texten der deutschen Erstausgabe zwei weitere Miniaturen enthielt, welche auch der heute erhältlichen deutschen Sammlung angefügt sind (Cicero und Wilson versagt).
Aufbau: Die Texte sind keine historischen Analysen, sondern novellistisch zugespitzte Erzählungen, in deren Mittelpunkt jeweils eine biografisch überhöhte Person steht. Zwei Miniaturen sind keine novellistischen Prosatexte: In Heroischer Augenblick schildert Zweig Dostojewskis Begnadigung in Form eines dramatischen Gedichts, in Die Flucht zu Gott Tolstois letzte Stunden als Epilog zu dessen unvollendetem Drama Und das Licht scheinet in der Finsternis.
Zweig wollte nicht trockene Geschichtsschreibung betreiben, sondern anschaulich-realistisch einige dramatische Sternstunden der Menschheit schildern, wobei er sich nicht streng an die geschichtliche Wahrheit hielt. Die Texte spiegeln eine Geschichtsauffassung wider, welche die Intuition und den Heroismus des Einzelnen für die Entwicklung der Menschheit wichtiger nimmt als politische und gesellschaftliche Zusammenhänge.
Wirkung: Schon die Erstausgabe von 1927 wurde ein überraschend großer Erfolg – bis Ende 1928 wurden sieben Auflagen (130 000 Exemplare) des schmalen Bandes gedruckt. Im Dezember 2000 erschien im Fischer Taschenbuch Verlag bereits die 47. Auflage der nunmehr aus 14 Texten bestehenden Sammlung.
Kurzbeschreibung
Immer müssen Millionen müßiger Weltstunden verrinnen, ehe eine wahrhaft historische, eine Sternstunde der Menschheit, in Erscheinung tritt. Stefan Zweig hat beispielhaft vierzehn von ihnen in einer aus der Malerei übernommenen Form nachgezeichnet: als Miniatur. Sie lesen sich überaus anschaulich, plastisch und mitreißend, weil, wie er es nannte, hier die Geschichte selbst als Dichterin, als Dramatikerin waltet. Seinen Ruhm aber hat dieses Buch vor allem begründet, weil diese Darstellung nun schon Generationen zu einem wirklichen, fast unmittelbaren Verständnis für Geschichte, der politischen ebenso wie der der Entdeckungen und der künstlerischen Leistungen, verholfen hat. Darin liegt ein unverlierbares Verdienst des dem Humanen verpflichteten Schriftstellers. Menschliche Größe und Schwäche, Schicksal und Charakter sind, so lehrt es diese Sammlung, die bestimmenden Faktoren unseres Lebens von jeher gewesen und werden es bleiben.
Über den Autor
1881-1942
1881 28. November: Stefan Zweig wird in Wien geboren. Er ist der zweite Sohn des Textilfabrikanten Moritz Zweig und seiner Frau Ida.
1887 Stefan Zweigs Schulzeit beginnt an der Volksschule in der Werdertorgasse.
1892-1900 Er besucht das Maximilian-Gymnasium (heute Wasagymnasium). Der Schüler beginnt, Gedichte zu schreiben – einige werden sogar in Zeitschriften veröffentlicht.
1900 Nach der Matura (Abitur) reist Stefan Zweig nach Frankreich. Er nimmt ein Studium der Philosophie und Literaturgeschichte an der Universität Wien auf.
1901 Das erste Buch erscheint: der Gedichtband Silberne Saiten.
1902 In diesem Jahr erscheint die Erzählung Die Wanderung. Zweig ist Herausgeber eines Bandes mit Gedichten von Paul Verlaine und einer Sammlung mit Baudelaire-Gedichten, die Zweig zum Teil auch übersetzt hat.
1902 Zweig wechselt für das Sommersemester an die Universität Berlin. Im August unternimmt er seine erste Reise nach Paris.
1903 Im August reist er nach Paris und in die Bretagne.
1904 Zweig promoviert mit einer Arbeit über Hippolyte Taine. Der Novellenband Die Liebe der Erika Ewald erscheint, außerdem gibt Zweig Gedichte von Émile Verhaeren in eigener Übertragung heraus. Zweig reist nach Paris und London.
