Die Geister, die ich rief

Fakt ist, dass die Rakete vom Typ Taepodong-2 mühelos die USA und Japan erreichen könnte. Eine Bedrohungssituation ist also gegeben, die USA wollen wohl sogar ihr Raketenabwehrsystem nutzen. Wie effektiv dieses Abwehrsystem tatsächlich ist, ist eine andere Frage. Aber warum lenkt der nordkoreanische Diktator gerade jetzt soviel Aufmerksamkeit auf sich?
 
In der Online-Ausgabe der FAZ werden drei Szenarien vermutet:
1.)    Werbung für Nordkoreas Militärtechnik durch den Beweis ihrer Funktionsfähigkeit.
2.)    Demonstration des technologischen Fortschritts des Militärs zur Abschreckung nach Innen.
3.)    Das Verlangen nach direkten Gesprächen mit Washington im Hintergrund einer Drohung mit Raketen.
 
Alles potentielle Strategien, wobei ich die zweite für reichlich an den Haaren herbeigezogen halte. Welcher Oppositioneller lässt sich schon durch Langstreckenraketen von subversiven Tätigkeiten abhalten? Da hat Pjöngjang wirkungsvollere, effektivere und kostengünstigere Möglichkeiten diese Fähigkeit unter Beweis zu stellen. Auch die erste Möglichkeit steht in einem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis, nicht nur wegen der 65 Tonnen Treibstoff, die die Rakete zum Start benötigt, auch wegen der zu erwartenden Sanktionen seitens der Völkergemeinschaft. Bleibt also noch der Wunsch nach Gesprächen mit den USA. Aber worüber und warum?
 
Hier hilft ein kurzer Ausflug in die jüngere Geschichte des Atomkonflikts zwischen den USA und Nordkorea. Stichwort Genfer Rahmenabkommen. Es war 1994 als Nordkorea Uran anreichern wollte und mit einem Ausstieg aus dem Non-Proliferations-Vertrag drohte. Die USA bot Nordkorea plutoniumarme Leichtwasserreaktoren im Austausch gegen Gas-Graphit-Reaktoren. Nordkorea zierte sich zunächst dem Abkommen zuzustimmen, Clinton drohte mit Militärschlägen. Nachdem sich Jimmy Carter in den Konflikt einschaltete und zusätzlich anbot die Energieversorgung für die Dauer der Bauzeit der Leichtkraftreaktoren zu übernehmen, willigte Nordkorea schließlich ein.
 
Heute haben wir eine ähnliche Situation im Iran. Auch hier gehören wirtschaftliche Anreize gepaart mit dem Angebot zur zivilen Nutzung der Atomenergie zur Verhandlungsmasse. Das könnte reizvoll auf den Pjönjanger Diktator wirken. Mit dem Bau von Atomwaffen kann er nicht mehr drohen, da er die nach eigener Aussage bereits besitzt. Allerdings würden funktionsfähige Trägersysteme, die die Westküste der USA erreichen könnten eine ungleich größere Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen. Eine Einstellung der Raketentests könnte sich am Ende für das abgewirtschaftete Land auszahlen.
 
Inwieweit ein wirtschaftliches Entgegenkommen aber den Weltfrieden bedrohen könnte, ist nicht abzusehen. Das offensichtlich Parallelen zwischen Verstößen gegen internationales Recht und handfesten Vorteilen beim Einstellen des Rechtsbruches bestehen, ist unabstreitbar. Die USA als Hegemon und Verhandlungspartner in beiden Konflikten sollte sich also weder im Iran noch in Nordkorea auf solche Verhandlungen einlassen. Rechtsbrüche müssen geahndet werden — nicht belohnt.

8 Meinungen

  1. Das Motiv könnte auch sein, dass die Technik einfach mal getestet werden muss. Die Iraner haben die Konstruktionsdaten dieser Langstreckenrakte ja auch bekommen und wollen nun vielleicht ein paar technische Daten zum gekauften Produkt erhalten.

  2. Da hast du recht. Ich wusste nicht, dass Nordkorea ihnen auch die Baupläne für die Langstreckenrakete verkauft hat, ich dachte sie hätten mit der Shahab nur eine Mittelstreckenrakete auf Basis nordkoreanischen Know-Hows. So wird es natürlich noch interessanter und die USA wird sicher schleunigst mit Nordkorea verhandeln wollen, um die Einstellung der Tests zu erreichen. Die Verhandlungsposition für Nordkorea ist dabei noch besser, wenn sich der Iran im Besitz der Baupläne befindet.

  3. Es scheint ja fast, als hättest du prohetische Gaben, Stefan. Soeben lese ich bei SPON, das sich NK der Befürchtungen der USA hinsichtlich des Raketentests bewußt sei und gibt gleichzeitig zu Protokoll Diese Frage [der Befürchtungen] könne durch Diskussionen gelöst werden.Also doch nur feilschen um bessere Bedingungen.Gleichzeitig bezweifeln die USA dass NK genug Treibstoff für die Rakete hat – bezeichnend für das System in NK. Auf der einen Seite verhungern Menschen, andererseits bastelt man aber an Langstreckenraketen die man dann nicht mal mit Treibstoff füllen kann. Auf solche Ideen muss man erstmal kommen!Für die USA könnte der angebliche Test dennoch ganz hilfreich sein. Zum einen könnte man Kompromißbereitschaft demonstrieren und eingebunden in ein multilateraels Vorgehen auch good will oder aber man kann das Raketenabwehrsystem testen – sofern denn die Rakete befüllt werden kann (s.o.) und auch noch so weit fliegt.

  4. Ich wünschte mir wären ähnliche Gaben beim Tippspiel zuteil geworden.

  5. Na, nun wirds wohl ernst. William Perry, ehemaliger Verteidigungsminister der USA, sprach sich dafür aus, die nordkoreanische Rakete bei Bedarf per Luftangriff auf der Startrampe in Nordkorea selbst zu zerstören. Dick Cheney will davon aber (noch) nichts wissen. Außerdem haben die USA einen Abfangtest durchgeführt um zu demonstrieren, dass sie notfalls nordkoreanische Raketebn abfangen können. Es wird also langsam Ernst in Fernost.

  6. Die USA schicken jetzt auch noch eine neue Version der U2 nach Südkorea um mal zu schauen was die Nordkoreaner so treiben. Natürlich alles lange vorher geplant gewesen, natürlich. Mal sehen was dabei herauskommt. Interessant, dass man selbst in Zeiten von Satellitenaufklärung auf Gerät aus den Zeiten des Kalten Krieges zurückgreift.

  7. Vielleicht hat sich Pjöngjang auch verkalkuliert. Die Strategie war zu durchsichtig. Würden die USA nachgeben, ständen den nächsten Tag schon die nächsten Schurkenstaaten auf der Matte. Beim Genfer Rahmenabkommen, kehrte die nordkoreanische Führung auch erst nach militärischen Drohungen an den Verhandlungstisch zurück. Hochmut kommt vor dem Fall.

  8. Wohin soll NK denn noch zurückfallen? Die Steinzeitkommunisten dürften in selbiger angekommen sein. Davor kommt offenbar nicht mehr viel, vielleicht noch die Dinosaurier und was mit denen passiert ist, weiß man ja…

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