Nada Surf Drummer Ira Elliot im Interview zum neuen Album ‚The Stars are indifferent to astronomy‘

Das erste Mal, dass ich „The stars are indifferent to astronomy“ höre, ist im Zug gen Geburtsort über das Wochenende. Einen besseren Zeitpunkt hätte ich mir wohl nicht aussuchen können, denn das nunmehr siebte Album handelt viel von Erinnerungen, Reflektionen und der Erkenntnis, dass man nun einmal nicht in der Vergangenheit lebt.

Nada Surf schweben in Erinnerungen, ohne sich zu verlieren

„I am looking forward now and will be when I'm old“, singt Matthew Caws und während ich die wenigen Baumgruppen und weiten Felder des charmanten Meckelborgs an mir vorbei ziehen sehe, frage ich mich zum wiederholten Male, warum die 90er – meine Kindheits- und Jugendjahre – in letzter Zeit so oft durch meine Plattenspieler laufen.

Ein paar Tage später sitze ich mit Ira Elliot zum Interview in einem kleinen Büro zurück in Berlin, Ira ist in schwarz gekleidet, bis auf ein paar rote Socken, ein hart erlernter, aber zeitlos sicherer Stil, wie er mir später erzählt, während er sich schaudernd an ein fehlgeleitetes Weihnachtsgeschenk seiner Schwester – ein mittelalterliches Narrenhemd – erinnert.

Kein Album auf Ibiza

Eigentlich wollten Nada Surf ihr neues Album auf einem Bandurlaub auf Ibiza schreiben, doch als ich Ira darauf anspreche, lacht er nur und meint, dass sie den Urlaub zwar gemacht haben, aber zu vielem gekommen sind, nur nicht zum Songwriting.

Ira: Es gibt Dinge, die wir gemeinsam als Gruppe mit Songs machen können, das Arrangement, sie verfeinern und Intros setzen, an der Struktur arbeiten. Aber die Grundarbeit, wenn man an einem Song arbeitet, sollte privat gemacht werden, in Einsamkeit. Matthew wird sicher nicht direkt vor dir einen Song schreiben, auch nicht vor mir, selbst wenn er weiß, dass ich ihn da nicht beurteilen werde. Wenn ich in einem Raum bin und jemand ist im nächsten Raum und ich weiß, dass er mich hören kann, dann ist es einfach anders, wenn ich einen Song schreibe und eventuell etwas merkwürdiges ausprobieren will, ich muss einfach wissen, dass ich alleine bin. Manche Leute können das sicher ausblenden.

Nicht jede Band jammt, bis sie zu einem Song kommen, tatsächlich tun das die wenigsten Bands und das ist auch gut so, denn Kreativität kann nicht erzwungen werden, sie kommt, wenn sie kommt, weshalb Nada Surf nur selten auf Tour schreiben.

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Ira: (auf die Frage hin, ob sie Songs auf Tour schreiben) Nein, nicht wirklich, ich seh Matthew ständig am rum schreiben, er ist immer dabei, Texte zu schreiben und Ideen, auf die er dann später zurück greift, aber meistens glaube ich, kommt sowas spontan und alles auf einmal und dann greifst du nicht auf alte Ideen zurück. Ich denke wir alle haben Berge an kleinen Notizen, die wir über die Jahre in der Hoffnung gesammelt haben, dass wir sie in große Kunstwerke verarbeiten aber ich glaube, wenn, dann passiert meistens alles auf einmal, du greifst deine Gitarre und sitzt da und es trifft dich. Wir haben kürzlich erst darüber geredet, dass es gerade mal 10-15 Minuten dauert, einen Song zu schreiben, die Frage ist, wann diese 10-15 Minuten passieren.

The stars are indifferent to astronomy – das ist kein Grund zum traurig sein

Die Songs sind warm, beinahe optimistisch, zwar gehören Nada Surf schon lange zu den Bands, die melancholische Texte in pop-rockige Melodien verpacken, aber dieses Mal scheint es sogar so, als wäre Matthew an einem Punkt angelangt, an dem Erinnerungen, Gegenwart und das Potenzial der Zukunft in jedem Moment genossen werden können, wenn die Kindheit zurückliegt („When I was young“), dies aber kein Grund zur Trauer ist, immerhin bleibt noch so viel, was man aus dem Leben heraus holen kann („Teenage Dreams“).
Zwischendurch findet sich auch noch ein wunderschönes Liebeslied („Jules and Jim“), doch im Gros ist es Zeit, die sich unaufhörlich in den Texten fest setzt.

Gerade mit so einem Thema ist es erstaunlich, wie kompakt und stimmig das Album ist, rund und schön, knackig und kurzweilig. Dafür, dass die Band zusammen nur ca. 6 Wochen plus Studiozeit daran gesessen hat, ein Wunder.

Ira: Mit diesem Album haben wir uns genaue Richtlinien gesetzt, wir sind eigentlich furchtbar, was Deadlines angeht, aber wir haben uns vorgenommen, dass wir von A nach B arbeiten, wir hatten Studiozeit zu einem bestimmten Punkt eingeplant und hatten dann so ca. 6 Wochen dazwischen und Matthew hatte in der Vorbereitung schon ein paar Demos aufgenommen und wir haben uns diese Stücke angehört, manchmal nur der Chorus oder ein sich immer wiederholendes Stück und alle machen sich Notizen und sagen „das erste war super, das zweite war ok“ und jeder probiert etwas aus, ich an den Drums und Daniel  am Bass – Daniel braucht immer am längsten. Ich bin halt ein Drummer. Du spielst was auf der Gitarre und ich geh mit, Daniel muss etwas mehr darauf achten, was ich mache, wie sich die Melodie verändert, was Matthew macht und da muss er sich dann hinein versetzen und so braucht er etwas, auch wieder alleine, bis er etwas hat.

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Was gut ist, bleibt hängen

Wenn es um gute Ideen geht, ist Ira sehr pragmatisch und gibt damit vielleicht einen der besten Tipps, die man jungen Musikern geben kann:

Ira: Wenn du etwas am Vortag gespielt hast und du hast es heute vergessen, dann war es sicher nicht gut, aber wenn du wirklich Lust hast, es zu wiederholen, dann ist das super. Und wenn du das 4 oder 6 Wochen machst, dann hast du am Ende 10 oder 12 Songs die fertig oder beinahe fertig sind. Wir haben mit der Zeit auch gelernt, dass – wenn ein Song noch nicht komplett ist – das Studio meistens der beste Ort ist, um ihn zu beenden.

Schön ist es, wenn man eine Band, zu der man auf den ersten Indiepartys das damals noch schüchterne Tanzbein zaghaft geschüttelt hat, auch noch später neu kennen lernen darf, ohne auf Vertrautes verzichten zu müssen. Bei all diesen Rückblicken muss ich natürlich auch Ira vorsichtig darauf aufmerksam machen, dass das 20ste Bandjubiläum nicht mehr lange auf sich warten lässt:

Ira: 18 Jahre, das ist ne verf**** lange Zeit. Selbst die Beatles haben sich nach 7 Jahren getrennt. 18 Jahre, das heißt, dass wir entweder sehr motiviert sind, oder sehr sehr faul.

It's never too late for teenage dreams….

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