Mythos Nr. 5: Qualitätsmaßstab für Zukunftsmanager ist die Genauigkeit ihrer Prognosen.
Falsch! Ein beliebter Versuch, sich aus der Notwendigkeit der Vorausschau zu befreien, ist die Frage "mit welchem Anteil Ihrer Prognosen liegen Sie denn für gewöhnlich richtig?" Das Motiv hinter dieser Sehnsucht nach genauen, objektiven und stets zutreffenden Prognosen ist oftmals die heimliche Hoffnung auf die Abschaffung der Selbstverantwortung. Prognosegenauigkeit kein aber kein angemessener Erfolgsmaßstab sein, da die Zukunft nicht vorhersagbar ist. Jedes Unternehmen und jedes menschliche Lebenskonzept basiert auf Zukunftsannahmen. Ein Unternehmen entwickelt sich erfolgreich, wenn die Zukunftsannahmen seines Managements einigermaßen mit den tatsächlichen Entwicklungen übereinstimmen. Diese Zukunftsannahmen müssen identifiziert, fundiert und im Zeitverlauf überprüft werden. Unternehmer können aber nicht einfach externe Prognosen einkaufen und sich zu eigen machen. Sie müssen sie mit Hilfe ihres Zukunftsmanagers evaluieren und ihre eigene Überzeugung dazu entwickeln. Zukunftsmanagement ist nicht delegierbar.
Der frühere Shell-Manager Henry Deterding sagte, es sei unmöglich, die Zukunft vorauszusagen, aber gefährlich, es nicht zu versuchen. Wie so häufig offenbart erst die praktische Zukunftsarbeit den feinen aber entscheidenden Unterschied zwischen Prognose und Annahme. Die Prognosen zur Entwicklung des Flugverkehrs waren für Boeing und Airbus gleich. Aber sie entwickelten daraus unterschiedliche Annahmen. Boeing setzte mit dem Sonic Cruiser auf Geschwindigkeit und Airbus mit dem A380 darauf niedrige Transportkosten. Milliarden von Investitionen und hunderttausende von Arbeitsplätzen hingen nicht von den Prognosen der Experten ab, sondern von den bauch-bestimmten Zukunftsannahmen zweier Führungsteams. Wie diese Milliardenwette ausging ist bekannt, der A380 fliegt, während der Sonic Cruiser im Konzeptstadium eingestampft wurde. Mit dem "Dreamliner" von Boeing beginnt die Milliardenwette von Neuem.
Wirklichkeit: Ein Zukunftsmanager sollte daran gemessen werden, ob er mit seinem Klienten alle wesentlichen Entwicklungen erarbeitet, analysiert und die sich daraus ergebenden Konsequenzen in eine strategische Vision und Zukunftsstrategie hat einfließen lassen, die zudem noch den potenziell gefährlichen Überraschungen der Zukunft standhält. Die Prognostik ist nur eine von mindestens fünf nötigen Sichtweisen auf die Zukunft. Genau so wichtig ist die Chancenentwicklung, die Visionsentwicklung, die Diskontinuitätenanalyse und die Strategieentwicklung. In jeder Phase kommt es nicht auf die Meinung und die Ideen des Zukunftsmanagers, sondern auf die fundierte Überzeugung der Geschäftleitung an.