Hypotaxe und Parataxe: Beispiele und Definition der Stilmittel

Die Stilanalyse gehört zu den am meisten gehassten Aufgaben im Deutschunterricht. Dabei ist das nicht nur ein rein theoretisches Thema, mit dem Lehrer arme Schüler quälen. Denn vom Stil hängt ab, wie ein Text wirkt. Und das gilt nicht nur für Romane, sondern auch für Briefe, Mails, Reden … Wer also etwas über Stil und seine Wirkung weiß, kann sich besser mit anderen verständigen.

Definition Hypotaxe und Parataxe

Eine Hypotaxe ist ein verschachteltes – im Regelfall längeres – Satzgefüge, eine Verbindung von Haupt- und untergeordneten Nebensätzen, die Gedanken, Beschreibungen und so weiter in komplexe Zusammenhänge bringen. Zum Beispiel setzen sie zwei Satzteile durch die Konjunktion „weil“ in eine ursächliche (kausale) Beziehung: „Er muß das Bedürfnis empfunden haben, einen Teil der furchtbaren Verantwortlichkeit auf irgend jemanden abzuwälzen, weil er fühlte, daß es unaufhaltsam zu Ende ging“ (Thomas Mann: Die Buddenbrooks). Eine Parataxe ist dagegen eine Satzreihe, bei denen kurze, selbstständige Hauptsätzen aneinandergereiht werden, getrennt durch Punkt, Komma, „und“, „oder“: „Ich befahl mein Pferd aus dem Stall zu holen. Der Diener verstand mich nicht. Ich ging selbst in den Stall, sattelte mein Pferd und bestieg es. In der Ferne hörte ich eine Trompete blasen, ich fragte ihn, was das bedeutete“ (Franz Kafka: Der Aufbruch).

Die Hypotaxe: Des deutschen Wissenschaftlers liebstes Kind

Besteht ein Text hauptsächlich aus Hypotaxen, nennt man ihn hypotaktisch. Klassischerweise sind wissenschaftliche Texte hypotaktisch, im Falle von deutschen sogar hyper-hypotaktisch („je verschachtelter, desto besser“). Das ist – allen anders lautenden Bezeugungen zum Trotz – sogar beinahe ein Muss, so dass eine Doktorarbeit, die nur aus kurzen Parataxen besteht, als nicht so wissenschaftlich empfunden wird wie eine hypotaktische. Ein schönes Beispiel dafür:

„Das Deutsche ist demnach als eine Sprache zu charakterisieren, die para- und hypotaktische Konstruktionen kennt, wobei die Hypotaxe funktional im Fachbereich sowie im institutionellen sprachlichen Bereich die stärkste Ausprägung aufweist“ (Roelcke, zitiert nach Banionytė, Seite 8).

So wirken parataktische und hypotaktische Texte

Woran liegt das? Parataxen drücken auf den ersten Blick nur schlichte, simple Verhältnisse aus, nämlich zeitliche Gleichzeitigkeit oder Nacheinander oder ein reines Summieren, Aneinanderreihen von Tatsachen. Hypotaxen dagegen können Beziehungen zwischen Gegebenheiten in all ihrer Komplexität darstellen, neben Kausalität, gibt es unzählige andere logische Verknüpfungsmöglichkeiten, zum Beispiel auch konditionale (wenn), lokale (wo), instrumentale (indem), vergleichende (so wie) und so weiter.
Ein hypotaktischer Text wirkt also „hochgestochener“, verbreitet aber auch den Eindruck, dass der Verfasser hoch gebildet ist, tatsächlich weiß, wovon er spricht, und dass er alle Zusammenhänge durchschaut. Er verbreitet also die Aura von Wissen und Weisheit – gleichzeitig baut er aber damit Distanz zu den Lesern und Zuhörern auf, denn normalerweise spricht und schreibt man ja eben nicht so. Letztlich kann ein inhaltsleerer, oberflächlicher Vortrag und Text mit dem Stilmittel der Hypotaxen zu einem hochkomplexen, tief schürfenden umgestaltet werden.

Parataxen beschleunigen Pulsschlag

Parataktische Texte ähneln dagegen denen, die wir im Alltag produzieren. Sie wirken daher „volkstümlicher“, verständlicher – und werden deswegen auch gerne in der Werbung benutzt. Wer damit umgehen kann, wie zum Beispiel Franz Kafka im Beispiel oben, kann mit Parataxen aber auch wundervolle Wirkungen entfalten: Parataxen beschleunigen den Fluss der Erzählung, weswegen sie auch als Stakkato-Stil bezeichnet werden, weil dort wie im musikalischen Staccato die Sätze und Wörter wie kurze, abgehackte Noten auf den Hörer und Leser einprasseln. Parataktische Texte und Vorträge werden daher für rasche Geschehensabfolgen benutzt und steigern die Spannung.

In den Parabeln von Kafka vermitteln sie zudem den Anschein, als ob nicht alles gesagt wird, sondern etwas Unaussprechliches ausgespart wird, und sind damit Teil des geheimnisvollen Touch von Kafkas Kurzgeschichten. Sie können aber auch starke innere Bewegtheit oder Unruhe ausdrücken und sind daher oft „bauchlastiger“ als die komplizierten, durchdachten Gefüge der Hypotaxen.

Foto: Wavebreak Media, Wavebreakmedia Ltd

Werbung

Schreiben Sie Ihre Meinung

Ihre Email-Adresse wird Mehrere Felder wurden markiert *

*