Die Alternative zur Dreigliedrigkeit im Schulsystem …

Betrachten wir das Problem einmal aus der Hamburger Perspektive. Wortreich wird dort lamentiert. Mittlerweile würden 50 Prozent eines Grundschuljahrgangs auf Gymnasien wechseln. Das Gymnasium sei auf dem Wege zu einer Gesamtschule des Mittelstandes. An der unteren Leistungsskala würde sich die Hauptschule immer stärker zur Restschule entwickeln, an der sich sämtliche soziale Probleme beobachten ließen. Die Gesamtschule hingegen erwecke nicht genügend Elternvertrauen hinsichtlich der Qualität der dort vermittelten Bildung und deren Abschlüssen. Mittlerweile könne jede(r) dritte 15-Jährige in Hamburg nicht mehr richtig lesen und schreiben.

Soweit, so gut. Sollte es tatsächlich stimmen, dass jede(r) dritte Jugendliche im Alter von 15 Jahren derartige Defizite aufweist, kann man diese Problematik nicht allein der "Restschule" anlasten, wenn man andererseits behauptet, dass 50 % der Grundschüler das Gymnasium besuchen. Nach dieser Lesart müssen auch die Hamburger Gymnasien derartig "miss"gebildete Schülerinnen und Schüler beherbergen.

Und was soll überhaupt die Bezeichnung "Restschule" bedeuten! Dort gehen all diejenigen hin, die auf anderen Schulen überfordert wären. So verstehe ich seit meiner Kindheit Hauptschule. Nein, wird einem entgegen gehalten. Auf die Hauptschule gehen diejenigen, die sich später für einen handwerklichen Beruf entscheiden wollen. Schwachsinn, sage ich dazu. So war es noch nie und so wird es auch nie sein. Denn erstens weiß ein Neunjähriger noch nicht, ob er später sein Lebensglück im Maurerberuf finden wird und zweitens werden verantwortungsbewusste Eltern immer versuchen, ihren Kindern die bestmöglichen Chancen anzubieten. Wenn der Abiturient sich dann mit 19 entscheidet, doch Maurer zu lernen, kann er das schließlich auch dann noch tun. Nein. Die Hauptschule war schon immer die Restschule. Das ist nicht neu. Neu, verhältnismäßig neu ist, dass sich die Struktur der Schülerschaft der Restschule wandelt. Wenn sich in den Städten Viertel mit dem schmucken Volksnamen Klein-Istanbul bilden, soll sich doch bitte keiner wundern, wenn sich solches auch in der Schule abbildet. Wer nahezu ungehemmt bildungsferne Schichten nach Deutschland hat einwandern lassen, darf sich doch über die Auswirkungen nicht wundern.

Und jetzt sollen die Begabteren die Zeche zahlen. Damit der bildungsferne Rest nicht in der eigens dafür geschaffenen Schulform versauert, trägt man dieses soziale Dynamit in die anderen Schulformen. Wohl in der Hoffnung, dass Dynamit, wenn es etwas weniger konzentriert gelagert wird, nicht so leicht explodiert. Ans Gymnasium wiederum geht man nicht ran, weil der politische Einfluss eines Großteils derer, die ihre eigenen Kinder auf dieser Schule haben, wozu mit Sicherheit alle Senatorinnen und Senatoren mit Kindern, soweit sie diese nicht an einer Privatschule untergebracht haben, zählen werden, für die politische Laufbahn derjenigen, die auch das Gymnasium abzuschaffen trachten, höchst abträglich wäre. Gut, dass es dieses Korrektiv gibt, aber schlecht, dass es tatsächlich den einzigen Grund darstellt, die dem Gymnasium die Zukunft sichert.

Der Trend geht bei Eltern, die es sich leisten können, klar zur Privatschule. In der Tat ist der komplette Rückzug aus dem öffentlichen Bildungssystem die einzige wirksame Maßnahme, die Eltern selbstbestimmt treffen können. Damit leistet das deutsche Bildungssystem der Selektion und Abgrenzung weiteren Vorschub, obwohl es eigentlich das Gegenteil erreichen will. Wann wird die Politik erkennen, dass hehre Konzepte sich auch im schulischen Alltag wiederfinden lassen müssen, damit sie glaubhaft werden. Das bloße Vorführen toller Powerpoint-Präsentationen, wie es anlässlich ministerialer Veranstaltungen üblich ist, wird nichts verändern.

