Wiesbaden, im Juni 2007, Vernissage.
Zu Beginn martialische Klänge vom Band im Lesesaal: Das Aufziehen der Schlosswache in Berlin, dann rezitiert Alexander Moissi das ‚deutsche Fahnenlied‘ und Philipp Scheidemann ruft 1918 die Republik aus. In den Vitrinen die unterschiedlichsten Objekte aus dem ‚langen 19. Jahrhundert‘: Reich bebilderte Sagenbücher und Karikaturen, zerflederte Flugblätter, eine silberne Kuchengabel. Daneben ein schwarzes Dienstmädchenkleid. Fotos: Barbarossa und Bebel, Walküren und Suffragetten, Kriegerdenkmäler und Freikörperkultur, neogotische Bahnhofsdome und rauchende Industrieschlote.
Kritisch ist der Blick, den die Historikerin und Referendarin Ute Hasenöhrl auf diese Epoche wirft, deutlich wird das Janusgesicht des Historismus zwischen Idealisierung der Vergangenheit und Aufbruch in die Moderne Zeit. In dieser Umbruchsituation zwischen Vormärz und 1. Weltkrieg richtete sich der Blick der Zeitgenossen verstärkt auf die Vergangenheit. Mittelalter und Frühneuzeit werden prunkvoll inszeniert. Die Wirklichkeit wird theatralisiert. Die Vergangenheit dient als Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Verunsicherten. Spöttische Zungen wie Heinrich Heine sind die Ausnahme. Der Mythos ‚Weltkurstadt‘ Wiesbaden wird geboren – 1914 werden aus Kurgästen Feinde und die Glanzzeit geht zu Ende. Schlusspunkt für eine Gesellschaft, der wirtschaftliche Prosperität nicht gereicht hatte.
Fazit: Historismus als Produkt wie als Reaktion auf die Industrialisierung, als Versuch, eine ‚andere Moderne‘ zu gestalten.
Ausstellungsdauer: 19.6. bis 28.9. 2007, Begleitheft 8 Euro
Hessische Landesbibliothek Wiesbaden, Rheinstrasse 55/57
http://www.hlb-wiesbaden.de/
Öffnungszeiten:
Mo, Di, Do 9 – 19 Uhr
Mi, Fr 9 – 16.30 Uhr
Sa 9 – 12.30 Uhr
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