Langeweile vs. kurze Weile

Werbung schaue ich nicht gern – allerdings gern Detlef Buck. Er verfügt über jene norddeutsche Einsilbigkeit (Lakonie), an der sich der Witz entzündet. Unter anderem drehte Buck die Werbespots für eine bekanntere norddeutsche Biermarke: Da sitzen also einige Provinzgestalten in Breitripp-Cordhosen und blauen Tuchjacken bräsig in ihrem Landgasthof herum, wo gerade ein zufällig hereingeschneiter Deutschamerikaner mit seiner Farm prahlt: "Dejse Farm, you know, dej is sou grouß, dass ich mit dejm Auto zwei Tage brouch, um oinmal ringsherum su fohrn". Prompt schiebt sich einer der Zuhörer die Schiffermütze in den Nacken, kratzt sich am Kopf und sagt: "Joa, so'n Auto hatt ich auch moal!" Zack, bumm – die Perspektive hat sich gedreht, der Witz schlägt im Holzschober ein und lässt dem Angeber die Luft aus den geschwollenen Reifen. Auf diese Art muss eine Pointe sitzen.

Man schaue sich dagegen die durchschnittliche Stimmungskanone auf einer Familienfeier oder einem Schützenfest an: Was holt er weit aus! Wie bereitet er seinen Auftritt vor: "Nu will ich euch auch ma was Lustiges erzählen, hähä! Ihr kennt doch alle noch den Fiedi Monsees mit seinem Hund, wa? Weißt, den der damals am Bahndamm in seinem besoffenen Mors fast vom Zug überrollt worden wär, so duhn war der, muaahaaha! Der hat doch vor zwei Jahren oder so dann wieder geheiratet – diese Anneliese, die von Kurti sein'm Bruder damals als fidele Witwe nachgeblieben war …" Usw. usf. Die Geschichte verzettelt sich, sie wird durch ihre Länge nicht lustiger, im Gegenteil, jeder Zuhörer sucht verzweifelt nach einer Möglichkeit, der Situation zu entkommen. Notfalls aufs Klo. "Dröhnbaddel" heißen solche Figuren hierzulande.

Daher die große Regel: Gerade der, der es auf humoristische oder anekdotische Wirkungen anlegt, der fasse sich kurz und bleibe kalt. Wer dem Leser Stimmungsbilder malt, soll gern ein wenig länger pinseln, aber wer's aufs Lachen anlegt, hat nur wenige Sekunden, den Kopf des Zuhörers abzufackeln.

In John Steinbecks «Straße der Ölsardinen» wachsen einem jener «Has-Beens» dort in der Cannery Row die Schulden beim chinesischen Ladeninhaber über den Kopf. Er hat es satt und überträgt daher dem «Ausbeuter» für die Schulden sein Haus. Damit hat er seinen Nachlass geordnet und er kann ins Jenseits abreisen.

Was hätte ein schlechter Schreiber nicht alles aus dieser Szene herausgenudelt? Er hätte weit ausgeholt, um als allwissender Erzähler die letzten Gedanken eines solchen Mannes zu Papier zu bringen; er hätte mit schwarzromantischen Zentnergewichten auf die Tränendrüsen des Lesers gedrückt und soziale Anklage erhoben. Kurzum: Ein solcher Schreiber wäre völlig wirkungslos geblieben.

Anders Steinbeck: Der bleibt dieser Szene gegenüber kalt wie ein Ölsardinenschwanz, erzählt nur das Notwendigste, und ist schon mit dem Nachlass beschäftigt, während der Revolver des Opfers noch raucht. Aus dieser Lakonie, aus dem völligen Mangel jeder «Romantik» und «Pietät», wodurch Steinbeck uns die stoische-stolze Haltung in dieser Armensiedlung zeigt, aus diesem Mangel – der keiner ist – blüht der schwarze Humor: «Hierauf schritt Abbeville aufrecht quer über den Grasplatz an der dunklen Zypresse vorbei, über die Schienen, den Hühnerstieg geradewegs hinauf in das Haus, das nicht mehr das Seine war, und erschoß sich auf einem Fischdüngerhaufen. Am Nachmittag lag Horace Abbeville auf dem Schragen. Im Leichnam steckten die Einbalsamierungsnadeln. Auf seines Hauses Stufen saßen eng umschlungen seine zwei Frauen. Bis zur Bestattung waren sie gut Freund miteinander; dann verteilten sie ihre sechs Kinder untereinander, und keine sprach mehr mit der anderen ein Wort.»      

Kunst – auch die Kunst der Pointe – drängt also auf äußerste Reduktion, auf Zusammenstreichen. Nicht der wohlklingende Wortschwall bindet die Leser, sondern die glücklicherweise fehlenden Worte. So wie auch in diesem Beispiel des Schauspielers Jan Fedder, das satzlogisch vom schlichten Fortlassen einer zuvor eingeführten Komponente lebt: «In diesem Dorf wird zu viel gejammert und gesoffen. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Aber das Jammern muss aufhören.»

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2 Meinungen

  1. dachte der text wäre kurzweilig, war aber eher …und die pointe hab ich auch wieder nicht verstanden. ist schon sch … ade, wenn man kein studierter germanist ist, ist man wohl nur deutsch …der autor kenn aber immerhin eine: durchschnittliche Stimmungskanone auf einer Familienfeier oder einem Schützenfest.an dem satz hat mich schon das „oder“ genervt.

  2. Nun, man kann es nicht allen recht machen: Vielleicht ist es auch nicht so lustig „über Witz zu schreiben“, wie „Witze aufzuschreiben“. Versuchen Sie’s einfach mal im Satire-Blog …

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