Die Bombe platzte am vergangenen Wochenende: Otto Rehhagel kommt zurück in den deutschen Profifußball.
Mit 73 Jahren traut er sich noch ein weiteres Mal in das Haifischbecken Bundesliga.
Das ist umso bemerkenswerter, da er bereits im Jahr 1963 zum Start der deutschen Eliteliga aktiv dabei war – als Verteidiger auf dem Platz!
Sein Verein damals wie heute: Hertha BSC!
Otto Rehhagel: ein Kind der Bundesliga
Wie kaum ein Zweiter ist der Name Rehhagel ganz eng mit der Bundesliga verknüpft. Als Spieler war er bei Hertha BSC und dem 1. FC Kaiserslautern aktiv. Zwar gelangen ihm zu dieser Zeit keine großen Erfolge, doch war er als kompromissloser Abwehrrecke in seinen Mannschaften höchst anerkannt und bei den Gegner gefürchtet. In 148 Ligaspielen erzielte er zudem immerhin 16 Tore. Eine Knorpelabsprengung im Knie beendete schließlich seine Spielerkarriere.
Die großen Zeiten des Otto Rehhagel sollten aber erst beginnen, als er vom Feld auf die Trainerbank wechselte. Zunächst war der junge Otto noch in den Lehrjahren und durchlief abgesehen vom höchst beachtlichen Engagement Mitte der 70er Jahre bei Kickers Offenbach mehrere eher kurze und mäßig erfolgreiche Stationen. 1980 gelang ihm dann mit Fortuna Düsseldorf der Triumph im DFB-Pokalfinale und wenig später heuerte er bei Werder Bremen an und schaffte dort prompt den Wiederaufstieg in die höchste Spielklasse. Daraufhin begann eine beispiellose Trainerkarriere, in denen sich Rehhagel mehrfach als unumstrittener Herrscher eines Vereins oder eines Fußballverbandes fühlen durfte, weil seine Fähigkeit, eine Mannschaft optimal einzustellen, selbst wenn sie nur über begrenzte spielerische Mittel verfügt, zu herausragenden Erfolgen führte. In Bremen lagen ihm Fans und Öffentlichkeit bald zu Füßen, da er einen Verein, der jahrelang ein graues Mittefelddasein fristete, zu einer Vorzeigeadresse im deutschen Fußball machte. Bis heute hält der SV Werder an ähnlichen Strukturen fest, sparsam zu wirtschaften und dennoch mit guter Nachwuchs- und Scouting-Arbeit hervorragende Mannschaften herauszubilden. Zwei Meistertitel, zwei DFB-Pokalsiege, ein Europapokal sowie mehrere Vizetitel waren das Ergebnis des Bremer Sturms an die Spitze.
Rehhagel wechselte 1995 zu Bayern München und beging damit wohl den größten Fehler seiner Laufbahn. Zwischen den Fußballgrößen bei den Bayern, die freilich in allen Dingen mitzureden haben, fühlte sich der Patriarch nicht wohl, denn er konnte zu wenige seiner eigenen Vorstellungen durchsetzen und kam eventuell auch nicht mit dem Münchener Starensemble zurecht. Der Rauswurf noch während der ersten Saison muss ihn hart getroffen haben. Doch Rehhagel fand schon bald eine neue Herausforderung und führte den Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern sensationell direkt zum Meistertitel – vor den Bayern! Doch dieser Geniestreich war immer noch nicht das erstaunlichste was Rehhagel in seiner Trainerzeit je vollbrachte. In Kaiserslautern ging seine Zeit im Jahr 2000 zu Ende, dann zog es ihn nach Griechenland. Ein fußballerisch eher minderbemitteltes Land erfuhr mit ihm eine nicht für möglich gehaltene Entwicklung. Mit dem gegebenen Spielermaterial baute der Stratege Rehhagel eine extrem effektive Defensivtaktik auf, die schließlich zum Europameistertitel 2004 führte. Obwohl die Erfolge danach eher spärlich waren, blieb Rehhagel noch bis 2010 griechischer Nationaltrainer und erlebte somit auch noch eine Weltmeisterschaft.
