Jesca Hoop im Interview: Von ‘Buddy-Songs’, Inspiration und Schreibplätzen

Tom Waits beschrieb Hoops Musik einmal mit „vier Seiten einer Münze“ und „nachts in einem See schwimmen“ und meinte damit sicher diese überraschende Vielfalt, diese Leichtigkeit, mit der man sich auf ihre Musik einlassen kann, während man mehr als nur seichten Pop geliefert bekommt. Hier ein Interview mit ihr!

Jesca Hoop: Von Elbow entdeckt

Kein Wunder, dass ähnlich versierte Musiker wie Elbow ganz hin und weg waren, als sie zum ersten Mal die Songs der Amerikanerin hörten, Sänger Guy Garvey holte sie gleich nach England, wo sie seine Band als Support auf Tour begleitete. Jesca verliebte sich in Elbows Manager und ließ sich in Manchester nieder, die Großstadt scheint ihr gut zu tun, auch wenn sie zugibt, dass sie die weiten Landschaften Amerikas vermisst, denn das aktuelle Album „The House that Jack Built“ ist ein kleines Meisterwerk, dass sich wie eine Blume im Mondlicht entfaltet, lässt man sich einmal darauf ein. Hier geht es zum offiziellen Trailer vom Song „Born to“!

The House that Jack Built

Der Titel des Albums deutet auf ein Ereignis in Hoops Leben hin, dass tiefe Wunden schlug. Ihr Vater verstarb vor einiger Zeit und Jesca, die sich als Teenager von ihrer Familie und deren Glauben löste, verarbeitete ihre Gefühle in den Songs „The House that Jack Built“ und „DNR“, beide überraschend nackt im Gegensatz zu den meisten anderen Tracks des Albums, und ebenso ehrlich und offen in ihren Texten, weshalb sich die Frage stellt, ob diese Stilrichtung eine bewusste Entscheidung war.

Jesca: Es gibt keine Entscheidungen beim Schreiben, ich verfolge einfach meine Ideen und dann entscheide ich erst bei der Produktion, was ich mit den Songs machen will und sie wollten alleine gelassen werden.

Diese Songs zu schreiben, so Jesca, war nicht schwer und kam wie von selbst, doch das Performen, das Durchleben der Gefühle auf der Bühne, geradezu nackt vor dem Publikum war anfangs anstrengend.

Jesca: Es ist einfacher geworden, sie zu performen, auch mit den Leuten, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Wir haben ein paar Wege gefunden, sie so zu performen, wie sie geboren wurden. Derzeit performe ich sie solo, ich spiele also nur die Skelette der Songs, aber so gefallen sie mir auch.

Do Not Recucitate

So geht es in diesen ganz besonderen Songs um Abschied, Erinnerungen und das, was hinterlassen wurde. Nicht genug sind die Fotos, Liebesbriefe an die Ehefrau und anderen Erinnerungsstücke in „The House…“ und zu sehr schmerzt es, die Geräte im Krankenhaus abzuschalten, um Schmerzen zu ersparen. „DNR“, das steht für „do not recucitate (nicht wiederbeleben)“. Man muss lange suchen, um ähnlich verletzliche Songs über die sterilen Krankenhausgänge zu finden, in denen doch so viele Emotionen aus- und überlaufen. Hier geht es zum Song „DNR (Bing Lounge)“!

Doch nicht alles wurde mit schwerem Herzen geschrieben, so zeigt sich Hoop auch augenzwinkernd, wenn sie im verspielten „Hospital“ darüber siniert, welche Vorzüge doch ein gebrochener Arm mit sich bringt und sich all die Aufmerksamkeit und Geschenke ausmalt, die mit ihm einhergehen. Hier geht es zum Song Hospital (Bing Lounge)!

Wenn Jesca Hoop ihre Songs schreibt, dann tut sie dies oftmals an einem bestimmten Ort. Für ihre vorigen Alben war es auch schon mal ein Treppenhaus oder ein Baum, für „The House…“ hat sie sich jedoch ihren eigenen kleinen Schreibraum eingerichtet.

