Saufen, Kiffen, Näschen pudern.

Unser großer Olympier, der Weimaraner Geheimrat, lehnte den Tabak, die häufigste Schriftstellerdroge, allerdings vehement ab: Sogar seinen Kumpel Schiller schickte er zum Schmöken immer vor die Haustür. Dafür aber hielt sich Goethe am Wein schadlos, von dem er am Tag zwei Fläschchen vertilgte, wenn er nicht eine seiner tagelangen Kneiptouren nach Jena unternahm. Auch Schiller soff gern und viel – und von Christoph Martin Wieland blieben uns neben Geisteswerken opulente ‚Weingeisteswerke‘ erhalten, seine Weinbestellungen nämlich. Vieles von dem, was wir über den ‚Beigebrauch‘ unserer Dichterfürsten wissen, hat uns übrigens der Society-Arzt Böttiger in seinem allzu intimen Tagebuch verpetzt.

Mit den Romantikern kamen neue Drogen ins Spiel: Wer mal auf die Mohnkapselsymbolik bei Novalis achtet, auf den warten ungeahnte Aha-Erlebnisse – und selbst die berühmte ‚blaue Blume‘, die im Heinrich von Ofterdingen solch somnambul-traumverlorene Visionen beschwört, scheint ihre Wurzeln auf orientalischen Opiumfeldern zu haben. An eher flüssige Drogen hielt sich dagegen der Schauerromantiker E.T.A. Hoffmann, besonders an solche, die bei Lutter & Wegner zu Berlin ausgeschenkt wurden. Diesen ‚Nachtromantiker‘ dürfen wir zu den großen Alkoholtoten der deutschen Literatur rechnen, wie bspw. auch Christian Daniel Schubart, Joachim Ringelnatz oder Joseph Roth. Den letzteren als ‚Schnapsdrossel‘ zu bezeichnen, wäre die Verniedlichung eines suizidalen Sachverhalts. Aber auch in der Provinz türmten sich neben dem Schreibtisch die Bouteillen: „Bei der Einfahrt eines Bierfasses in Koburg läuft er seliger umher als beim Eintritt eines Kindes in die Welt", klagte die Frau des Idyllen-Dichters Jean Paul.

Später dann wurde es richtig heftig: Ferdinand Hardekopf, Georg Trakl, Gottfried Benn oder Walter Benjamin hantierten virtuos mit allen Phiolen, auf denen ‚Weckamin‘ oder ‚Laudanum‘ stand, Johannes R. Becher, später immerhin DDR-Kultusminister, bekämpfte die Nachwirkungen seines Morphiumkonsums mit Kokain, und die Schlaflosigkeit des Kokains durch Morphium, bis er glücklich in der Psychiatrischen Klinik des Prof. Binswanger gelandet war. Ernst Jünger – jaja, ich meine diesen knallharten Preissänger des ‚Soldatischen‘ – der probierte noch im hohen Alter systematisch alle Drogen eigenhändig aus, bis hin zu LSD und Meskalin. Zu einer gemeinsamen Séance mit letzterem lud er dann den Dr. Gottfried Benn höflichst ein. Und dass ‚bei den Manns‘ die Jeunesse Dorée beste Beziehungen zum örtlichen Kokshandel hatte, ist auch bekannt – ob nun Erika Mann oder Klaus Mann. Um von Lässlichkeiten wie dem Kiffen nicht erst zu reden. Bei den Jüngsten letztlich – ob Bernward Vesper, Peter Rühmkorf, Rolf Dieter Brinkmann oder auch Uwe Johnson – bleibt eigentlich nur die Frage: Wer denn nicht?

Trotzdem wäre es jetzt ein Irrtum, die Kausalität umzukehren. Die lautet nämlich: ‚Menschen die schreiben können, nehmen überdurchschnittlich häufig auch Drogen‘. Eine Verdrehung dieser Kausalität bestünde hingegen darin, zu sagen: ‚Wenn ich häufig Drogen nehme, dann kann ich auch schreiben‘.

Eine schöne Textsammlung zum Thema, herausgegeben von Petra Plättner, ist übrigens als Band 72 des Marbacher Magazins im Jahr 1995 erschienen, mit einem kompetenten Essay von Peter Rühmkorf zur Einführung ins dieses schwer mit Narkotika umwölkte Thema:

2 Meinungen

  1. Ein Blick ins Ausland ließe die Kausalität wohl erweitern: Ernest Hemingway mochte die Grüne Fee angeblich so sehr, dass er einen Cocktail kreierte und ihn nach einem seiner Werke benannte, „Death in the Afternoon“. Inhalt seien Absinth & Champagner gewesen.

  2. Oha – wenn wir über die Grenzen schauen, dann gleicht die Lage einem riesigen Drogentherapiezentrum: Rimbaud, Verlaine, Baudelaire, Gide, Genet usw. sind dort nur einige unter vielen. Die amerikanische Kolonie in Paris zwischen den Kriegen soff sich von Hemingway über Scott Fitzgerald bis zu Ford Maddox Ford um Kopf und Kragen, daheim war es mit Upton Sinclair oder Jack London ähnlich. In England rollte etwas früher schon die Opium- und Dekadenzwelle – Oscar Wilde & Co. Hinweisen muss ich aber auf folgendes: Geschrieben wurde selten im Vollrausch. Dazu dienten den meisten die Morgenstunden – Kater hin, Kater her, die Arbeit ging vor. Danach erst ging’s ab zum Daiquiri. Fitzgerald hat sogar richtiggehende Entziehungskuren nur deshalb gemacht – meine ich mich zu erinnern – damit er endlich mal wieder zum Schreiben kam …

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