Mastodon ‚The Hunter‘: Die Metalfrickler sind mit neuem Album zurück

Progressive, Sludge, Thrash, Psychedelic, Alternative – Hauptsache Metal, so sieht es bei Mastodon aus, die dem vor allem im Mainstream leicht angestaubten Genre in den letzten Jahren einen glänzend neuen Überzug verpassten.

The Hunter im Videostream

Nach dem Konzeptalbum „Crack the Sky“ waren noch einige dafür unpassende Songs übrig geblieben, die zu gut waren, um sie im Nirwana versauern zu lassen. Zusammen mit etlichen, brandneu geschriebenen Songs ist „The Hunter“ nicht stringent einem Genre oder einer Story zuzuordnen, sondern zeigt eindrucksvoll, was die Band stilistisch und musikalisch drauf hat, eine Art Wundertüte des Metals also.

Bevor wir uns aber noch ein wenig weiter reinlesen, hier der epische Stream des kompletten Albums inklusive psychedelisch-visualisierter Desktopschoner Videos, den man bequem nebenbei laufen lassen kann:

[youtube ffWVlG8rK9k]

„The Hunter“ ist wohl das erste Album der Band, das weniger Prog-Elemente beinhaltet, sich dafür jedoch reichlich anderer Genres bedient und vor allem in Sachen Songwriting alle Bandmitglieder mehr einbezieht. Auf „Spectrelight“ gibt es dann auch noch den mittlerweile obligatorischen Gastauftritt von Scott Kelly, den man als Mitbegründer von Neurosis kennen dürfte, einer der Bands, die von Mastodon seit jeher hoch gefeiert wurde.

Mastodon mischen auf

Die Wahl des Produzenten Mike Elizondo (Avenged Sevenfold, Dr. Dre, Jay Z) scheint erst einmal überraschend, im Interview mit musicradar.com meinte Bill Kelliher, dass Elizondo bereits seit „Blood Mountain“ mit ihnen arbeiten wollte, dass eine frische Herangehensweise durch einen Produzenten, der sonst eher mit Pop- und Hip Hop Künstlern zusammen gearbeitet hat, genau das war, wonach die Band gesucht hat, zumal Elizondo auch die musikalische Erfahrung mitbrachte, um den mehrfach geschichteten Sound von „Crack the Sky“ auf „The Hunter“ wieder stringenter zu gestalten. Ob das nicht zuletzt dazu dienen soll, die Soundgewalten der Alben auch adäquater auf die Bühne zu bringen?

Interessant war auch die Entstehung der Songs, während „Crack the Sky“ vorwiegend vom Krankenbett von Hinds aus entstand (der nach einer Schlägerei mit Shavo Odajian mit Kopfverletzungen dort gelandet war), warfen die Musiker dieses Mal ihre Ideen zusammen, nachdem sie individuell an ihnen gearbeitet hatten, somit wurde die Rollenverteilung im Songwriting (sonst vorwiegend Brann und Hinds) sehr viel weiter gesetzt, jeder durfte mal ran und sich austoben, während die anderen sich zurücknahmen.

So ist Killehals Gitarrensolo auf „Black Tongue“ ohne Zutun der Kollegen entstanden und wurde vielmehr im Hotelzimmer über Laptop aufgenommen und einfach per Mail an Elizondo geschickt. Sowieso schienen die meisten Songs individuell auf dem Laptop und/oder auf Tour entstanden zu sein, während sie im Studio lediglich ihren letzten Schliff bekamen. „The Hunter“ ist also nicht nur eine Reise für den Zuhörer, sondern war es auch für die Musiker.

Der Name „The Hunter“ und wohl einige Songs aus der Feder von Brent Hinds kommen vom unglücklichen Tod seines Bruders bei einem Jagdausflug, tragisch ist es, enthält schon „Crack the Sky“ Branns Verarbeitung des Selbstmords seiner Schwester, am Ende ist Katharsis aber auch Ursprung der ambitioniertesten Werke.

Der fehlende rote Faden ist der rote Faden dieses Albums

Genauso wie Stile wechselt auch die Stimmung des Albums, düster bedrohlich auf „Stargasm“, episch melancholisch auf „Octopus has no friends“ und rastlos in „Dry Bone Valley“, vom verstörend-spacigen „Bedazzled Fingernails“ wollen wir hier gar nicht anfangen. Auch das fast-Instrumental „Thickening“ spielt mit einem, legt sich wie die ersten Wellen der Ernüchterung nach einer durchgemachten Nacht auf die fiebrige Stirn.

So gut sie auch sind, wenn sie Geschichten erzählen, das fehlende Konzept tut der Vielfalt gut und schränkte die Band dieses Mal daher auch thematisch nicht ein, so dass man Anleihen von 70er Jahre Metal, 80er Stadionhymnen und einigen düsteren Thrashanleihen in großzügiger Dekadenz finden kann, das alles natürlich nur gekonnt verpackt, und zwar mit ordentlich Wumms auf die Ohren, die Prise an Humor ist logischerweise auch inbegriffen. So, als hätten sie sich das How To des Metals genommen und es einmal von vorne bis hinten in ihrer Interpretation durchgespielt, bekommt man als geneigter Fan oder frisch gepflügter Newcomer einen derartig kompakten Überblick über die Sternstunden der Metalmusik, dass einem die Ohren überlaufen. Zurück zu den Wurzeln, um sie quer über einen Haufen zu werfen, schöner hat das auch noch nie geklungen.

Ja, aber „Remission“ war tausend Mal besser

Die Erwartungen waren wieder einmal mehr als groß, dass Mastodon sie erneut zu voller Zufriedenheit erfüllen konnten, lässt langsam anmuten, dass wir es hier nicht mit Menschen zu tun haben, sondern mit extraterrestischen Überwesen, die uns zeigen wollen, wie man den Leuten die Augenbrauen wegschrammelt. Vielleicht aber auch nicht, denn die nörgelnden „Remission“ Fans lehnen sich auch jetzt schon wieder auf, um Mastodon Mainstream-Stadienhymnen vorzuwerfen. Schön wäre es ja, wenn das angesehener Stadienmetal wäre, wer würde nicht gerne „Spectrelight“ mit abertausend anderen Fans mitsingen?
Aber Nörgler kennen sich da eh nicht so aus, die hocken ja bekanntlich in den dunkelsten Ecken der unbekanntesten Clubs und hören sich die dunkelsten, unbekanntesten Bands an. Der Rest hört „The Hunter“ und lässt sich für knapp eine Stunde vom dreimäuligen Stier verschlingen, der übrigens von AJ Fosik designed wurde und im Streamvideo gleich zu Beginn in seiner Entstehung bewundert werden darf.

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