Jesca: Mittlerweile ist es eher auf den Tag verteilt. Es ist eher so, dass ich mich selbst disziplinieren muss und sobald sich ein Song manifestiert, konzentriere ich mich darauf und schreibe daran, wannimmer ich die Zeit habe oder wannimmer ich daran arbeiten muss. Mein Arbeitsraum sieht aus wie ein Kriegsgebiet. Ich hab mein kleines Demo-Set-Up, wo ich an meinen Songs in der Rohfassung arbeite. An jedem Ort, wo ich lebe, habe ich einen bestimmten Platz, wo ich schreibe und ich sammel auch viele Ideen, während ich zu Fuß gehe.

Zwillingssongs

Ein bestimmtes Thema hat ihr Album zwar nicht, aber Verbindungen kann man schon finden, teilweise sogar zwischen Alben, wie Jesca erzählt:

Jesca: Ich mag es gerne, wenn kein Song alleine ist. „The House that Jack built“ gehört zu „DNR“ zusammen. „Born to“ steht für sich, aber ich habe auch Buddy-Systeme zwischen Alben, „Peacemaker“ etwa passt zu „Kingdom“, ich sehe also einen roten Faden zwischen meinen verschiedenen Schreibphasen.
Der Song, an dem ich derzeit arbeite, der hat noch keinen Buddy, aber ich fühle, dass sich da ein Thema anmeldet.

Das heißt jedoch nicht, dass diese Buddys sich wie ein Ei ähneln, denn wenn es um das Songwriting geht, hat Jesca eine ganz einfache Regel, die letzten Endes wohl auch dafür sorgte, dass ihr Album so bunt geworden ist.

Jesca: Man muss jeden Song neu anfangen und am individuellen Song arbeiten und nicht daran denken, was man vorher gemacht hat. Und wenn man sich wiederholt, muss man einfach schreiben.

Ein interessantes Thema findet sich trotzdem, denn auch wenn „The House that Jack built“ sehr leise, verletzliche Töne anschlägt, so findet man in Songs wie „Peacemaker“ eine Stärke, die nach Kriegsäxten ruft, oder doch eher gegenteilig, diese niederlegt, denn in dem Song geht es um die griechische Sage, in der Frauen ihren Männern Sex vorenthielten, bis sie die Kriegsaxt begruben und das Töten beendeten. Dazu hat Jesca Backgroundchöre, die an uralte Stammeschöre erinnern und die findet man auch anderweitig im Album wieder.

Jesca: Es kam einfach. Ich liebe Tribal Musik, ich fühle mich verbunden, bzw. von alten Traditionen angezogen und den verschiedenen Stilen, Gesangsstilen, die man oft in Tribal Musik findet. Aber es kam auch überraschend, bei „Peacemaker“ war sehr klar, was ich stimmlich machen wollte, also alles sollte in eine arabische Richtung gehen, aber „Deeper Devastation“, die Stimmen da erinnern mich eher an die afrikanische Savanne, das habe ich nicht erwartet, das wurde mir eigentlich empfohlen von meinem Produzenten, der meinte „ruf es einfach“ und so kam er heraus.

Jesca Hoop lässt ihre Kreativität treiben, ihr Tipp für eine Schreibblockade ist „Schreiben“ und auch wenn sie ebenso beim Spazieren gehen, beim Lauschen anderer Leute und Ausgehen Ideen findet und sammelt, der einzige Weg, einen Song aus den Tiefen des Unterbewusstseins herauszuformen ist das Schreiben und vielleicht klingen ihre Songs deshalb so kraftvoll, weil Jesca nicht vorher überlegt, was genau sie schreiben will, sondern sich einfach auf ihre Ideen und ihr Unterbewusstsein einlässt, so dass sie es sich entfalten kann, bevor die Songs dann im Studio zu ihrer endgültigen Form finden.

„The House that Jack Built“ ist opulent und leise, kraftvoll und verletzlich und weiß sich auch im unendlichen Wust der Singer/Songwriter zu beweisen. Für Freunde von Regina Spektor oder My Brightest Diamond unbedingt zu empfehlen.

Bild stammt von: overdriven – Fotolia

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