Der Neokolonialismus ist die indirekte Einflussnahme auf ehemalige Kolonialstaaten, indem diese nach Erhalt der Unabhängigkeit in eine neue Abhängigkeit geführt wurden, die dieses Mal nicht auf militärischer Vorherrschaft basiert, sondern auf den Eigenschaften des Kapitalismus. Die Kolonialherren von damals üben auch heute noch Druck auf ihre ehemaligen Kolonien aus, indem auf wirtschaftlicher, technologischer, kultureller und vor allem auch finanzieller Ebene aus ihrer Situation Kapital geschlagen wird. Der Begriff selbst wird oftmals als polemisch deklariert – das Problem der fehlenden Selbstbestimmung und der Ausbeutung bleibt dabei allerdings weiterhin aktuell.
Neokolonialismus: indirekte Fortführung der Vormachtstellung der reichen Länder
Früher etablierten sich die reichen Industriestaaten Europas in Afrika, in Asien und in der Karibik, um dort einerseits billige Ware und Arbeitskräfte zu beziehen und andererseits ihre Macht in den heimatlichen Gefilden auszubauen. Einhergehend mit der alten Form des Kolonialismus war die Demonstration von militärischer Stärke und die Unterdrückung ansässiger Kulturen und Sprachen mit gleichzeitiger, europäischer Überheblichkeit, dem Chauvinismus und Rassismus. Das Ende der Kolonien brachte nicht auch das Ende des Kolonialismus, denn was zuvor durch die Präsenz einer nicht-einheimischen, herrschenden und unterdrückenden Klasse durchgesetzt wurde, verlagerte sich zugunsten einer wirtschaftlichen Form der Machtausübung – dem Neokolonialismus.
Auch hierbei werden den nunmehr eigentlich unabhängigen Staaten in Afrika und anderswo die Macht- und Wirtschaftsinteressen Europas, aber auch der USA und von China aufgedrückt, zum Beispiel in Form von wirtschaftlicher Ausgrenzung, der Schuldenpolitik, beschränkter oder nur bedingt nützender Entwicklungshilfe (die in diesen Fällen nicht die Unterstützung jener Staaten, sondern nur die wirtschaftliche Vormachtstellung der westlichen Konglomerate zum Ziel hat). Selbst wenn die Kolonialherren von einst abgezogen sind, werden die ehemaligen Kolonien weiterhin als Billiglohnländer und Kornkammern missbraucht.
Wirtschaftliche und finanzielle Ausbeutung in Afrika, Asien und anderen ehemaligen Kolonien
Wirtschaftliche Investitionen dienen niemals der Unterstützung, sondern immer nur zur Steigerung der eigenen Gewinne – das ist an Börsen wie in Unternehmen gleich und auch im Neokolonialismus gibt es hierbei keinen Unterschied. Der unterstützende Aspekt mag dennoch als Selbstzweck herhalten, wenn dadurch die Gewinnspanne maximiert wird, andernfalls wird einfach Raubbau betrieben, bis man sich lukrativere Bereiche sucht. Dies bezieht sich auf schlecht bezahlte Arbeitskräfte im Inland wie auf abgeworbene, die auch im Ausland arbeiten, und auf die Agrarpolitik. Hier bedeutet es in erster Linie, dass die ausländischen Unternehmen auf dem Land produzieren und weder Ware noch Geld ins Inland fließt.
Besonders aber die finanzielle Ebene bedeutet ein Abhängigkeitsverhältnis der sogenannten „Dritten Welt“: Neue Darlehen müssen aufgenommen werden, um alte Schulden zu bezahlen, wodurch die Währungen an Wert verlieren, die Wirtschaft stagniert und man sich auf Deals zu Spottpreisen einlassen muss, bei denen natürlich nicht genug gewonnen werden kann, um neue oder alte Schulden zu bezahlen.
Der Neokolonialismus betrifft nicht nur die traditionellen Kolonialherren, sondern auch die boomenden Wirtschaftsnationen aller Kontinente. Die Ausbeutung wirtschaftlich schwacher Nationen verspricht große Gewinne bei geringem Einsatz, dies ist allerdings ein Problem, dass in näherer Zukunft an Aktualität zunehmen wird.
Weiterführende Links
Interview mit Olivier de Schuter auf Spiegel Online
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