Ich möchte zu Anfangs kurz klären, was zivile Kontrolle eigentlich heißen soll. Fast jedes Staatswesen unterhält ein Militär und im Idealfall untersteht dieses Komplett der Befehlsgewalt der zivilen Obrigkeit. Aber warum sollte es das eigentlich tun? Warum sollten die Bewaffneten den Unbewaffneten gehorsam sein und nicht selbst die Macht an sich reißen? Dazu haben unterschiedliche Denker unterschiedliche Antworten geben: Von Huntington mit seiner Idee der "objektiven Kontrolle" der Militärs mit Hilfe eines "eigenständigen Professionalismus" und der strikten Trennung von Soldaten und Zivilisten, bis zu Janowitz, der in "The professional Soldier" von 1960 eher die Integration der Soldaten in die Gesellschaft forderte (diese Idee liegt übrigens der Bundeswehr zu Grunde). Welche These man auch für sinnvoller halten mag, es bleibt wohl die Einigkeit darüber, dass die Norm vom Militär unter Kontrolle für ein funktionierendes Staatswesen (und für eine Demokratie alle mal) von großer Bedeutung ist.
Und wie steht es nun um diese Kontrolle in Entwicklungsländern? Die kurze Antwort : Eher Schlecht. Südamerikanische Staaten haben meist mehr als einen Putsch im 20. Jahrhundert (was ja nur die äusserste Form der Einmischung von Militärs in die Politik darstellt) hinter sich. Auch in den Entwicklungsländern Asiens hat das Militär immer wieder nach der Macht gegriffen und es kam zu längeren Phasen von Militärherrschaft. Aber auch Länder, wie die Türkei oder Staaten des Nahen Ostens kennen Phasen intensiven Einflusses der Militärs auf die Innere Politik des Landes und auch Militärregime.
Bleibt die Frage, ob dies auch heute noch so ist und ob Entwicklungsländern die Gefahr eines Putsches droht. Desch hat in seinem Buch "Civil-Control over the Military" die These ausgestellt, dass die Gefahr eines Coups am größten ist, wenn sich ein Land geringer Bedrohung von aussen und gleichzeitig hoher Bedrohung von innen entgegensieht. In dieser Situation kann sich das Militär nur schwer seiner eigentlichen Aufgabe, also dem Schutz des Staates gegen äussere Bedrohungen zuwenden, und es kann sich die Meinung innerhalb des Militärs verbreiten man könne die inneren Bedrohungen am Besten selbst bekämpfen.In Thailand sind es genau solche inneren Bedrohungen, welche von den Militärs als Grunde für ihren Putsch genannt werden (Korruption, angebliche Unterwanderung der Staatsorgane, nationale Zerstrittenheit…). Neben diesen genannten leidet das Land noch unter seperatistischen Bewegungen im Süden (siehe CIA-World-Fact-Book). Ähnlichen Situationen sehen sich viele Entwicklungsländer gegenüber, so dass es nicht auszuschliessen ist, dass es zu weiteren Putschen (oder anderen Formen des Einflusses des Militärs auf die Politik) in anderen Ländern kommen könnte. In Südamerika zum Beispiel sind eine Reihe links-populistischer Staatsoberhäuptern gewählt worden und die Militärs dieser Länder (die zumeist eine Putsch-Geschichte haben und in einigen Fällen längst noch nicht wieder unter kompletter Kontrolle stehen) könnten bei Auseinandersetzungen, wie sie zum Beispiel gerade in Mexiko stattfinden, durchaus ein Eingreifen in Erwägung ziehen.
Und was sollen diese Überlegungen nun? Es mag durchaus sein, dass die thailändische Bevölkerung sich an Staatsstreiche "gewöhnt" hat, aber dennoch bleibt das Problem, dass kein ziviles Staatswesen und vor allem keine Demokratie sinnvoll funktionieren kann, wenn immer die Gefahr besteht das Militär könnte dieses Staatswesen über den Haufen werfen und dann nach seinen Interessen neu ordnen. Dies steht nicht nur der Entwicklung des Landes im Weg (der Mythos der Entwicklungsdiktatur kann wohl langsam als widerlegt gelten) sondern widerspricht auch der Idee von einer freiheitlichen Gesellschaft. Für die entwickelten Staaten bedeutet dies, dass am Ende jede sinnvolle Entwicklungspolitik auch Maßnahmen beinhalten muss, welche dafür sorgen, dass sich auch die zivil-militärischen Beziehungen in einem Entwicklungsland hin zu einem für eine Demokratie angemessenen Zustand entwickeln.
PS: Für den ersten Post gleich mal die Theoriekeule ausgepackt. Naja… was solls, dass nächste mal wirds weniger theoretisch… Versprochen…
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Da du die separatistischen Tendenzen im Süden des Landes ansprichst: Welche Rolle spielt es da, dass der Führer der Putschisten selbst einer der wenigen hochrangigen Militärs muslimischen Glaubens ist? Ist das schon eine Geste an die nach Unabhängigkeit strebenden Muslime des Südens, die der Integration dienen soll?
Also erstmal scheint das Militär als Ganzes den Seperatisten gegenüber nicht freundlich eingestellt zu sein, so sind ja gerade Militäreinrichtungen Ziel von Angriffen durch muslimisch geprägte Seperatistengruppen geworden und das Militär hat seine Präzens in der südlichen Region im Winter 2005/2006 massiv verstärkt. Allerdings hat Sonthi Boonyaratglin, während er den Auftrag hatte die Seperatisten zu bekämpfen, behauptet diese seien eher kommunistisch als religios gelenkt. Als Kritik wegen seiner fehlenden Effektivität im Kampf gegen die Seperatisten und an seiner „Kommunisteneinschätzung“ geäußert wurde, verurteilte er dies scharf als Einmischung der Politiker in die Geschäfte des Militärs (eine Einmischung die ich übrigens völlig legetim finde).Als kann man unter dem Strich wohl annehmen, dass Sonthi Boonyaratglin neben der Tatsache, dass er als Oberbefehlshaber der Streitkräfte natürlich auch im Putsch eine wichtige Rolle spielen musste, auch ein Repräsentant der Muslime in der Gesellschaft und speziell im Süden ist.Mehr Infos übrigens auch hier beim guten alten AKUF: http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege/303ak_thailand_suedthailand.htmund hier aktuelles:http://bangkok.metblogs.com/
Die Kommunisteneinschätzung ist doch eigentlich objektiv haltbar, wenn man liest, dass Banken Ziel der Terrorangriffe sind, und sich unter diesen Geldinstitute auch muslimische Einrichtungen befinden.
Zum einen würde ich aus Angriffen auf Banken nicht zwingend auf Kommunisten schliessen und zweitens scheint bis auf geringe Beteiligung von Ex-Kommunisten dieser Vorwurf wenig Sinn zu machen: http://nationmultimedia.com/2006/08/13/politics/politics_30010984.phpDas auch muslimische Einrichtung getroffen wurden kann auch damit zusammenhängen, dass sicher nicht alle Muslime in der Region Anhänger der Seperatisten sind. Es bleibt allerdings spannend sich die Verbindung aus religiösen und alteingesessenen kommunistischen Gruppen mal näher anzuschauen.