Saadat Hassan Manto: Schwarze Notizen

Manto brachte man ein paarmal wegen Obszönität vor Gericht. Religiöse Eiferer bedrohten ihn, und in Lahore ging ihm seine alte Heimat Bombay nicht aus dem Kopf. Tariq Ali schreibt im Nachwort zu den "Schwarzen Notizen", Manto sei es gelungen, den Opfern der Teilung ein Gesicht zu geben und ihre Ehre wiederherzustellen. Gerade und ohne zu beschönigen erzählt Manto von den verheerenden Auswirkungen politischer und religiöser Willkür.

Die Figuren in seinen Hobbeschen Tableaus sind auffallend unrepräsentativ. Allein für sich stehend, sind es dennoch gerade sie, die immer wieder zu Opfern werden in einem Kampf, der nicht der ihre ist: Erst als es seine Liebe amtlich machen will, stellt ein junges Paar fest, dass es der Glaube für immer trennt. Zwei alte Freunde stehen sich im Kaschmirkrieg auf einmal als Feinde gegenüber. Der Tod kommt unerwartet, noch für den Täter.

Auf die Spitze treibt Manto seine Abbildung des Irrsinns, der die größte Demokatie der Erde bis heute zu paralysieren scheint, in "Toba Tek Singh". Die indisch-pakistanische Teilung macht auch vor den Insassen der psychiatrischen Anstalten nicht halt. In einer grotesken Großaktion werden verwirrte Muslime und orientierungslose Hindus und Sikhs ausgetauscht. Ein Greis, dessen einziger Wunsch es war, einmal auf sein Stück Land zurückzukehren, dessen Lage er nun nicht mehr zu bestimmen weiß, geht in der Grenzzone zugrunde: "Drüben hinter dem Stacheldrahtverhau lag Indien, und hier diesseits der Stacheldrahtumzäunung lag Pakistan. Dazwischen aber, auf einem namenlosen Fleckchen Erde im Niemandsland, ruhte Toba Tek Singh." In den längeren Texten, wie diesem, ist der Umschlag ins Absurde oder Bedrohliche gut nachzuvollziehen. Die kurzen, manchmal bloß aus zwei Zeilen bestehenden, erinnern mit ihrem ätzenden Spott an Brechtsche Epigramme.

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