1905 Reise nach Spanien und Algier. Zweigs Monographie Paul Verlaine erscheint.
1906 Der Lyrikband Die frühen Kränze erscheint. Zweig hält sich vier Monate lang in England auf.
1907 Das Versdrama Tersites erscheint. Zweig übersiedelt in die erste eigene Wohnung in Wien.
1908 Balzac: sein Weltbild aus den Werken, bearbeitet und eingeleitet von Zweig, erscheint. 26. November: Tersites wird gleichzeitig in Kassel und Dresden uraufgeführt.
1908 Zweig bricht im November zu einer Reise auf, die in nach Indien, Ceylon und Burma führt.
1910 Émile Verhaeren (Monographie) und Übertragungen von Werken des belgischen Dichters erscheinen. Einleitung zu einer Dickens-Gesamtausgabe.
1911 Stefan Zweig reist nach Nord- und Mittelamerika. Der Band Erstes Erlebnis, Vier Novellen aus Kinderland erscheint.
1912 5. Mai: Der Einakter Der verwandelte Komödiant wird uraufgeführt. 26. Oktober: Das Haus am Meer wird im Burgtheater in Wien uraufgeführt.
1913 Zweig veröffentlicht Der verwandelte Komödiant und Brennendes Geheimnis.
1914 Am 1. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Ab Dezember arbeitet Stefan Zweig »freiwillig auf Kriegsdauer« im Kriegsarchiv.
1916 Zweig zieht mit Friderike (Friderike Maria von Winternitz, 1882-1971) für vier Monate nach Kalksburg.
1917-18 Das Drama Jeremias erscheint. Zweig, ab November 1917 zunächst für 2 Monate vom Militardienst beurlaubt, hält Vorträge in der Schweiz. Begegnungen mit Romain Rolland, den er auch übersetzt. Zweig lernt unter anderen Hermann Hesse, James Joyce und Ferruccio Busoni kennen. 27. Februar 1918: Jeremias wird am Stadttheater Zürich uraufgeführt. Als Korrespondent der Wiener Neuen Freien Presse in der Schweiz zieht Zweig im März nach Rüschlikon bei Zürich. Zweig kauft im November ein Haus am Salzburger Kapuzinerberg. 25. November: Uraufführung von Legende eines Lebens in Hamburg.
1919 März: Zweig bezieht das Salzburger Haus. Zweigs Essayband Fahrten und die Übersetzung von Romain Rollands Drama Die Zeit wird kommen erscheinen.
1920 Januar: Stefan Zweig und Friderike von Winternitz heiraten in Wien. In diesem Jahr erscheinen die Biographie Marceline Desbordes-Valmore, die Erzählung Der Zwang, der Essayband Drei Meister (Balzac, Dickens, Dostojewski) und die Biographie Romain Rolland, der Mann und das Werk.
1922 Amok, Novellen einer Leidenschaft erscheint, außerdem die Legende Die Augen des ewigen Bruders. Zweig ist in diesen Jahren ein äußerst produktiver Übersetzer und Herausgeber (u.a. Rolland, Chateaubriand, Renan).
1925 Der Kampf mit dem Dämon (Hölderlin, Kleist, Nietzsche) erscheint. Zweig arbeitet an einer freien Bearbeitung von Ben Jonsons Volpone.
1926 Volpone erscheint (und wird am 6. November am Burgtheater in Wien uraufgeführt). Der Novellenband Verwirrung der Gefühle wird ein großer Verkaufserfolg.
1927 20. Februar: Stefan Zweig hält im Staatstheater München die Gedächtnisrede auf den am 29. Dezember des Vorjahres gestorbenen Rainer Maria Rilke. Sternstunden der Menschheit, fünf historische Miniaturen erscheinen. In Leningrad erscheint eine russische Gesamtausgabe der Werke Stefan Zweigs (mit einem Vorwort von Maxim Gorki).
1928 Drei Dichter ihres Lebens (Casanova, Stendhal, Tolstoi) erscheint. Quiproquo (Komödie, späterer Titel: Gelegenheit macht Liebe) – gemeinsam mit Alexander Lernet-Holenia verfaßt. Stefan Zweig reist nach Rußland.
1929 In diesem Jahr erscheinen Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen, die Tragikomödie Das Lamm des Armen und der Novellenband Kleine Chronik. Zweig hält am 13. Oktober im Burgtheater in Wien die Trauerrede auf den am 15. Juli gestorbenen Hugo von Hofmannsthal.
1930 Zweig trifft auf einer Italienreise Maxim Gorki. Das Lamm des Armen wird am 15. März gleichzeitig in Breslau, Hannover, Lübeck und Prag uraufgeführt.
