Juilliard war Francesco Tristano Schlimé jedoch nicht genug, denn zusätzlich studierte er in seiner Heimatstadt Brüssel, in Riga, Paris, Luxemburg und Katalonien.
Ein ausgezeichneter Musiker mit Ambitionen
2000 spielte er zusammen mit dem russischen Nationalorchester das Klavierkonzert Nr.5 von Sergei Prokojefjew, da war er gerade einmal 19 Jahre alt. Seitdem hat er bereits vier Alben aufgenommen, darunter die Königsdisziplin – die Goldberg Variationen. Was Francesco Tristano zudem prägt und inspiriert sind elektronische Rhythmen aus dem Techno. Immer wieder kombiniert er die klassischen Variationen mit den Beats eines Genres, das seit den 90ern ein wenig in Verruf geraten ist, teilweise interpretiert er Klassiker der Technoszene auf dem Piano, teilweise legt er die Rhythmen auf seine klassischen Stücke.
Sein neustes Werk „bachCage“ ist das ambitionierte Unterfangen, den berühmten Komponisten Bach, als auch den Ausnahmekünstler John Cage zu vereinen. Das Album ist die erste Auskoppelung aus dem neuen Vertrag mit Universal und erscheint hierzulande unter der Deutschen Grammophon. Die Verbindung zu Cage scheint Francesco Tristano Schlimé anscheinend in seinem Willen zum Genrebruch zu sehen, zumindest konzentriert sich ein ganzer Absatz seiner Biographie auf der Homepage des Künstlers auf die gewagte Musik, die der junge Mann da zum Besten gibt.
Wir (Sara und Juliane) haben Ihn am 13.3.2011 im Rahmen der Yellow Lounge im Cookies, Berlin sehen und vor allem hören können und uns selbst ein Bild von seinem Stil-Experiment gemacht.
Tristano Live
(Sara) Von Francesco Tristanos Arbeit hatte ich bislang nicht viel gehört, somit ging ich auch ohne Erwartungen oder eine konkrete Vorstellung in die Yellow Lounge. Der imposante Flügel, der die Tanzfläche des Cookies füllte, erweckte als erstes meine Aufmerksamkeit, dieser Anblick war schon mal vielversprechend. Als nächstes fiel mir das DJ-Pult samt DJ, der Klassik auflegte, positiv auf. Das erzeugte eine besondere Atmosphäre, die die richtige Stimmung für die nun folgende Performance erzeugte. Nachdem man sich schließlich kniend, sitzend oder stehend einen Platz um den Flügel und das DJ-Pult erkämpft hatte, sollte es noch einige Zeit dauern, bis der Künstler loslegte. Eine gute Stunde nach Einlass war es endlich soweit, Francesco Tristano wurde angekündigt und ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten. Als Erstes spielte er einen Mix aus Johann Sebastian Bach und John Cage, zwei Stücke von seinem Album bachCage, eine kontrastreiche Mischung und ein guter Einstieg, denn das was folgen sollte konnte mehr Kontrast nicht bieten.
Nach 20 Minuten bachCage machte der Künstler erst mal Pause. Das fand ich schon ein wenig frustrierend, wir hatten schließlich schon über eine Stunde auf ihn gewartet. Nach gut weiteren 20 Minuten sollte es weiter gehen. Jetzt fiel mir ein kleines Mischpult auf dem Flügel auf. Tristano begann mit seiner Komposition und der Pianist wurde zum DJ, spielend und mixend performte Francesco Tristano nun an einem Flügel auf der Tanzfläche im Cookies. Zwei Welten treffen aufeinander, Klassik meets Techno, die beiden Genres sollten hier miteinander verschmelzen. Ein gewagter, aber durchaus interessanter Versuch.
(Juliane) Zugegeben, die technischen Talente kann man Tristano selbst mit schlechtem Willen nicht absprechen, dass man es hier mit einem Virtuosen am Klavier zu tun hat, sieht man nicht nur an den Fingern, die wie Schmetterlinge über die Tasten fliegen, sondern hört man auch an der Leichtigkeit, mit der sowohl Cage als auch Bach durch den Raum klingen.
So möchte ich dem Klavierwunder auch weder Können noch musikalisches Gespür absprechen, aber das Problem, dass ich beim Konzept der Cage/Bach-Symbiose sehe und auch hören konnte ist Folgendes: Egal, mit wem man Cage koppelt, es wird nur eine Variable geben, die sich daraus entfaltet und das ist Cage selbst, denn er ist die Vielfalt, die Dissonanz, das Experiment. Der Stilmix ist daher nicht mehr als eine Imitation von Cage, kein bahnbrechendes Stück Musik. Das macht Tristanos Werk nicht weniger einnehmend, sehr wohl aber weniger experimentell, als es vielleicht intendiert war.
Auch – und hier darf man mich gerne korrigieren – hatte ich das Gefühl, als würde sich Tristano nicht alles trauen, denn anstatt die beiden Komponisten ineinander fließen zu lassen, reiht er sie aneinander, vermischt so subtil, dass das Wagnis letzten Endes doch nur eine versöhnliche Heranführung ist, Cage und Bach säumen sich, umkreisen sich, finden aber nicht zueinander.
Letzten Endes ergibt sich daraus eine technisch versierte Schau, die in einem mehr oder weniger relevanten Remix zum Ende des Sets hin Eigenheitswert hat, aber nicht so sehr bewegt und zum Nachdenken anregt, wie ich es mir erhofft hatte.
(Sara) Für Tristano selbst gibt es überhaupt keine Musik Genres, für ihn ist Musik in erster Linie Klang. Er findet Gemeinsamkeiten bei Barock und Techno, er spielt mit Klängen und erschafft neue. Oftmals abstrakt und gewöhnungsbedürftig aber dann auch wieder überraschend harmonisch. Diese Bandbreite wurde bei seiner Performance in der Yellow Lounge jedoch nicht ganz deutlich.
Die Frage, ob die Symbiose zwischen Electro und einem Tasteninstrument gelungen ist, konnte ich mir nicht beantworten, aber die Tatsache, dass Francesco Tristano Klassik und Electro Fans vereint spricht für sich.
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