Schluss mit der Spaßpädagogik – diesen Schlachtruf hört man inzwischen allerorten. Dabei ist es so einfach, zu erkennen, warum Eltern heute oft keine strikte Linie mehr in ihre Erziehung bekommen. Es fehlen die Anhaltspunkte.
Früher war klar, was man erwartete, heutzutage wird geschwankt zwischen der persönlichen Freiheit, dem notwendigen Benehmen in einem sozialen Gefüge und dem Bauchgefühl – all das ohne Anleitung. Wie heißt es so schön? Für alles braucht man eine Genehmigung, bloß fürs Kinderkriegen nicht. Elternliebe allein reicht nun mal manchmal nicht aus.
Auch Dr. Albert Wunsch folgt dem Ruf des „Schluss mit der Spaßpädagogik“ und spricht sich für einen Kurswechsel in der Erziehung aus. Wobei ihm wichtig ist, seinen Lesern klar zu machen, dass Erziehung nun mal nicht immer der einfachste Weg ist. Dass man Auseinandersetzungen aushalten muss, dass man dem Kind einen Rahmen, eine Begrenzung geben muss, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten ohne über den Rand zu rutschen und dass die Spaßpädagogik genau da sinnlos wird, wo der Spaß nun mal einfach aufhört.
Alber Wunsch: Abschied von der Spaßpädagogik – Für einen Kurswechsel in der Erziehung, erschienen bei Kösel als vierte Auflage, zu haben für rund 18 Euro unter 978-3-466-30619-0.
Chill mal, Frau Freitag
Wobei der Spaß sicherlich in großem Maße da aufhört, wo Frau Freitag unterrichtet. Sie ist die Klassenlehrerin einer Neunten, von der man nur hoffen kann, dass es eine solche nicht allzu oft gibt. Beim Lesen ihrer „Alltagsanekdoten“ schwankt man zwischen Ungläubigkeit, Schmunzeln und Fassungslosigkeit und man kann es kaum glauben, dass diese Frau tatsächlich der Meinung ist, ihr Beruf sei der Schönste der Welt.
Sie macht ihn sicher nicht schlecht, ihren Beruf, diese unerschrockene und unempfindliche Lehrerin, greift immer wieder auf recht unkonventionelle Unterrichts- und Erziehungsmethoden zurück und zeigt viel Verständnis für ihre „ausländischen“ Mitbürger – aber so manches Mal graut es einen bei der Vorstellung, wie so mancher Lehrkörper bereits froh zu sein scheint, wenn immerhin ein paar der Schüler physisch anwesend sind, wenigstens einer zuhört und vielleicht sogar noch jemand auftaucht, den man das ganze Schuljahr noch nicht gesehen hat. Der Phantomschüler sozusagen.
Diese Lehrerin kennt sich aus mit türkischen Müttern, Schülern, denen Waffen vertrauter erscheinen als Mathebücher und solchen, die schon dafür gelobt werden müssen, wenn sie nur mal einen eigenen Stift dabei haben. Wer sich bildungstechnisch mal so richtig gruseln will, der ist hier sicher richtig. Alle anderen denken sich ziemlich schnell: Bitte macht Schluss mit der Spaßpädagogik! Und zwar ohne gleich die Disziplin zu loben.
Frau Freitag: Chill mal, Frau Freitag – Aus dem Alltag einer unerschrockenen Lehrerin, erschienen als Taschenbuch bei Ullstein im März 2011, 978-3-548-37399-7, Preis: 9.99 Euro.