1931 Begegnung mit Joseph Roth in Cap d’Antibes. Der Essayband Die Heilung durch den Geist (Mesmer, Mary Baker-Eddy, Freud) erscheint, außerdem die Ausgewählten Gedichte und Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters. Sein Besuch bei Albert Schweitzer schlägt sich im Text Unvergeßliches Erlebnis, ein Tag bei Albert Schweitzer nieder.
1933 10. Mai: Von den Bücherverbrennungen sind auch die Werke Stefan Zweigs betroffen.
1934 Zweig siedelt im Februar unter dem Eindruck der bürgerkriegsähnlichen Zustände in Wien nach London über. Seine Frau Friderike bleibt in Österreich. Zweig trennt sich von Insel-Verlag. Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam erscheint, zunächst in limitierter Auflage – endgültige Ausgabe 1935.
1935 Januar: Zweig reist in die USA, um seinen amerikanischen Verleger Ben Huebsch zu besuchen. Die Oper Die Schweigsame Frau von Richard Strauss, zu der Zweig das Libretto verfaßt hat, wird in Dresden am 24. Juni uraufgeführt und nach insgesamt vier Aufführungen verboten. Maria Stuart erscheint.
1936 Es erscheinen: Castellio gegen Calvin – ein Gewissen gegen die Gewalt und die Erzählungssammlung Kaleidoskop. Zweig reist nach Brasilien und Argentinien.
1937 Die Sammlung Begegnungen mit Menschen, Büchern, Städten erscheint, außerdem die Legende Der begrabene Leuchter und die »Sternstunde« Georg Friedrich Händels Auferstehung.
1938 Stefan Zweig reist mit Lotte Altmann (seit 1934 seine Sekretärin) nach Portugal. Magellan erscheint. 24. Dezember: Scheidung von Friderike. Zweig reist in die USA, um Vorträge zu halten.
1939 Zweig kehrt nach London zurück. Der Roman Ungeduld des Herzens wird ein Bestseller. Zweig zieht nach Bath – Lotte Altmann und Stefan Zweig heiraten am 6. September.
1940 12. März: Stefan Zweig wird britischer Bürger. Vortragsreisen nach Frankreich, in die USA und nach Südamerika.
1941 Amerigo – Geschichte eines historischen Irrtums (posthum 1944 bei Bermann-Fischer, Stockholm erschienen) entsteht während eines USA-Aufenthalts, außerdem Brasilien – Ein Land der Zukunft. Im August fährt Zweig nach Rio de Janeiro, dann nach Petrópolis. Die Schachnovelle und die Autobiographie Die Welt von Gestern entstehen.
1942 Der Kriegsverlauf – scheinbar zugunsten Deutschlands – ist wichtiger Grund für Zweigs erneut intensivierte Depression. 22. Februar: Stefan Zweig und seine Frau Lotte nehmen sich das Leben.
Der Roman Clarissa, der Essay Montaigne bleiben ebenso Fragment wie die große Biographie Balzac.
Werbung
Tolle Seite… ich bin ein großer Fan von Stefan Zweig … ich genieße seine überaus perfektionierte ausgereifte Ausdrucksweise.Schade das uns dieser großartige Mensch 1942 verlassen hat. 1944 sah die Welt doch schon anders aus…
Die „Sternstunden der Menschheit“ von Stefan Zweig sind natürlich kein eigentliches Geschichtsbuch oder historisches Werk (wenn ich auch sicher bin, dass die Rahmenfakten alle vollkommen richtig sind). Vielmehr sind sie eine Sammlung von Erzählungen und Texte, mit starkem Bezug zur Historie. Man sollte sie lesen um sich begeistern zu lassen – Bildung erreicht man nebenbei ganz automatisch. Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ sind sehr subjektiv gewählte Anekdoten aus dem Lauf der Geschichte, deren Auswahl willkürlich erfolgt ist. Zweig schreibt zwar sehr begeisternd und episch schön, ist aber in der Wahl der historischen Momente sehr subjektiv. Zweigs gewählter Titel überhöht zuweilen die historischen Ereignisse. Man kann sich darüber streiten, ob die einzelnen Anekdoten wie die Begnadigung Dostojewskis oder die Niederschrift der Marienbader Elegie wirklich „Sternstunden der Menschheit“ gewesen sind. Aber man kann auch in Frage stellen, ob es überhaupt „Sternstunden der Menschheit“ gibt.