(Foto: www.judietallman.com)
Erst kürzlich hatte sich Kollege D. Petereit, unter Bezug auf den ZEIT-Artikel: Der Fluch der Unterbrechung, seine Gedanken zur „quick and dirty"-Kommunikation gemacht [Living High Speed…]. Eigentlich ein Wunder, dass er dazu noch fähig war/ist. An dieser Stelle also meine Gratulation zu Ihrer synaptischen Konstitution Herr Petereit und dazu ein Sorry für die gerade gestohlene Aufmerksamkeit. – Schließlich wird eine zweifache namentliche Erwähnung locker acht Minuten wertvoller Konzentrationsfähigkeit annihilieren.
Die Wirklichkeit zerbröselt nun in immer kleinere Fragmente. Mittlerweile hat auch die Philosophie das Thema entdeckt. Offenbar sind jetzt sogar die Elfenbeintürme vernetzt. Der Wiener Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann spricht von Wissen, dass keinerlei Wert mehr besitze. Gelernt wird ziellos. Das "Update des Inputs" ersetzt die Suche nach Wahrheit. Doch wo alles gleichermaßen gültig ist, wird auch alles gleichgültig [Quelle: Gehirn & Geist ll 12/2006 Buchrezension „Informiert und ungebildet"].
Zur permanenten medialen Aufmerksamkeits-Diffusion kommt, nach Liessmanns Auffassung, der Verlust von Relevanzkriterien. Aber so ein Phänomen müsste sich doch durch gesteigerte Medienkompetenz ausgleichen lassen? Solche Kompetenz lernt sich angeblich am besten durch Umgang. Der Umgang mit den elektronischen Aufmerksamkeits- fressern hat aber seine Tücken. Wenn man großzügig ist – ich bin großzügig – und PC-Spiele mit zu den digitalen Medien zählt, lassen sich bei deren Usern unschöne Spuren im Aktivitätsmuster des Gehirns nachweisen. Laut einer Studie der Universität von Indiana, stimulieren besonders gewalttätige Spiele die Hirnregionen für Gefühle und verringern die Reaktionen in den Zonen, in denen logisches Denken und Selbstkontrolle angesiedelt sind [pressetext: Gewaltspiele hinterlassen Spuren im Gehirn].
Jetzt könnte man gewalttätige PC-Spiele als Sonderphänomen betrachten, aber das ist falsch. Auch der meiste Rest-Input des Tages versucht durch Direktansprache der Amygdala oder des Nucleus accumbens das kritische Urteil zu umgehen, um regelrecht physische Aufmerksamkeit zu erzwingen. Werbung, PR und andere professionell erzeugte Info-Brocken zielen gewollt auf das Unbewusste [CAF: Dem Kunden wird jetzt in den Kopf geschaut].
Bei so vielen Appellen an den Affekt gehen schlichte Sachinformationen und Anfragen natürlich leicht verloren. Damit die Lebensabschnitts- gefährtin mit ihrer Bitte nach Müllentsorgung überhaupt noch Gehör findet, muss sie schon mit Trennung drohen. Nur so ist die Botschaft emotionalisiert genug, um noch eine Reaktion zu finden. Leider ist die ausgelöste Affekt-Handlung nicht immer angemessen, d.h. aus dem Lebensabschnittspartner wird ganz schnell ein Lebensendabschnitts- gefährt. Um solchen „Beziehungstaten" vorzubeugen, entwickeln britische Kriminologen nun ein – wen wundert's – digitales Instrument zur Verbrechensprävention [SpOn: Software soll Mordrisiko ermitteln – Laura Richards will Mörder und Vergewaltiger identifizieren, bevor sie ihre Taten begehen…]
Die Idee erinnert mich stark an Philip Kerrs SF-Roman „Das Wittgenstein Programm". Da wird auch eine Liste von Prä-Verdächtigen erstellt. Einer der prognostizierten Serienmörder verschafft sich Zugang zur Polizeidatenbank und beginnt eine Mord-Serie an seinen Mitbewerbern. Immerhin ein interessanter Lösungsansatz, wir müssen uns halt schnell vom lästigen Rechtsstaat emanzipieren.
Eigentlich wollte ich doch über digitale Lobotomie sinnieren/ schwadronieren. Bei der chirurgischen Operationsmethode werden die Nervenbahnen zwischen Thalamus und Stirnhirn sowie Teile der grauen Substanz durchtrennt. Wie das digital funktioniert, werden wir noch erleben. Bloß, ob wir das dann noch mitkriegen?
Bis es soweit ist, vielleicht etwas klassischen Punk zum Thema gefällig? THE RAMONES: Teenage Lobotomy
Die Chefarztfrau
Werbung
.Eben erst – ja, Chef, gleich – habe ich bemerkt, dass Sie mich hier verbeispielt – MOOMENT, sagte ich – haben, werte Frau Chefarzt..Wahrscheinlich werde ich das – Ja ja, geht klar, mach das ruhig so – in spätestens fünf Minuten wieder vergessen – Was? Stundensatz? 85 Euro – haben..Wie war Ihr Name – von wegen pauschal, schön nach Stunden abrechnen – ähh, wie?.