Meiner Meinung nach gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder belässt man das dreigliedrige System und führt darin objektive Zulassungsbeschränkungen ein, um die Massenflucht hin zu den Gymnasien zu stoppen und damit den anderen Schulformen ihre Werthaltigkeit zurück zu geben. Oder man schafft das dreigliedrige System zugunsten einer Gesamtschule, wes auch immer namens, komplett ab und lebt mit den Folgen, die darin bestehen werden, dass das Leistungsniveau aller Schüler nach unten wegkippt und Verbrechensbekämpfung an Schulen eigene Polizeiabteilungen wird entstehen lassen.

Ein Vorteil dieser zweiten Möglichkeit bestünde allenfalls darin, dass in kommenden Pisa-Tests auch die Schüler ohne Migrationshintergrund, die bislang OECD-weit in der Spitzengruppe spielen, sich an die das Gesamtergebnis bereits jetzt bestimmenden Schüler mit Migrationshintergrund annähern werden. Damit ist der "Soziale-Herkunft-Argumentation" wenigstens der Wind aus den Segeln genommen.

(Foto: www.pixelquelle.de / Fotograf: Peter Behrens)

7 Meinungen

  1. >>Oder man schafft das dreigliedrige System zugunsten einer Gesamtschule, wes auch immer namens, komplett ab und lebt mit den Folgen, die darin bestehen werden, dass das Leistungsniveau aller Schüler nach unten wegkippt …<<Das stimmt doch hinten und vorne nicht! Schaut man sich Konzepte von guten Gesamtschulen an, so merkt man, dass 50% von denjenigen, die mit einer Hauptschul- oder Realschulempfehlung auf eine Gesamtschule gehen mit einem BESSEREN Abschluss die Schule verlassen!! Dies spricht sehr für eine Gesamtschule!!

  2. .Und wieviele dieser „guten“ Gesamtschulen gibt es? Ich kenne keine!.

  3. Zum Beispiel die Göttinger IGS! Es gibt wirklich mittlerweile gute Konzepte an Gesamtschulen. Aber leider nur vereinzelt!

  4. Der Text beinhaltet einige stichhaltige Fakten insbesondere was die Daseinsberechtigung der Gymnasien angeht.Die Bezeichnung der Hauptschule als Restschule ist ebenfalls absolut und unstrittig zutreffend.Das die Integrationspolitik versagt hat und mit verantwortlich für den Niedergang der Hauptschulen ist ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen.Lediglich die Prognosen die gestellt wurden im Hinblich auf die Gesamtschulen und die durch die Umwandlung der Hauptschulen verlagerte Kriminalitätsproblematik sind rein spekulativ, entbehren jedweder Grundlage und können so keineswegs anerkannt werden.Der Weg zu integrativen und integrierten Gesamtschulen ist der richtige Weg in die Zukunft undzwar besser gestern als morgen.Über die Bezeichnung einer solchen Schule kann noch gestritten werden, nicht jedoch über die Umsetzung. Das es darüber hinaus eine Art Eliteschule geben kann oder soll oder ob die Gymnasien dies übernehmen, kann nicht in Frage gestellt werden, vorausgesetzt, in den integrierten und integrativen Gesamtschulen kann grundsätzlich das Abitur erworben werden.Marc StörmerStadtelternbeirat Frankfurt

  5. Dieter Petereit

    .Ich würde meine Prognosen gern relativieren können, sehe dazu jedoch keinen Anlass. Der Blick über den Ozean zeigt ebenfalls nichts Hoffnungschaffendes..

  6. Der Blick über den Horizont ist gar nicht notwendig.In nächster Nachbarschaft, siehe Finnland, dort funktioniert es seit Jahrzehnten und jetzt auch wenige Mutige, siehe Hamburg werden es in Deutschland praktizieren.Nach erfolgreichem Kampf gegen Ministepräsident Roland Koch und seine Bildungsministerin Karin Wolff wird Hessen mit ganz neuen Ideen ein Zeichen setzen.Den Kopf in den Sand stecken, überlassen wir den ständigen Pessimisten, die hatten nun aber nachweislich noch nie dem Fortschritt zugespielt als da eher zur Stagnation geführt.In diesem Sinne

  7. Spiekt mal nach Norwegen, da wird tatsächlich noch der mensch im Schüler erkannt.

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