Schlafwandler stehlen im Schlaf nicht nur die Decke des Liebsten, sie wechseln mitunter sogar das Bettzeug. Sie wälzen sich im Bett herum, sprechen wirres Zeug, manche schlagen und treten sogar um sich. Andere laufen mit vor sich her gestreckten Armen durch die Wohnung, gehen zum Kühlschrank, telefonieren oder räumen Gegenstände umher. All diese Tätigkeiten verrichten Schlafwandler ohne aufzuwachen. Für Außenstehende klingt das oft witzig bis beeindruckend. Für die Betroffenen selbst und deren Angehörige sind die nächtlichen Eskapaden jedoch mitunter belastend. Tatsächlich kann Somnambulie sogar existentiell bedrohlich werden.
Aufregende Nächte: Schlafwandler sind gefährdet
Ein Schlafwandler verhält sich so merkwürdig, weil er sich während seiner nur scheinbar wachen nächtlichen Aktivitäten in Wirklichkeit in der Tiefschlafphase befindet. Nur ein relativ kleiner Teil seines Gehirns ist jetzt auch tatsächlich aktiv. Der Schlafwandler hat vielleicht die Augen geöffnet. Dennoch schläft er. So wird ihm, was genau er da gerade tut, in keiner Weise bewusst. Stattdessen ist, wer schlafwandelt, entrückt in seine eigenen Welt. Das Problem: Dort gelten keine gewöhnlichen Verhaltensregeln. So können Schlafwandler sich selbst und auch andere leicht in Gefahr bringen.
Darf man Schlafwandler wecken?
„Wecke nie einen Schlafwandler! Das ist gefährlich“, hat meine Oma immer gesagt, und der letzte Stand der neurologischen Forschung gibt ihr Recht. Während man schlafwandelnden Kindern jedoch sanft zusprechen und sie vorsichtig zurück ins Bett bugsieren sollte, bleibt weiterhin davon abzuraten, schlafwandelnde Erwachsene aufzuwecken. Diese befinden sich in ihrer eigenen Traumwelt (sic!) und werden sich gegebenenfalls auch mit Gewalt gegen die (solchermaßen empfundene) Störung ihres Schlafes zur Wehr setzen. Vorhersehbar ist die Reaktion eines Träumenden in jedem Fall nicht. Mancher Somnambuliker findet sich am Morgen danach gar auf der Anklagebank wieder. „Im Schlaf Frau ausgeraubt“ ist da noch eine der harmloseren Meldungen. Immer wieder geistern gruselige Pressemeldungen wie die des unglücklichen Briten Brian Thomas um die Welt, der im Schlaf seine eigene Ehefrau erwürgte.
Somnambulismus: für Schlafwandler und Angehörige belastend
Für Schlafwandler und Angehörige kann das latente Risiko von Aggressions- und Gewaltausbrüchen sehr belastend sein. Dadurch fürchten sich viele Betroffene auch regelmäßig vor dem Einschlafen. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, was in der Nacht passieren wird, kann sehr bedrohlich sein. Hinzu kommt: Nach den nächtlichen Eskapaden sind viele Schlafwandler am Morgen erschöpft und fühlen sich nicht wirklich erholt und ausgeschlafen. Vor allem bei Kindern ist das Phänomen des Schlafwandelns übrigens verbreiteter, als man annehmen mag. Entwicklungsbedingt sind etwa 10 bis 30 Prozent der Kinder zeitweilig von Somnambulie betroffen. Wenn Kinder schlafwandeln, bringt das ihre innere Uhr völlig durcheinander. Am nächsten Morgen leistungsfähig zu sein, kann gerade Schulkindern dann schwerfallen. Doch in der Regel gilt: Das Phänomen verwächst sich. Bei den Erwachsenen sind es dann nur noch etwa 1 bis 2 Prozent, die sich schlafwandelnd herumplagen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Somnambulie im Alter erstmalig auftritt. Zwar ist ein verändertes Schlafverhalten im Alter nicht ungewöhnlich. Plötzlich auftretende Somnambulie könnte jedoch ein Hinweis auf das Vorhandensein einer neurologischen Erkrankung (z.B. Parkinson, Gehirntumor) sein. Betroffene sollten daher umgehend einen Arzt konsultieren.
