True Widow im Interview: Atmosphärische Wüstensounds aus Texas

Die Jägerklause ist für den typischen Friedrichshain Bewohner etwas einschüchternd, denn für den normalerweise als mindestens vegetarisch verschrieenen Kiezer dürften die Dutzend Geweihe an den Wänden der Jägerklause eher einschüchternd wirken, aber ein Blick auf das Black Sabbath Poster gegenüber vom Eingang lässt zumindest den Rocker aufatmen: Hier fühlt man sich zuhause.

True Widow im Interview

Auch Dan, Nicole und Slim von True Widow scheinen sich wohl zu fühlen, entspannt sitzen wir auf den Sofas im Eingangsbereich, tauschen die Formalien aus „Wie war die Fahrt“, „Wie geht es euch“ und „hoffentlich seid ihr nicht allzu erschöpft“. Aber – alles ist in Ordnung, alle sind relaxed und guter Laune, weshalb das Interview starten kann.

Moi: Euer aktuelles Album ist dieses Jahr raus gekommen, aber ich hab in einem Interview gelesen, dass ihr bereits 2009 viele Songs fertig hattet…

Dan: Ja, zwischen dem ersten und zweiten Album lag eine lange Zeit und es gab diverse Songs, die schon vorher geschrieben waren und als das aktuelle Album näher und näher kam, haben wir ein paar neue geschrieben, aber die meisten haben sich schon eine Weile geregt, wir haben sie auf Tour gespielt und sie haben sich gut angefühlt, als wir ins Studio gegangen sind.

Moi: Habt ihr sie sehr verändert, als ihr sie für das neue Album wieder aufgenommen habt?

Dan: Sie verändern sich ständig, sogar Songs vom ersten Album, sie klingen immer anders, wenn wir sie spielen. Eventuell spiel ich was an der Gitarre anders und denke „das mach ich von jetzt an“, wenn wir das Debüt noch einmal aufnehmen würden, würde es nicht noch mal so klingen.

Nicole: Es ist nicht so, dass wir sie nicht mögen, aber Dinge verändern sich eben mit der Zeit.


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True Widow fingen mit Dan allein zu hause an, der mit einem Aufnahmegerät herum probierte, Songs schrieb und einspielte und irgendwann Slim am Schlagzeug dazu holte, Nicole trafen sie in einer Karaokebar und damit war das Trio komplett. Auch heute ist es meistens so, dass Dan zuerst an Songideen arbeitet und sie dann vor Nicole und Slim ausbreitet, die dann zusammen spielen und gucken, ob die Band sich auf den Sound einigen kann, was man ändern sollte, beziehungsweise, welche Songs überhaupt keinen Anklang bei den Kollegen finden.

Dan: Nicht jeder Song ist gut (allgemeines Gelächter). Manchmal sitze ich zu hause und denke „Man, dieser Song ist so gut, das wird der beste Song aller Zeiten“ und dann spielen wir ihn zusammen und denken…

Nicole:…Schwamm drüber.

Dan: Es ist nicht immer offensichtlich, wenn man alleine zuhaus sitzt.

Von großen Konzepten auf kleinem Raum

Mit einem der längsten Albumtitel aller Zeiten, dürfte sich True Widows Album alleine deshalb aus der Masse hervor heben, „As high as the highest heavens and from the center to the circumference of the earth“ (so hoch wie die höchsten Himmel und vom Zenter zur Peripherie der Erde) klingt nach Poesie, einem größeren Konzept und tatsächlich geht es um einen Titel, der alles umfasst, vom Mittelpunkt der Erde bis zum Himmel wird alles in diesem einen Satz zusammengebracht. Ebenso wie das Albumcover, das von Dan selbst designed wurde, als auch True Widows Sound werden große Ideen, fast schon überwältigende Sounds in nicht einmal 3-5 Minuten auf den Punkt gebracht.

