Film im Unterricht: Das Leben der Anderen

Die DVD ist hier auf deutsch mit englischen Untertiteln erhältlich. Es ist nicht ideal, bei so einem mit Informationen gefüllten Film immer auf die untere Hälfte des Bildschirms zu starren um der Übersetzung zu folgen, aber besser als gar nicht ansehen. Es ist meiner Erfahrung nach eine Illusion, dass Studenten beim Film schauen neue Wörter lernen. Die Dialoge sind zu schnell, einzelne Wörter nur selten herauszuhören. Doch ich habe die Filmvorführung vorbereitet, Arbeitsblätter kreiert. Auf dem ersten Blatt gebe ich Vokabeln wie

das Ministerium für Staatssicherheit (MfS; dort findet ein Großteil des Filmes statt)

der Operative Vorgang

Überwachung

verwanzen

und führe das Thema des Films im Stil einer Vorlesung ein. Also zunächst zur Geschichte der DDR und der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit, welche Aufgaben die Mitarbeiter hatten, Abteilungen und ähnliches. Der Film zeigt ja sehr anschaulich, wie eine Verhaftung, wie ein Verhör verlief und wie die Anwerbung eines Inoffiziellen Mitarbeiters vor sich ging.

Aber auch ein paar Worte zur Kulturpolitik der DDR in den späten achziger Jahren und der Künstlerszene im allgemeinen waren Teil meiner Vorlesung. Sehr hilfreich waren dafür nicht nur die einschlägigen historischen Werke[1], sondern auch die Informationen, die Ulrich Mühe auf dem Audiokommentar der DVD gibt (ich habe die deutsche Ausgabe benutzt). Es gibt ja immer wieder Fragen dazu, wie authentisch der Film ist und da halfen Mühes Erinnerungen und Erklärungen. Die Einrichtung der Plattenbauwohnung, die Altbauwohnung im Zentrum, die der vom Staat gehätschelte Dramatiker Dreyman hat und anderes – wenn man das alles mit amerikanischen Augen betrachtet, mit Augen von Studenten, die noch nie in Europa waren, geschweige denn Deutschland und sonst nur wenig deutscher Geschichte und Kultur ausgesetzt sind, bedarf vieles einer nährene Erläuterung.  Im Filmheft, das die Bundeszentrale für politische Bildung herausgebracht hat, fand sich auch ein Gedicht von Biermann, das ich mit den Studenten nach dem Film besprochen habe. So kann ich sie auf Literatur aufmerksam machen, die sich mit der DDR-Vergangenheit auseinandersetzt.

Aufgabe der Studenten war es dann, den Hauptfiguren im Film Charaktereigenschaften zuzuornden und die Beziehungen zwischen ihnen mit Pfeilen darzustellen. Als wir zu Christa-Maria Sielands Figur kamen, machte sich Empörung im Unterrichtsraum breit: was für eine Hure! = erster Kommentar. Mir verschlug es die Sprache. Da war aber jemand in seinem/ihrem Moralverständnis verletzt worden. Wie geht man mit so einer Situation um? Erstmal andere zu Wort kommen lassen, vielleicht ergibt sich ein Konsens innerhalb der Gruppe. Diskussionen sind ja des Lehrers liebstes Kind.

Während die meisten ihre Meinung kund taten, und sich an Szenen erinnerten, in denen Christa-Maria sich den Männern angeboten hat, überlegte ich wie die Studenten zu ihrer Überzeugung kamen. Waren ihnen die Gespräche zwischen Christa-Maria und ihrem Partner entgangen, in denen sie ihn auch anklagt, sich mit der Macht ins Bett zu legen? In denen eindeutig gesagt wird, dass sie ohne den Schutz der ‚Oberen‘ nicht auftreten könnte, in denen der Minister Hempf sagt, er passe schon auf den Dichter auf.

In wieweit macht es Sinn, den Studenten diese Sichtweise der Dinge nahe zu bringen? Wenn aus ihnen vielleicht ‚nur‘ ihr Moralgefühl spricht, was ich ja gar nicht unterschätzen will. Schwierige Sache, ich habe es offen gelassen. Aber auf ihrem Arbeitsblatt habe ich ein paar Fragen zur Reflektion eingefügt, zum Beispiel: was glaubst du, wie dein Leben sich ändern würde, wenn du wüsstest, du wirst ständig überwacht?

Unterrichten ist eine immer neue Herausforderung kreativ zu sein, Interesse zu wecken. Die Idee, Das Leben der Anderen zu unterrichten, war gut. Das Vorwissen und Einfühlungsvermögen der Studenten wird in jedem Kurs anders sein, ebenso wie ihre Sprachfähigkeiten. Sie haben etwas über die Kulturszene der DDR erfahren, über die Staatssicherheit und den Umgang damit nach der Wende. Mehr war wahrscheinlich nicht drin fürs Erste. Ich habe es versucht, beim nächsten Mal wird es besser werden.


[1] Staritz, Dietrich: Geschichte der DDR. Erweiterte Neuausgabe. Suhrkamp Verlag,  Frankfurt am Main, 1996. Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989. Ch. Links Verlag, Berlin 1998

Eine Meinung

  1. Sehr gute Darstellung und ein sehr guter Atikel. Besonders gut hat mir die Darstellung über das Moralverständnis gefallen. Bei mir wird es immer auch sehr spannend, wenn ich dann noch meinen Schülern erzähle, dass ich aus dem Osten kommen, quasi ein „Augenzeuge“.

    Ich benutzte auch gerne die Filmhefte für den Untericht.

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