Kopflinien statt Linkstrecken

Google ‚prämiert‘ sozusagen bei der Suche Begriffe, die in der Überschrift eines Beitrages stehen: Rankingträchtige Begriffe werden daher oft in die Headline hineingeklotzt, bis der Speicher quiekt. Das führt dann zu solchen Markennamen-Dschungeln, wie sie insbesondere auf PR-Blogs und Business Blogs in den Überschriften häufiger auftauchen: Wer ändert Wikipedia-Seiten? Das CIA, Wal-Mart, Diebold…. Derartige Aufzählungen von Stichwörtern sind die häufigste negative Folge dieses Blog-Verfahrens: ‚Nichtssagende Waschmittelnamen: Omo, Ata, Persil, Ariel, Ajax …‚. Hinzu kommen die ‚Zwischenüberschriften‘ oder ‚Subheads‘, die in den Blogs durch ‚Tags‘ und ‚Links‘ in fetter oder farbiger Schrift oft so lange wildwuchernd ersetzt werden, bis der Text einem Leopardenfell gleicht. Denn auch dies sind typische Web-2.0-Stilmittel, die bei ‚Google‘ eine höhere ‚Awareness‘ erzeugen.

Wer also – neudeutsch – ‚google-optimiert‘ schreibt, der verfasst aus technischen Gründen in der Regel den langweiligeren Text – und zwar deshalb, weil er vor lauter Keyword-Geprotze an den textentscheidenden Stellen keinen Raum mehr für Stilkunst und Sprachspiel hat. Ein echtes Dilemma. Die Überschrift zeichnet sich schließlich u. a. auch dadurch aus, dass sie wegen der gebotenen Kürze dem Schreiber nur einen begrenzten Raum eröffnet: kein Raum also für Keyword-Großgaragen. Das menschliche Aufnahmevermögen, auf das jede Headline spekuliert, das ist nämlich nicht aufs Web 2.0 und auf ‚Schlüsselwörter‘ eingerichtet. Und was nützt schon die dollste Google-Optimierung, wenn der Leser sich mit Grausen wendet? 

Wen also die Link-Sucht noch nicht erfasst hat, wer mit den ‚Klickzahlen‘ seines Blogs kein Geld in die Hütte bringen muss, der ist sicherlich besser beraten, wenn er sich vor allem mit den traditionellen Regeln des Journalismus befasst. Aufs Wesentliche heruntergestrippt verlangen die von einer Überschrift folgendes:

  1. Sie muss kurz und prägnant sein (Lapidarität).
  2. Die Überschrift sollte der zentralen Aussage der folgenden ‚Copy‘ entsprechen und auf dem Text ’sitzen‘ (Informativität).
  3. Sie muss durch geschicktes ‚Sprachspiel‘ – Metaphern, rhetorische Figuren etc. – in den Text hineinführen (Leseanreiz).
  4. Sie muss unmittelbar einsichtig sein und das Thema nicht ‚verrätseln‘ (Verständlichkeit).
  5. Sie darf nicht verfälschend, ideologisch oder ‚schief‘ sein (Kongruenz).
  6. Sie sollte nicht zynisch oder menschenverachtend sein (ethische Angemessenheit).

4 Meinungen

  1. Keyword-Steppdecken als Headline sind noch das Eine. Das Andere sind „Content“-Texte wie dieser:“In erster Linie sind es die Global Player der Suchmaschinen, die gerade derartig ihre Wichtung für eine Plazierung auf den Suchseiten ändern, dass das Thema Text Content wie auch die Content Pflege eine große Rolle spielt.Bei Content-Text bekommen Sie beide Thematiken aus hochwertiger journalistischer und redaktionell erfahrener Hand!“Wie eiskalt, äh, redaktionell erfahren ist dies Händchen … aber „Wichtung“ kenne ich trotzdem nicht.

  2. Huch, die gibts ja tatsächlich:http://de.wikipedia.org/wiki/GewichtungIch muss das prophylaktische Googlen wohl noch höher wichten.

  3. Rettet den Neologismus: ‚Wichteln‘ statt ‚Wichtung‘! Nebenbei: Tofu hat keinen Geschmack – und ‚Content‘ macht nur selten ‚content‘ …

  4. Eine der – für mein Empfinden – genialsten Überschriften fand ich in der FAZ. Die Meldung, dass Google mit der Bayerischen Staatsbibliothek kooperiert, um alte Bücher zu digitalisieren wurde mit „Hollereidigooglejöh“ übertitelt. Es ist schon Monate her, aber immer noch im Kopf. Der Idealfall für einen Journalisten. Aber auch der Stabreim wird immer gerne genommen; z.B. „Wörter, Worte, Widrigkeiten“. Zwar in den Augen einiger Stillehrer kein gutes Deutsch, aber wirkungsvoll. Am langweiligsten finde ich Überschriften wie „Vom … bis …“.Spätestens im zweiten Absatz sollte jedoch der Bezug zur Überschrift klar sein. Das können leider nicht mehr viele (außer Ihnen natürlich, sie haben es im ersten Absatz geschafft).

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