Führt Schlafwandeln zu Problemen in der Partnerschaft?
Eindeutig ja: Die Auswirkungen von Somnambulismus betreffen auch Partnerschaften. So wird gerade hier das Problem des einen zwangsläufig zu dem des anderen. Wenn heftiges Zappeln und Treten im Schlaf regelmäßig den Schlaf der Liebsten unterbrechen, ist das schon schwierig. Die teilweise skurrilen und unheimlichen Verhaltensweisen, welche potentiell aggressive bis gewalttätige Ausbrüche mit einschließen, können die partnerschaftliche Harmonie jedoch erheblich gefährden. Im Zweifelsfall gilt deshalb: Besser beizeiten den Arzt aufsuchen, um die Beziehung nicht noch weiter zu gefährden.
Abgrenzung: REM-Schlaf-Verhaltensstörung
In der Traumphase ist der Körper normalerweise bewegungslos. Das Bewegungszentrum im Gehirn sendet zwar Bewegungssignale, diese werden jedoch im so genannten locus coeruleus abgefangen. Durch diese Kontrolle der Muskelbewegungen wird der Körper des Träumenden davor geschützt, die geträumten Bewegungen auch tatsächlich umzusetzen. Bei Betroffenen der REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist dieser Schutzmechanismus jedoch gestört. Deshalb führt ihr Körper das Geträumte aus. Die gute Nachricht: Auch wenn diese Form der Schlafstörung relativ heikel ist – Diagnostizierte haben bei entsprechender medikamentöser Einstellung sehr gute Chancen, die Störung zu heilen und wieder in ruhige Träume zu finden.
Schlafwandeln ist den Betroffenen oft peinlich
Was auf Außenstehende so faszinierend und spannend wirkt, ist den Betroffen selbst dagegen häufig peinlich. Schlafwandler fühlen sich tendenziell verletzbar, ja angreifbar: Immerhin gibt es da einen beträchtlichen Teil ihres (nächtlichen) Verhaltensrepertoires, der sich völlig ihrer Kontrolle entzieht und den sie nicht bewusst steuern können. Das ist für die Betroffenen nicht nur erschreckend, sondern kann als derart verunsichernd und bloßstellend empfunden werden, dass es dem Schlafwandler schwerfällt, über seine nächtlichen Ausflüge zu sprechen. Angehörige sollten sich darüber bewusst sein und im taktvollen Gespräch nach Möglichkeit auf Vorwürfe verzichten.
Schlafwandeln: Tipps für Betroffene
Bleibt die Frage: Was tun gegen die nächtlichen Ausflüge? Was hilft gegen Schlafwandeln? Hier einige Tipps für Schlafwandler…
- Schlafhygiene ist wichtig: unbedingt auf regelmäßige Schlafzeiten achten!
- Dabei kann ein Schlaf-Tagebuch helfen. Dort können neben den Schlafenszeiten auch Faktoren wie Koffein, Nikotin, Alkohol, Stress und andere Besonderheiten protokolliert und überwacht werden.
- Ruhe und Dunkelheit im Schlafzimmer sind sehr hilfreich.
- Es gibt auch viele bewährte Hausmittel zur Verbesserung des Schlafes.
- Gefahren vorbeugen: evt. Zimmer abschließen, ein nasses Handtuch vor das Bett legen
- Alarmsignal: Eine Schnur mit Glöckchen kann den Schlafwandelnden bzw. seine Angehörigen wecken.
- Entspannungstechniken (z.B. sanftes Yoga) einüben!
- Auch empfehlenswert: Regelmäßige Autosuggestion („Wenn ich fühle, wie meine Füße den Boden berühren, werde ich aufwachen.“
- Psychopharmaka nur im Notfall: Medikamentöse Behandlung sollten tendenziell das Mittel der letzten Wahl sein, wenn alle anderen Ansätze ausgeschöpft sind.
- In einer kognitiven Verhaltenstherapie erlernt der Schlafwandler Techniken, die ihm den Umgang mit der Somnambulie erleichtern. Eine gute Therapie setzt gerade hier im Erlernen von Stressresilienz an. Denn nur wer es schafft gelingt, Stressfaktoren im Alltag zu reduzieren und gut mit sich selbst umzugehen, wird seine Schlafstörung dauerhaft lindern.