Betroffene beschreiben ihre Legasthenie oft als tanzende Buchstaben auf einem Blatt Papier. Das führt meist zur Ablenkung, weshalb Legastheniker während ihrer Schulzeit leider viel zu häufig als verhaltensgestört tituliert werden. Dabei sind die Gründe ganz andere…
Eine präzise Definition für den Begriff Legasthenie war schon immer schwierig und konnte bis heute noch nicht eindeutig geklärt werden. Bei den Begriffsbestimmungen wird deutlich, dass das Phänomen Legasthenie noch immer kontrovers diskutiert und in unterschiedlichen Begrifflichkeiten gefasst wird. Die Begriffsbestimmungen sind immer auch davon abhängig, ob Legasthenie als Krankheit, Dysfunktion oder soziale Abweichung gesehen und dargestellt wird und ob diese behandelt werden kann oder nicht. Rechtliche Grundlagen und Erlasse der Kultusministerkonferenz und der einzelnen Bundesländer zeigen, dass die Legasthenie mittlerweile von den Ländern und ihren Schulen in großen Teilen berücksichtigt wird.
Die Legasthenie ist eine Entwicklungsstörung, die meist schon im Kindesalter auftritt. Dabei handelt es sich um die Unfähigkeit, korrekt verstandene und gesprochene Worte in Schriftform richtig zu erfassen und wiederzugeben. Hier gehen Psychologen von einem psychologischen Grundproblem aus: Legastheniker haben ein reduziertes Kurzzeitgedächtnis. Dies führt bei der Verarbeitung verbaler Informationen dazu, dass Worte falsch geschrieben oder gelesen werden, denn gehörte Laute werden nicht korrekt schriftlich überführt. Besonders schwierig: Die Schriftform bildet Laute in vielen Fällen unlogisch. So macht unser Ohr keinen Unterschied zwischen “heute“ und “hoite“. Unser Leseverständnis aber schon.
Verminderter Zugriff auf entscheidende Nervenzellen im Gehirn
Hier konnten Hirnforscher nachweisen, dass bei betroffenen Legasthenikern eine mangelnde Vernetzung der für das Lesen und Schreiben zuständigen Hirnareale für das Defizit verantwortlich ist. Zu dieser Erkenntnis gelangte man mithilfe eines Kernspintomografen. Zunächst maß man das Aktivitätsniveau der unterschiedlichen Hirnareale bei unauffälligen Personen und Personen mit diagnostizierter Legasthenie, während die Probanden Laute erkennen mussten. Hierbei ergaben sich zwischen beiden Versuchsgruppen überraschenderweise keine Unterschiede. Erst als man die Verbindungsaktivitäten zwischen den Hirnarealen gemessen hat, zeigte sich ein Problem im Zugriff mit den entscheidenden Nervenzellen, der bei den Legasthenikern vermindert war.
Ein anderer Teil der betroffenen Legastheniker hat weniger ein Problem mit der Herstellung von Verbindungen in den Hirnarealen, sondern mehr in der visuellen Verarbeitung von Buchstaben. Diese Problematik resultiert jedoch nicht aus einer angeborenen Lese- Rechtschreibschwäche, sondern aus einer durch einen Schlaganfall resultierenden Hirnschädigung. Auch hier spricht man von einer Legasthenie, die Ursprung aber ist ein anderer!
Eine Aktivitätsanalyse der Nervenkommunikation ist erst seit wenigen Jahren möglich, und hat die Hirnforschung weit vorangetrieben.
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