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Eine Band, die so sehr mit Genres jongliert, hat auch eine breite Fanbase, die oftmals Szenen überquert. Metalheads, Hipster oder die Alternative-Generation der 90er, da True Widow eng mit ihren Fans in Kontakt stehen, erfahren sie viel, was diese von der Musik halten, das ergibt auch nicht immer Sinn, weshalb sich spontan die Frage stellte, welche Faninterpretation wohl die Verrückteste war.

Dan: In London – ich werde gleich fluchen, ich hoffe, das ist ok – in London hat mir dieser Typ nach der Show gesagt, dass ihn die Musik horizontal auf den Rücken geworfen hat und dass es sich anfühlte, als wäre er nackt auf einem Einhorn, während er die Sonne f***te. Und ich dachte nur: Wow, alright! Ein Typ, mit dem ich zur Schule gegangen bin und der damals sehr viel mit Drogen experimentiert hat, kam Jahre später mal zu einer Show und er hatte Tonleiter und die Auswirkungen von Noten auf den menschlichen Körper studiert und hatte viel Recherche in dem Gebiet gemacht. Und nach der Show meinte er, „ich weiß nicht, ob ihr das wisst, aber eure Musik, euer Rhythmus hat den physischen Effekt auf Körper“ und dann hat er die Bewegung nachgemacht und es war auch wieder so wie Zurückfallen (Dan steht auf und macht die Bewegung nach, die wie eine Art Headbanging in Zeitlupe aussieht).


Stonegazer vor und auf der Bühne

Headbangen in Zeitlupe passt perfekt zu True Widow, aber durch die Vermischung von diversen Genres schaffen sie es regelmäßig, eine mehr als bunte Fanbase und daher auch verschiedenste Tanzarten zu versammeln, selbst Paartänze wurden schon auf Konzerten gesichtet. Metal, Doom, Noise, Shoegaze, Stoner Rock – so schwer es für die Journalisten ist, True Widows Stil zu beschreiben, so sehr haben sie sich wohl gefreut, als Slim in einem Interview den Terminus „Stonegaze“ geprägt hat. Aber die Shoegaze/Stoner Rock Verbindung war in dem Zusammenhang keine Komponente, vielmehr ging es darum, die Gesichter der Fans zu beschreiben, denn die Trance, in die man bei ihrer Musik versetzt wird, resultiert nicht selten in steinerne Gesichter mit dieser Art Ausdruck, bei der man in die Endlosigkeit zu blicken scheint.

Slim: Der Grund, warum ich „Stone“ (Stein) und „Gaze“ (Blick) zusammen gefügt habe, ist, weil das die Gesichter sind, die uns angucken, wenn wir auf der Bühne stehen. Als wir angefangen haben, wusste keiner, was wir genau machen, es gab keine (musikalischen) Referenzen, also sind wir auf die Bühne, haben gespielt und Leute sind irgendwie wie aus einem Koma aufgewacht.

Selbst erlebt, stellt sich da natürlich die Frage, ob die Band in einen ähnlich abwesenden Zustand versetzt wird, wenn sie auf der Bühne stehen:

Dan: Ich finde mich auch als Stonegazer wieder, normalerweise hab ich die Augen geschlossen, tanze mit mir selbst, ich gucke selten ins Publikum, weil ich irgendwie dadurch gehemmt werde und mich nicht konzentrieren kann, aber ich gucke immer meine Bandkollegen an, immerhin sind wir gemeinsam dabei.

Nach ihrer Europa Tour im Oktober, die von einer belgischen Konzertagentur (Odyssey) unterstützt wurde und einigen Konzerten in Amerika wird es hoffentlich die Gelegenheit für die Band geben, an neuem Material zu arbeiten, zwischen dem Debüt und „As high as the highest heavens and from the center to the circumference of the earth“ lag eine lange Zeit, nicht zuletzt, weil sie nach ihrem ersten Album erstmal ohne Labelvertrag blieben, erst kürzlich bei Kemado untergekommen sind. Bis es soweit ist, kann man sich aber sowohl das Debüt, das Nachfolgealbum (aka eines der besten Alben 2011) und ein paar liebevoll zusammen gestellte EPs zulegen und eintauchen in die Weiten der atemberaubenden Soundwellen True Widows.

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