„Schönschreiber!“

Auch mir pappte dieses Etikett oft an, sobald ich mal wieder nach ungewöhnlichen Sprachbildern suchte, nach einer unerhörten Formulierung fahndete, statt lieber dem neuesten Klinikskandal auf die Schliche zu kommen. Ein guter Redakteur hatte – nach dem Selbstverständnis dieser Leute – eigentlich gar keine Zeit zum Schreiben. Markworts ‚Fakten, Fakten, Fakten!‘ war zum Credo einer ganzen Journalistengeneration geworden – und der ‚Focus‘, das Zentralorgan aller Instant-Worte, dieser große ‚Markterfolg‘, der aus dem Nichts heraus sogar dem ‚Spiegel‘ Angst machte, der war damals ihr Götze.

Jetzt aber stellen die Jäger der schnellen Rendite, sie smarten Jungs aus den Controlling-Abteilungen, ganzen Redaktionsstäben den Stuhl vor die Tür. Prompt kommt alles so, wie es kommen muss: Für Recherche ist keine Zeit mehr, man nimmt das, was kostenlos oder preiswert geliefert wird, PR und Agenturmeldungen also, und stoppelt daraus den täglichen Grauwert zusammen. Das Schreiben aber, das ja mit ein wenig Stilwillen den Geschmack selbst dieses redaktionellen Eintopfs verkäuflicher würzen könnte, das haben sie leider nie gelernt. Gerade der Fastfood-Focus, schreibt Klaus Harpprecht heute, "könnte am schnellsten in die Knie gehen, eben weil das Blatt von Beginn an auf rasche Verkäuflichkeit, intellektuelle Bescheidung, leicht verdauliche Häppchen, kurz: auf die Konsummentalität der Kundschaft billigerer Warenhäuser gesetzt hat" (taz, 15.9. 2007, 1.2.).

Mit anderen Worten: Die Krise der deutschen Zeitungen ist zumeist hausgemacht – und sie beruht zu einem Gutteil darauf, dass jenes Metier vernachlässigt wurde, das doch der Lebenssinn jeder Zeitung sein sollte: auf das Schreiben in einem weitgefasst schriftstellerischen Sinn nämlich. Um auf den Anfang zurückzukommen: Nicht die ‚Schönschreiber‘ sind ‚old school‘, die Zeit der taffen Jungs mit den vielen Telefonnummern scheint mir vorbei. Derjenigen, die aus der Hüfte schreiben konnten – und zwar nur aus der Hüfte. Wenn aber Zeitungen heute noch eine Zukunft haben, dann sind es diejenigen, die noch über ‚Schönschreiber‘ verfügen.

Werbung

2 Meinungen

  1. Alleine schon aus diesem Grund werde ich nicht in das zunehmende Lamentieren über den Spiegel einstimmen. Gestütsbesitzer hin, wirtschaftsliberale Einstellung her.

Schreiben Sie Ihre Meinung

Ihre Email-Adresse wird Mehrere Felder wurden markiert *

*