Der tiefe Fall von Hertha BSC
Nun ist Rehhagel also zurück in der Bundesliga und tut sich die Hertha an. Diese steckt wieder einmal in der Krise. Und niemand hätte dies nach dem guten ersten Saisondrittel wohl für möglich gehalten. Siege über Dortmund und Stuttgart, Punkte gegen Leverkusen oder Hannover zeigten, dass die Berliner gut mithalten konnten. Doch dann begannen die Querelen um Trainer Markus Babbel mit Manager Michael Preetz. Aus bis heute schwer ersichtlichen Gründen musste Babbel schließlich zum Ende der Hinrunde gehen. Preetz installierte anschließend den zuvor schon bei Eintracht Frankfurt gescheiterten Michael Skibbe. Dessen Engagement geriet allerdings zum Desaster. Nach vier Liga- und einem Pokalspiel mit ausnahmslos Niederlagen war Skibbes Amtszeit auch schon wieder beendet und die Hertha im Tabellenkeller angekommen. Nun soll also „König Otto“, wie er in Bremen tituliert wurde, helfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Doch sind seine Methoden nicht zu antiquiert, um im modernen Fußballgeschäft noch zu fruchten?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Situation der Hertha bei weitem nicht aussichtslos ist. Trotz der langen Misserfolgsserie liegen die Berliner noch immer nicht auf einem Abstiegsplatz. Mit Freiburg, Augsburg und Kaiserslautern liegen noch drei Teams jeweils zwei Punkte hinter Ottos neuem Klub, der auf Platz 15 rangiert. Und abgesehen vom 1. FC Nürnberg hat man sämtliche direkten Abstiegskonkurrenten noch auf dem zukünftigen Spielplan. Vor allem diese Sechs-Punkte-Spiele gilt es für sich zu entscheiden, um im sicheren Tabellenbereich zu bleiben und neues Selbstvertrauen zu tanken. Schon Rehhagels erste Partie in Augsburg ist also richtungsweisend.
Rettet Rehhagel die Hertha?
Auch der Mannschaftsgeist scheint noch intakt zu sein. Abgesehen vom desaströsen Spiel in Stuttgart haben die Berliner meist kämpferisch überzeugt und glauben noch an sich. Demzufolge werden sie sicherlich bereit sein, Rehhagels Anweisungen und Systemeinstellungen auf- und anzunehmen. Die Autorität des Trainers, die für Rehhagel eine zwingenden Erfolgsvoraussetzung ist, sollte also grundsätzlich unangetastet sein. Sicherlich wird das vor allem der Defensive gut tun. Fraglich ist nur, ob der Starcoach auch in der Lage ist, dem Sturm das dringend notwendige Selbstvertrauen zurückzugeben. Gerade die Offensiven müssen wieder an sich glauben, um die chronische Torflaute zu beseitigen. Es ist also nicht unbedingt eine System- oder Taktikfrage, auf die es ankommt, sondern ob Rehhagel wie schon so oft gerade im mentalen Bereich gute Fortschritte bei seiner Mannschaft erzielen kann. Da die jüngeren Assistenten Tretschock und Covic für das Grundsatztraining zuständig sind, wird das wahrscheinlich der entscheidende Punkt in Rehhagels Arbeit sein. Auch mit den Medien heißt es im ungemütlichen Berliner Presseumfeld vorteilhaft zu arbeiten und die Mannschaft möglichst zu schützen – eine Aufgabe, die Rehhagel bekanntermaßen eher schwer fällt. Die Hauptverantwortung trägt der Trainermonarch in jedem Fall und dies ließ er auch in einem zentralen Satz während der Vorstellung in Berlin anklingen: „Ab Montag bin ich bei Hertha das Gesetz!“
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