Minimaler Elektro: Icke wieder, Paul Kalkbrenner

Wie nicht anders zu erwarten war, knüpft Paule nicht einfach an den überaus erfolgreichen Soundtrack von vor drei Jahren an, viel eher scheint er sich auf seine Vorzeit zu besinnen, minimalistischer Minimal, weniger Mainstream-Elektro, dafür viel mehr Experimentelles. Und das ist für seine große Fangemeinde, die ihn schon vor Berlin Calling stets unterstützte, vermutlich ein dankbares Signal. Irgendwie hatte man ja zuletzt das Gefühl, dass es zumindest für junge Berliner, die etwas auf sich halten, zum guten Ton gehört auf dem eigenen Profil Paul Kalkbrenners Facebook-Seite aufzuführen.

Also alles ein wenig zurückgedreht, die Tracks nicht mehr ganz so eingängig, der Wiedererkennungswert aber durchaus vorhanden. Kurz: „Icke wieder“ macht Spaß, ist ab und an etwas öde, nicht primär Club-Musik, aber unbedingt hörenswert.

Paul Kalkbrenner und ein großes Auf, ein kleines Ab

Zumindest der erste Track „Böxig leise“ erinnert dann aber doch schon sehr an die Berlin Calling-Platte, versteht sich vielleicht aber auch einfach als Übergang in Paules neuestes Werk. Es folgen nämlich mit „Gutes Nitzwerk“ sechs Minuten astreiner Minimal-Elektro und eine Emanzipation vom massenkompatiblen Berlin-Soundtrack. Es gibt keinen Gesang, viel eher Beats, die ein interessantes Phänomen aufweisen: Einerseits laufen sie nebenher, so, dass die 60 Minuten Paul Kalkbrenner auch recht unaufgeregt an einem vorbeiziehen können, man dabei ebenso im Auto, wie auch im Garten bei einem kalten Getränk sitzen könnte. Auf der anderen Seite aber animiert die Musik dazu sich zu bewegen, zu tanzen, wenn wohl auch nur im Kleinen, denn – wie gesagt – clubgeeignet sind die Tracks in der Album-Form nur bedingt, was natürlich nicht heißt, dass PK aus all den Einzelwerken nicht herrliche Auftrittsversionen basteln kann und basteln wird. Wie bei „Jestrüpp“, der ersten „Auskopplung“:

[youtube ah5jiHrSStE]

Aber zurück zur Musik konkret. Was ihm gelingt, und das macht dann eben doch die jahrelange Erfahrung aus, ist, dass er stets weiß wann es reicht. So hat „Schnakeln“ nach wenigen Minuten bereits ein gewisses Nervpotential, gehört mit gut vier Minuten dann wiederum aber auch zu den kürzeren Tracks. Wie angesprochen, Kalkbrenner experimentiert. Bei „Kleines Bubu“ kommt eine Trompete aus den Weiten der Berliner Clubnächte. Der Leipziger schreitet fort, gibt mehr Bass in „Des Stabes Reuse“ (übrigens auch hier das Schnakeln-Schema). Und hinten raus gibt es dann doch ein wenig Kritik anzumerken: Ganz rund ist die Stunde Elektro dann doch nicht. So endet sie ohne Überraschung, ohne einen Knall. Bisweilen finden sich sogar Lounge-Parts. Und das braucht es dann eigentlich nicht.

Das Dilemma zwischen Underground und Mainstream

In diversen Interviews bekennt sich Paule dazu, dass ihn „der Irrsinn, die Hysterie“ nach Berlin Calling ab und an überforderte und sagt auch selbst, dass das vorliegende Album eher ein Schritt zurück, als selbiger in die Zukunft sei. Wobei der Schritt zurück nicht entwicklungstechnisch, sondern privat-musikalisch zu verstehen ist.

Schaut man sich in der Internetgemeinde um, dann ist das Echo durchaus geteilt, eher sogar negativ. Und daran zeigt sich die Problematik, wenn ein bekannter Musiker mit einem mal berühmt wird. Der häufigste Vorwurf nämlich lautet: Alles war irgendwie schon da, der Mann wärmt kalten Kaffee wieder auf. Sicherlich ist da was dran, aber wie soll es auch anders sein? Es gab auch Beschwerden beim Erfolg von BC, nun also schaut er zurück, greift in die Zeit davor, bastelt etwas neues und was ist der Dank? Der anderen Hälfte gefällt gerade diese Einkehr nicht. Zu langweilig, zu dröge. Und diese Kritik kommt wiederum aus Ecken, die erstmals durch Berlin Calling den Namen Kalkbrenner gehört hatten. Gott sei Dank ist Geschmack subjektiv und Gott sei Dank könnt ihr alle im Internet in diverse Ausschnitte des (sehr) gelungenen Albums reinhören, ehe ihr dann aber zum Plattenladen rennt und „Icke wieder“ kauft. Nicht, dass der Mann Geldnöte hätte – aber Musik gehört nicht gebrannt, nicht illegal heruntergeladen sondern als das behandelt, was es ist: Kunst. Und selbst ein kopierter Picasso auf A3-Plakaten kostet noch den ein oder anderen Euro.

Die Platte ist seit Anfang Juni zu bekommen; durch die Welt tourt Paul Kalkbrenner weiterhin unentwegt. Alles wichtige dazu, Musikschnippsel und mehr findet ihr hier. 

Schreiben Sie Ihre Meinung

Ihre Email-Adresse wird Mehrere Felder wurden markiert *

*