Als Weihnachtsgeschenk eignet sich „Der Distelfink“, das neue Buch von Donna Tartt, nicht, denn die deutsche Übersetzung erscheint erst im März 2014. Doch wer schon rund zehn Jahre seit Ihrem zweiten Buch „Der kleine Freund“ auf den neuen Roman der US-Schriftstellerin wartet, wird sich auch noch die wenigen Monate gedulden. Oder er liest die englische Fassung des Buches, was unser Rezensent getan hat.
Donna Tartt ist keine Schnellschreiberin. Seit dem literarischen und kommerziellen Erfolg ihres Debüts „Die geheime Geschichte“ 1992 hat sie zwei weitere Bücher geschrieben. „Der kleine Freund“ erschien 2002 (Deutschland: 2004) und „Der Distelfink“ (Originaltitel: „The Goldfinch“) kam vor wenigen Wochen auf den US-Markt. Die deutsche Übersetzung bringt der Goldmann-Verlag im kommenden März heraus.
Ein Terroranschlag in New York ist der Ausgangspunkt von „Der Diestelfink“
Thematisch bewegt sich die Autorin wieder auf einem neuen Feld. Spielte „Die geheime Geschichte“ an einem Neuengland-College und „Der kleine Freund“ auf einem Landsitz in den Südstaaten, so bewegt sich die Handlung des neuen Buchs von New York nach Las Vegas und zurück, um dann nach Amsterdam zu führen. Den Anfang setzt ein Terroranschlag auf ein New Yorker Museum, bei dem die Mutter des 13-jährigen Theo Decker getötet wird. Der Junge selbst überlebt und nimmt bei seinem Weg aus den Trümmern ein wertvolles Gemälde mit: den „Distelfink“ des niederländischen Malers Carel Fabritius. Er verheimlicht den Besitz und fürchtet in den kommenden Jahren immer wieder, als Kunstdieb entlarvt zu werden. Verkäuflich ist das berühmte Bild nicht, doch als es Gerüchte gibt, dass es nicht bei dem Anschlag zerstört wurde, weckt das Begehrlichkeiten auf dem Schwarzmarkt für gestohlene Meisterwerke.
„Der Distelfink“ spielt in New York, Las Vegas und Amsterdam
„Der Distelfink“ ist aber viel mehr als ein Kunstkrimi. Es ist vielmehr ein Entwicklungsroman, durch den sich die Odyssee des gestohlenen Bilds wie ein roter Faden zieht. Theo kommt erst bei einer wohlhabenden New Yorker Familie unter, muss dann aber zu seinem verschollen geglaubten Vater nach Las Vegas ziehen. Später geht er bei einem New Yorker Antiquitätshändler in die Lehre und wird dessen Partner. Der „Distelfink“ liegt dabei gut verwahrt in wechselnden Verstecken.
Donna Tartts drittes Buch fordert Geduld. „Die Distelfink“ hat stolze 1024 Seiten und die eine oder andere Länge ist nicht zu leugnen. Doch der großartige Schreibstil der Autorin, ihre gekonnten Beschreibungen von Charakteren und Milieus, sei es die New Yorker Oberschicht oder die Spielerszene in Las Vegas, machen das mehr als wett. Jedes Mal, wenn die Geschichte aus dem Tritt zu geraten scheint, schlägt sie einen Haken, den man nicht hat kommen sehen – ohne das die Handlung konstruiert wirkt. Denn dass Theo das Gemälde behalten will, ohne das es irgendjemand weiß, ist durchaus plausibel dargestellt und ein wesentlicher Charakterzug dieser faszinierenden Figur.
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